12.2 Wohnen, Umziehen und Reisen

Erstaufnahmeeinrichtungen

Auch Flüchtlinge, die ohne Visum einreisen und gleich eine Duldung beantragen (also kein Asylverfahren durchlaufen), können sich ihren Aufenthaltsort nicht aussuchen.[1]

Wenn nicht direkt eine Abschiebung erfolgt oder Abschiebungshaft angeordnet wird, werden sie im Regelfall mit Hilfe des bundesweiten Verteilungssystems „VilA“ (Verteilung illegal eingereister Ausländerinnen und Ausländer)[2] entsprechend der Aufnahmequote auf die Bundesländer verteilt.[3] Das bedeutet, dass Sie auch in ein anderes Bundesland verteilt werden können, wenn Sie in Niedersachsen eine Duldung beantragen.

Wenn Sie in Niedersachsen bleiben, müssen Sie in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen, die es derzeit in Braunschweig, Bramsche, Bad Fallingbostel, Friedland, Oldenburg und Osnabrück gibt,[4] bis sie innerhalb Niedersachsens weiterverteilt werden. Das gilt aber nur bis zur Erteilung einer Duldung oder einer Aufenthaltserlaubnis bzw. eines anderen Aufenthaltstitels.[5]

Aber auch wenn Sie nach der endgültigen Ablehnung des Asylantrags[6] eine Duldung haben, können Sie auch verpflichtet sein, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen.

Durch das sog. Migrationspaket wurde die Zeit, in der Sie längstens in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen müssen, erheblich ausgeweitet:

a) Flüchtlinge mit einer Duldung ohne minderjährige Kinder

Wenn Sie keine minderjährigen Kinder haben, die mit Ihnen in der Erstaufnahmeeinrichtung leben, können Sie für maximal 18 Monate verpflichtet werden, dort zu wohnen.[7]

Wenn Sie bestimmte Mitwirkungspflichten[8] nicht erfüllen, können Sie zeitlich unbegrenzt verpflichtet sein, in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Das gilt aber nur dann, wenn Sie

  • die Mitwirkungspflichten verletzt haben, ohne eine Entschuldigung hierfür zu haben oder
  • die Mitwirkungshandlung, die Sie unverschuldet nicht vorgenommen hatten, nicht unverzüglich nachgeholt[9]

Im Einzelnen sind das vor allem die folgenden Mitwirkungspflichten:[10]

  • Sie müssen Ihren Pass oder Passersatz dem BAMF bzw. der Ausländerbehörde[11] übergeben
  • Wenn Sie keinen Passpapiere haben, müssen Sie an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitwirken und auf Verlangen alle Datenträger, die für die Feststellung Ihrer Identität und Staatsangehörigkeit wichtig sein können, dem BAMF bzw. der Ausländerbehörde[12] übergeben
  • Sie müssen die vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen (Abnahme von Fingerabdrücken, Fotos)[13]

Bei den folgenden Mitwirkungshandlungen führt nur der wiederholte Verstoß dazu, dass Sie verpflichtet werden können, unbefristet in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen:[14]

  • Sie müssen beim BAMF und bei der Ausländerbehörde[15] die erforderlichen Angaben zur Aufklärung des Sachverhalts mündlich und nach Aufforderung auch schriftlich machen.
  • Sie müssen sich bei bestimmten Behörden, Aufnahmeeinrichtungen oder anderen Einrichtungen[16] melden oder dort persönlich hinkommen, wenn das von Ihnen verlangt wird.[17]

Sonderregelung für Flüchtlinge mit einer Duldung aus den sog. sicheren Herkunftsstaaten[18]

Sie sind zeitlich unbegrenzt verpflichtet, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen, wenn Ihr Asylantrag

  • wegen Ihrer Herkunft aus einem sicheren Herkunftsland als offensichtlich unbegründet oder
  • wegen der Zuständigkeit einer anderen Staates für Ihre Asylverfahren (vor allem wegen der Dublin-III-Verordnung als unzulässig abgelehnt wurde .[19]

b) Familien mit minderjährigen Kindern

Wenn Sie minderjährige Kinder haben, die mit Ihnen in der Erstaufnahmeeinrichtung leben, können Sie für maximal 6 Monate verpflichtet werden, dort zu wohnen.[20] Das gilt auch wenn Sie aus den sog. sicheren Herkunftsstaaten[21] kommen und unabhängig davon, ob die o.g. Mitwirkungspflichten erfüllt wurden.[22]

Für alle Flüchtlinge mit einer Duldung gilt: Sie können die Erstaufnahmeeinrichtung früher verlassen, wenn bestimmte Umstände vorliegen.

