3.3 Voraussetzungen für die Feststellung von anderen („nationalen“) Abschiebungsverboten

Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen Sie nicht in Ihr Herkunftsland abgeschoben werden, auch wenn Sie weder als Asylberechtigte*r, Flüchtling noch als subsidiär Schutzberechtigte/r anerkannt wurden:

  • Verbot der Abschiebung nach § 60 Abs. 5 AufenthG aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), vor allem wenn die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung besteht, aber beispielsweise auch bei Verletzung der Religionsfreiheit.
  • Verbot einer Abschiebung nach § 60 Abs. 7 AufenthG wegen einer “erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben und Freiheit”. Dieses Abschiebungsverbot besteht nur, wenn ein konkreter Bezug zum “Zielstaat” besteht: Von einem solchen “zielstaatsbezogenen” Abschiebungshindernis spricht man, wenn festgestellt wird, dass einem Flüchtling bei Rückkehr im Herkunftsland schwerwiegende Gefahren drohen. Dies ist zum Beispiel bei schwerwiegenden Krankheiten der Fall, die im Herkunftsland nicht behandelbar sind. Abschiebungsschutz wird auch gewährt, wenn die Behandlung für den Betroffenen nicht zu finanzieren ist.
    Seit Inkrafttreten des Asylpakets II am 17.03.2016 wurden die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot erhöht: Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.[1] Nach der Gesetzesbegründung[2] ist in Fällen, in denen eine Posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, eine Abschiebung regelmäßig möglich, wenn die Abschiebung nicht zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung führt. Daher ist es wichtig, dass die behandelnden Ärzte*Ärztinnen bzw. Therapeuten*innen diese Frage in den entsprechenden Bescheinigungen und Gutachten berücksichtigen.
  • Kann eine Abschiebung jedoch aus anderen Gründen nicht stattfinden, zum Beispiel weil Reiseunfähigkeit vorliegt oder weil kein Pass vorhanden ist, wird kein Schutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG gewährt.

Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG können Sie leider in der Regel nicht erhalten, wenn es um Gefahren geht, die der gesamten Bevölkerung des Herkunftsstaats oder einer Bevölkerungsgruppe drohen, da die Bundesländer dann einen allgemeinen Abschiebungsstopp erlassen sollten.[3] Eine „Bevölkerungsgruppe“ kann beispielsweise die Bevölkerung einer bestimmten Region sein. Das Gleiche gilt, wenn im Herkunftsland etwa alle Frauen von einer bestimmten Gefahr bedroht sind. Eine Krankheit kann nur dann als allgemeine Gefahr gesehen werden,[4] wenn es – wie etwa bei AIDS – um eine große Anzahl Betroffener im Zielstaat geht und deshalb ein allgemeiner Abschiebungsstopp in Betracht kommt.

Wurde kein allgemeiner Abschiebungsstopp erlassen, muss § 60 Abs. 7 AufenthG verfassungskonform ausgelegt werden und es darf trotz einer allgemeinen Gefahrenlage keine Abschiebung erfolgen, wenn der Betroffene dadurch extrem gefährdet wäre, d.h. wenn er „gleichsam sehenden Auges dem Tode oder schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt werden würde“.[5]

 

[1] § 60 Abs. 7 S. 2 – 4 AufenthG.

[2] BT-Drs. 18/7538 vom 16.02.2016, S. 18.

[3] §§ 60 Abs. 7 S. 2; 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG.

[4] Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 10.03.2010, Az. A 8 K 1117/09 mit weiteren Nachweisen.

[5] Allgemeine Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz (AVwV) , 60.7.3.1.

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