Das Gericht ordnet die Haft für maximal sechs Monaten an.[1]
Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist möglich, wenn die Abschiebung aus von dem Betroffenen zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann.[2]
Die Gesamtdauer der Abschiebungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten und eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.[3]
Als “Beugehaft” darf die Haft aber nicht genutzt werden, das heißt: Abschiebungshaft darf nicht verhängt werden, um Sie zur Mitwirkung an Ihrer Abschiebung (Passantrag etc.) zu zwingen. Wenn die Ausländerbehörde keine Chance hat, noch Abschiebungspapiere zu beschaffen, müssen Sie aus der Haft entlassen werden. [4]
Konnte die Abschiebung nicht durchgeführt werden, bleibt die Haftanordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist bestehen, wenn die Voraussetzungen für die Haftanordnung immer noch vorliegen.[5]
Nach jeder Haftverlängerung hat ein Abschiebungshäftling die Möglichkeit einer Haftbeschwerde (siehe Kapitel 20.1).
Vollzug der Abschiebehaft
Vor der Rechtsänderung durch das Migrationspaket mussten Betroffenen bei der Abschiebungshaft grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen gebracht.
Nach der neuen Rechtslage gilt das nicht mehr. Jetzt müssen Abschiebungsgefangene nur noch getrennt von Strafgefangenen untergebracht werden. Diese erhebliche Verschlechterung verstößt aus unserer Sicht gegen Art 16 Abs. 1 EU-Rückführungsrichtlinie.
Familien sind getrennt von den übrigen Abschiebungsgefangenen unterzubringen und ihnen muss ein „angemessenes Maß an Privatsphäre“ gewährleistet werden.[6]
Gefangene in Abschiebungshaft haben das Recht mit Rechtsvertretern, Familienangehörigen, den zuständigen Botschaften und in diesem Bereich tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen Kontakt aufzunehmen. Mitarbeitenden dieser Hilfs- und Unterstützungsorganisationen soll auf Antrag gestattet werden, Abschiebungsgefangene zu besuchen.[7]
Minderjährige Abschiebungsgefangenen müssen die Gelegenheit zu Freizeitbeschäftigungen einschließlich altersgerechter Spiel- und Erholungsmöglichkeiten und, je nach Dauer ihres Aufenthalts, Zugang zur Bildung erhalten. Unbegleitete Minderjährige müssen so weit wie möglich in Einrichtungen untergebracht werden, die personell und materiell ihre altersgemäßen Bedürfnisse berücksichtigen können. Dem Kindeswohl muss im Zusammenhang mit der Abschiebehaft bei Minderjährigen Vorrang einzuräumen.[8]
Der Situation schutzbedürftiger Personen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Hierzu gehören Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben.[9]
Abschiebungsgefangene müssen über ihre Rechte und Pflichten und über die in der Einrichtung geltenden Regeln informiert werden.[10]
Die Behörden dürfen Ihnen deshalb nur dann Beschränkungen auferlegen, wenn es die Sicherheit und Ordnung in der Haft erfordern. Die Bediensteten sollen Ihre Würde achten, Ihr Ehrgefühl schonen und Sie menschlich behandeln.
Es soll Ihnen großzügig erlaubt werden, sich innerhalb der Haftanstalt zu bewegen und im Freien aufzuhalten. Ihnen sollen Sport- und Freizeitangebote gemacht werden.
- Zur Aufnahme einer Arbeit in der Haft sind Sie nicht verpflichtet, sie soll Ihnen aber nach Möglichkeit angeboten werden.
- Bei einer mehr als vierwöchigen Haftdauer sollen Sie auf Wunsch an beruflichen oder schulischen Förderungsmaßnahmen teilnehmen können.
- Mindestens einmal in der Woche soll Ihnen der Besuch von nahestehenden Personen erlaubt werden. Angehörige von Hilfsorganisationen und Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sollen auch außerhalb der üblichen Besuchszeiten Eintritt erhalten.
- Die Ausübung von Religion und die Betreuung durch einen Seelsorger sollen ermöglicht werden.
- Die Möglichkeit zu telefonieren, Briefe zu schreiben und Pakete zu erhalten, sollen großzügig gehandhabt werden. Auch sollen Sie die Möglichkeit erhalten, Zeitungen zu beziehen.
- Auf Ihre Ernährungsgewohnheiten, kulturelle und religiöse Speisegebote soll bei der Verpflegung Rücksicht genommen werden. Sie dürfen auch Nahrungs- und Körperpflegemittel auf eigene Kosten erwerben, wenn Sie nicht gesundheitsgefährdend sind. Die Bediensteten sollen Ihnen beim Kauf behilflich sein.
Diese Regelungen machen die Abschiebungshaft nicht wieder gut. Sie sollten Sie dennoch kennen, um die Zeit in der Haft einigermaßen erträglich gestalten zu können.
Wenn Sie nicht über Geld verfügen, steht Ihnen in Abschiebungshaft ein kleiner Bargeldbetrag in Höhe des notwenigen persönlichen Bedarfs nach § 3 Abs. 1 S. 1 AsylbLG zu.[11]
Wenn Sie Probleme in der Haft haben oder Unterstützung brauchen, wenden Sie sich an den Flüchtlingsrat Niedersachsen, Telefon 0 511 / 98 24 60 30.
[1] § 62 Abs. 4 S. 1 AufenthG.
[2] § 62 Abs. 4 S. 2 AufenthG; unabhängig davon ist eine Verlängerung ggf. auch möglich, wenn die Abschiebungshaft wegen einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ergangen ist (§ 62 Abs. 4 S. 3 AufenthG).
[3] § 62 Abs. 4 S. 4-5 AufenthG.
[4] Keßler in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 62 AufenthG, Rn. 43.
[5] § 62 Abs. 4a AufenthG.
[6] § 62a Ab. 1 AufenthG.
[7] § 62a Abs. 2 und Abs. 4 AufenthG.
[8] Art. 17 Abs. 3 – 5 Rückführungsrichtlinie
[9] § 62a Abs. 3 S. 1 AufenthG; Gesetzesbegründung BT.-Drs. 18/4097 vom 25.02.2015.
[10] § 62a Abs. 5 AufenthG.
[11] Antwort der Landesregierung vom 15.05.2019, LT-Drs. 18/3760, S. 7.