Die Wohnpflicht kann beendet werden:[23]

  • aus Gründen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge
  • aus sonstigen Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Gewährleistungen der Unterbringung oder Verteilung
  • aus anderen zwingenden Gründen, z.B. bei Personen, die dort Opfer sexueller Gewalt oder Belästigung wurden oder bei Menschen mit bestimmten Behinderungen[24]

Die Wohnpflicht endet auch, wenn:

  • Sie verpflichtet sind, an einem anderen Ort /Unterkunft zu wohnen, [25]h. wenn Sie einer Kommune zugewiesen werden[26]
  • Ihnen internationaler oder anderweitiger Schutz zuerkannt wurde[27]
  • Sie wegen Ihrer Heirat oder Begründung einer Lebenspartnerschaft einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis haben.[28]

Zuweisung

Von diesen Aufnahmeeinrichtungen werden Sie dann auf Städte oder Landkreise verteilt, die eine Unterkunft für die zugewiesenen Flüchtlinge bereitstellen müssen.[29] Es ist aber auch möglich, dass Sie in vom Land betriebenen Einrichtungen untergebracht werden.[30]

Vor der Verteilung können Sie einen Zuweisungswunsch äußern. Das Recht, in einer bestimmten Kommune untergebracht zu werden, gibt es aber nur in Fällen, in denen der/die Ehepartner/in bereits in einer Kommune lebt oder wenn minderjährige Kinder zu ihren Eltern (oder umgekehrt) gelangen sollen. Die Familienzusammenführung zwischen Ehepaaren sowie zwischen Eltern und minderjährigen Kindern muss also in jedem Fall ermöglicht werden. Darüber hinaus können auch so genannte “Härtefälle” berücksichtigt werden, zum Beispiel, wenn ein älterer, kranker Flüchtling den Wunsch äußert, in die Kommune zugewiesen zu werden, in der seine erwachsenen Kinder leben. Auch andere Wünsche können geäußert werden, aber sie werden oft auch nicht erfüllt. Zum Beispiel sind die Chancen, in eine große Stadt (zum Beispiel Hannover) zu gelangen, eher gering, weil deren Quote oft erfüllt ist. Das heißt, wenn eine Stadt oder ein Landkreis bereits seine Anzahl von Flüchtlingen aufgenommen hat, werden keine weiteren Flüchtlinge dorthin geschickt.

  • Wenn Sie einen konkreten Zuweisungswunsch haben, wenden Sie sich an das Büro des Sozialdienstes in der LAB und geben Sie dabei möglichst gute Gründe an (z.B. enge Verwandte, die Pflege alter oder kranker Angehöriger, das Vorhandensein der Religionsgemeinde an einem bestimmten Wohnort). Die Mitarbeiter/innen geben Ihren Wunsch an die Verwaltung der LAB Braunschweig weiter. Die entscheidet auf der Grundlage der rechtlichen Bedingungen, der Art der Gründe und des Quotensystems.
  • Über Ihre Zuweisung erhalten Sie einen schriftlichen Bescheid. Dagegen können Sie vor dem Verwaltungsgericht klagen. Die Erfolgsaussichten sind jedoch in aller Regel gering. Eine Klage verhindert auch nicht, dass Sie erst einmal dort wohnen müssen, wo Sie zugewiesen sind.

Umziehen

Wenn Sie schon während des Asylverfahrens eine Zuweisung in eine bestimmte Kommune hatten, wird in Ihre Duldung in der Regel eine entsprechende Wohnsitzauflage eingetragen.[31]

Wenn Sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben, z.B. weil Sie arbeiten und genug verdienen, darf keine Wohnsitzauflage mehr eingetragen werden.[32] Nur wenn Sie eine sog. Duldung für Personen mit ungeklärter Identität besitzen (vgl. Kapitel 11.2), haben Sie immer eine Wohnsitzauflage.[33]

Besteht eine Wohnsitzauflage, kann die Ausländerbehörde diese von sich aus oder auf Ihren Antrag ändern; hierbei ist das Zusammenleben von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen.[34] Sie müssen eine Änderung der Wohnsitzauflage bei der Ausländerbehörde Ihrer Kommune stellen, die die Möglichkeit eines Umzugs dann mit der Ausländerbehörde der Zielkommune klärt. Das gilt auch dann, wenn die Zielkommune in einem anderen Bundesland liegt.

Die Chancen auf “Umverteilung” sind gering: Ein Recht darauf besteht – wie bei der Erstzuweisung – nur bei einer Familienzusammenführung zum*zur Ehepartner*in oder Kindern unter 18 Jahren. Härtefälle sollen beachtet und auch andere Wünsche können berücksichtigt werden. Oft lehnen auch die Zielkommunen eine Aufnahme von Geduldeten ab, weil sie die damit verbundenen Sozialhilfekosten nicht tragen wollen.

  • Geben Sie bei Ihren Antrag möglichst gute Gründe an (zum Beispiel das Vorhandensein eines auf Ihre Krankheit spezialisierten Arztes, die Pflege kranker Familienangehöriger, das Vorhandensein einer Religionsgemeinde am Zielort, Linderung von Isolation und psychischer Erkrankung durch einen Umzug zu Angehörigen, Arbeitsaufnahme, durch die der Lebensunterhalt selbst gesichert werden kann. Krankheiten und Behandlungs-/Linderungsmöglichkeiten durch den Umzug müssen Sie durch ein ärztliches Attest nachweisen.
  • Ihre Chancen auf Umzug steigen, wenn Sie in der Zielkommune die konkrete Aussicht auf Arbeit haben oder Ihr Lebensunterhalt dort auf andere Weise gesichert ist.
  • Gegen die Ablehnung eines Umverteilungsantrags können Sie vor dem Verwaltungsgericht klagen. Solche Klagen haben aber nur in wenigen Einzelfällen Aussicht auf Erfolg.

Wohnen

Die Kommune weist Ihnen Wohnraum zu, oft in einem Wohnheim oder Sammellager, offiziell “Gemeinschaftsunterkunft” genannt. Im Einzelfall kann das aber auch anders sein: Wenn gute Gründe vorliegen, können Sie die Zuweisung einer Wohnung beantragen. Nicht alle Kommunen haben große Gemeinschaftsunterkünfte. Deshalb haben Sie unter Umständen auch Glück und bekommen gleich eine Wohnung zugewiesen oder dürfen sich selbst eine Wohnung suchen und anmieten. Einen Anspruch darauf, eine eigene Wohnung zu beziehen, haben Sie aber im Regelfall nicht. Die Verpflichtung, in einer bestimmten Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, kann als Auflage zu der Duldung eingetragen werden.[35] (Die Auflage lautet zum Beispiel: “Der Inhaber ist verpflichtet, in der Gemeinschaftsunterkunft … zu wohnen”).

Das Leben in einer Gemeinschaftsunterkunft kann sehr belastend sein:

  • Wenn Sie oder Ihre Kinder unter der Situation im Wohnheim sehr leiden oder krank werden (z.B. Allergien entwickeln), können Sie versuchen, mit (fach-)ärztlichen Attesten nachzuweisen, dass Sie eine eigene Wohnung brauchen.
  • Wenn Sie Ihr Einkommen durch Arbeit selbst verdienen und selber Miete zahlen können, können Sie unter Umständen aus dem Wohnheim ausziehen. Wenn Sie weiter im Wohnheim leben, müssen Sie damit rechnen, dass Sie von Ihrem Arbeitslohn eine hohe Miete für den Wohnheimplatz zahlen müssen.

Möchten Sie in eine eigene Wohnung ziehen und ist in Ihrer Duldung die Auflage eingetragen, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, müssen Sie bei der Ausländerbehörde die Streichung der Auflage beantragen. Beim Sozialamt müssen Sie einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Privatwohnung stellen. Die Behörden können Ihrem Antrag entsprechen, müssen es aber in der Regel nicht (Ermessensentscheidung). Wenn Sie ausziehen wollen, sollten Sie zuvor immer die Hilfe eines Anwalts oder einer Beratungsstelle suchen.

  • Wenn ein Antrag auf eine Unterbringung in der Wohnung abgelehnt wird, können Sie gegen diese Entscheidung zunächst Widerspruch einlegen. Bleibt dieser erfolglos, besteht die Möglichkeit, dagegen zu klagen. Allerdings sind die Erfolgsaussichten gering, wenn Sie nicht tatsächlich in Ihrer Situation besondere Gründe (insbesondere psychische oder physische Beeinträchtigungen) vortragen können, die eine Unterbringung außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft erforderlich machen.

Residenzpflicht

Residenzpflicht oder räumliche Beschränkung bedeutet, dass ein bestimmter räumlicher Bereich wie der Landkreis oder das Bundesland nicht ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde verlassen werden darf.

Seit 01.01.2015 gilt die Residenzpflicht für geduldete Flüchtlinge im Regelfall nur noch in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts.[36] Zeiten, in denen Sie einen Ankunftsnachweis haben,[37] gelten als gestatteter Aufenthalt und werden mitgerechnet.[38]

Wenn Sie sich seit drei Monaten erlaubt,[39] mit einer Duldung oder einer Aufenthaltsgestattung in Deutschland aufgehalten und nicht mehr in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben müssen,[40] kann eine räumliche Beschränkung verhängt werden,[41]

  • bei der Verurteilung wegen einer Straftat, die nicht nur von Ausländer/innen begangen werden kann[42]
  • beim Vorliegen von Tatsachen, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz vorliegt sowie
  • beim Bevorstehen konkreter aufenthaltsbeendender Maßnahmen.

Eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde soll jetzt auch dann angeordnet werden, wenn eine Abschiebung vorher durch falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit selbst verhindert wurde oder wenn bei der Beschaffung von Passpapieren etc. nicht wie erforderlich mitgewirkt wurde.[43]

Wenn bei Ihnen im Ausnahmefall nach drei Monaten noch eine Residenzpflicht besteht und Sie den Ihnen zugewiesenen Aufenthaltsbezirk verlassen wollen, brauchen Sie eine Genehmigung dafür, die Sie bei der Ausländerbehörde beantragen müssen. Wenn Sie eine Beschäftigung ausüben wollen, kann von dieser räumliche Beschränkung abgewichen werden.[44] Sie können sich dann etwa auch außerhalb von Niedersachsen aufhalten und dort Arbeit suchen. Eine Aufhebung oder Änderung der räumlichen Beschränkung ist auch möglich, wenn dies wegen des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums erforderlich ist.[45]
Für Termine bei Behörden und Gerichten brauchen Sie keine Genehmigung.[46]

Ob die Behörde es Ihnen erlaubt, den Landkreis bzw. Niedersachsen für andere Aktivitäten zu verlassen, liegt in den meisten Fällen in deren Ermessen. Ein Rechtsanspruch darauf besteht nur, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Erfahrungsgemäß ist es kein Problem, eine Erlaubnis zu bekommen für Familienangelegenheiten (Krankenbesuch, Hochzeit, Sterbefall etc.) oder wichtige Arztbesuche.[47]

Für die Ausstellung einer Erlaubnis zum Verlassen des Landes bzw. des Landkreises verlangen manche Ausländerbehörden eine Gebühr von bis zu 30 Euro. Hierfür besteht keine ausdrückliche Rechtsgrundlage, da nach § 47 Abs. 1 Nr. 9 Aufenthaltsverordnung, der als Rechtsgrundlage genannt wird, lediglich vorsieht, dass für die Ausstellung einer Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht eine Gebühr verlangt werden kann.[48]

Unabhängig davon können, wenn Sie Sozialleistungen beziehen oder nur ein geringes Einkommen haben einen Antrag auf Gebührenbefreiung stellen.[49]

  • Legen Sie der Ausländerbehörde in diesem Fall eine Bescheinigung über Ihren Sozialleistungsbezug bzw. über Ihr Einkommen vor und beantragen Sie, dass Ihnen die Gebühr erlassen wird.

Wenn Sie Ihren Aufenthaltsbezirk ohne Erlaubnis verlassen, begehen Sie eine sog. Ordnungswidrigkeit und Sie müssen einen bestimmten Geldbetrag bezahlen (“Bußgeld”).[50] Wenn Sie mehrmals dabei erwischt werden, wird das als Straftat gesehen und Sie können zu einer Geldstrafe oder einer Gefängnisstrafe verurteilt werden.[51] Noch wichtiger ist: Unter Umständen führt eine höhere Geld- oder Gefängnisstrafe dazu, dass Sie Ihre späteren Chancen auf ein humanitäres Aufenthaltsrecht verspielen. Nehmen Sie deshalb eine Strafe wegen Residenzpflichtverletzung nicht auf die leichte Schulter.

Zu einem Bußgeldbescheid kann man schriftlich Stellung nehmen. Vielleicht war das Bußgeld gar nicht gerechtfertigt, weil Sie einen Gerichtstermin hatten. Oder es handelte sich um einen medizinischen Notfall. Schreiben Sie Ihre Gründe auf und fügen Sie Belege bei (Terminbestätigung, ärztliche Bescheinigung). Unter Umständen wird dann auf das Bußgeld verzichtet und das Verfahren eingestellt. Auch wenn es zum Gerichtsverfahren gegen Sie kommt, müssen Sie aufpassen: Wenn der Richter oder die Richterin mehrere kleine Strafen zu einer insgesamt niedrigere Gesamtstrafe zusammenzieht, ist das eigentlich als Abmilderung gedacht. Eine hohe Gesamtstrafe kann sich aber letztendlich schädlicher auf ein künftiges Aufenthaltsrecht auswirken als mehrere kleinere.[52] Lassen Sie sich im Ernstfall noch einmal beraten und gehen Sie, wenn nötig, mit einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin gegen eine Strafe wegen Residenzpflichtverletzung vor! Das geht unter bestimmten Voraussetzungen auch im Nachhinein, also wenn das Bußgeldverfahren schon abgeschlossen ist. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kann Ihnen spezialisierte Rechtsanwälte nennen, die sich mit Residenzpflicht-Strafen gut auskennen.

Weitere Verfügungen der Ausländerbehörde

Nach einer durch das Migrationspaket 2019 eingeführten neuen Regelung kann die Ausländerbehörde bestimmte Auflagen zur Durchsetzung einer Abschiebung anordnen, wenn diese unmittelbar bevorsteht. Sie können vor allem verpflichtet werden, sich einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall bei der Ausländerbehörde zu melden.[53]

Die Ausländerbehörde kann außerdem „Maßnahmen zur Förderung der Ausreise“ treffen, wie z.B. die Verpflichtung, sich zur Aufenthaltsüberwachung regelmäßig bei der Ausländerbehörde zu melden oder eine Rückkehrberatung in Anspruch zu nehmen.[54] Dabei muss aber der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt werden. Das OVG Niedersachsen[55] hat daher entschieden, dass eine Verpflichtung, sich nachts immer in der Unterkunft aufzuhalten („nächtlicher Hausarrest“), wegen ihres freiheitsbeschränkenden Charakters rechtswidrig ist. Die Verpflichtung, der Ausländerbehörde den beabsichtigten Aufenthaltsort anzuzeigen, wenn sich jemand nachts außerhalb der Wohnung aufhalten möchte, wurde allerdings für rechtmäßig gehalten.[56]
Wer gegen eine solche Ordnungsverfügung verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, kann also zur Zahlung eines Busgeldes verpflichtet werden.[57]

 

[1] § 15a AufenthG.

[2] Nds. Innenministerium, siehe http://www.mi.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=14839&article_id=62976&_psmand=33.

[3] § 15a Abs. 1 S. 1 AufenthG.

[4] Nds. Innenministerium, siehe http://www.mi.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=14839&article_id=62976&_psmand=33.

[5] § 15a Abs. 4 S. 4 AufenthG; die §§ 12 und 61 Abs. 1 AufenthG bleiben unberührt.

[6] Eine Duldung wird auch erteilt, wenn der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird und der eingelegte Eilantrag erfolglos geblieben ist, vgl. Kapitel 5.5.

[7] § 47 Abs. 1 S. 1 AsylG.

[8] §§ 47 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 und 2; 15 Abs. 2 Nr. 1 und 3 sowie 4 bis 7 AsylG.

[9] § 47 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AsylG.

[10] §§ 47 Abs. 1 S. 3 Nr. 1; 15 Abs. 2 Nr. 4 bis 7 AsylG.

[11] Nach § 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylG muss der Pass oder Passersatz den mit der Ausführung des Asylgesetzes betrauten Behörden vorgelegt, ausgehändigt und überlassen werden.

[12] Nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG müssen die Datenträger den mit der Ausführung des Asylgesetzes betrauten Behörden vorgelegt, ausgehändigt und überlassen werden.

[13] Vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylG. Nach § 16 Abs. 1 S. 2 AsylG dürfen nur Fotos und Abdrucke aller zehn Finger aufgenommen werden; wenn Sie jünger als 14 Jahre sind, dürfen nur Fotos gemacht werden.

[14] §§ 47 Abs. 1 S. 3 Nr. 2; 15 Abs. 2 Nr. 1 und 3 AsylG.

[15] Nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylG müssen Sie die Angaben bei mit der Ausführung des Asylgesetzes betrauten Behörden machen.

[16] Etwa Gemeinschaftsunterkünfte.

[17] § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylG.

[18] Vgl. Anlage 2 zu § 29a AsylG: Westbalkanstaaten, Ghana und Senegal.

[19] § 47 Abs. 1a AsylG.

[20] § 47 Abs. 1 S. 1 AsylG.

[21] Vgl. Anlage 2 zu § 29a AsylG.

[22] § 49 Abs. 1a S. 2 AsylG.

[23] § 49 Abs. 2 AsylG.

[24] Handicap International, „Das Migrationspaket und seine Folgen für Menschen mit Behinderung“, S. 5 Beitrag vom 04.11.2019 https://handicap-international.de/sn_uploads/de/document/Folgen_des_Migrationspaketes_fur_Menschen_mit_Behinderung.pdf.

[25] § 48 Nr. 1 AsylG; das ist denkbar, wenn der Asylantrag zunächst als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, aber das Hauptsacheverfahren mit eine Anerkennung endet.

[26] Es besteht keine Rechtspflicht der Länder, Personen in Erstaufnahmeeinrichtungen unterzubringen, vgl., Gesetzesbegründung zur Einführung des § 47 Abs. 1b AsylG, https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/061/1806185.pdf.

[27] § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AsylG.

[28] § 48 Nr. 2 AsylG.

[29] Vgl. § 1 Nds. Aufnahmegesetz.

[30] §§ 3 Abs. 1; 2 Abs. 1 Nr. 1 Nds. Aufnahmegesetz.

[31] § 61 Abs. 1d S. 2 AufenthG; die Ausländerbehörde kann aber auch eine andere Wohnsitzauflage anordnen.

[32] § 61 Abs. 1d S. 1 AufenthG.

[33] §§ 60b Abs. 5 S. 3; 61 Abs. 1d AufenthG.

[34] § 61 Abs. 1d S. 3 AufenthG.

[35] § 61 Abs. 2f AufenthG.

[36] § 61 Abs. 1b AufenthG.

[37] § 63a AsylG.

[38] § 55 Abs. 1 S. 1 AsylG; Nds. Innenministerium, Schreiben vom 02.04.2015, Az. 61.11 – 12235/9, S. 3.

[39] D.h. mit einem Aufenthaltstitel, also mit einer Aufenthaltserlaubnis, einer Niederlassungserlaubnis oder mit einem Visum etc., vgl. § 4 Abs. 1 S. 2 AufenthG.

[40] § 59a Abs. 1 S. 2 AsylG.

[41] § 61 Abs. 1c S. 1 AufenthG.

[42] Eine Straftat, die nur von Ausländer/innen begangen werden können, ist z.B. die unerlaubte Einreise nach Deutschland (§ 95 Abs. 1 Nr. 3; 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AufenthG).

[43] § 61 Abs. 1c S. 2 AufenthG.

[44] Das ist nach einem Voraufenthalt von drei Monaten möglich, da in Niedersachsen keine Vorrangprüfung mehr durchgeführt wird, § 61 Abs. 1 A. 2 AufenthG (vgl. Kapitel 17.3).

[45] § 61 Abs. 1 Satz 3 AufenthG.

[46] § 12 Abs. 5 S. 4 AufenthG.

[47] § 12 Abs. 5 S. 3 AufenthG; AVwV 12.5.2.2.

[48] Drucksache 17/2991 vom 20. 09. 2010, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Petra Pau, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/2859 –k; vgl. auch „Die neuen Formen der ‘Residenzpflicht’, Synopse der Anwendungshinweise zur räumlichen Aufenthaltsbeschränkung von Flüchtlingen nach den ‘Lockerungen’ von Kay Wendel, Stand: 07.01.2013.

[49] § 53 AufenthV.

[50] § 98 Abs. 3 Nr. 5a AufenthG.

[51] § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG.

[52] Vgl. etwa § 25a Abs. 3 AufenthG.

[53] § 61 Abs. 1e AufenthG.

[54] § 46 AufenthG, AVwV AufenthG Nr. 46.1.4.

[55] OVG Niedersachsen, Beschluss vom 22.1.2018 – 13 ME 442/17.

[56] OVG Niedersachsen, Beschluss vom 23.1.2018 – 13 PA 405/17.

[57] § 98 Abs. 3 Nr. 4 AufenthG.

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