Das Projekt ist ausgelaufen, die Informationen sind veraltet. Die Inhalte belassen wir nur zu Dokumentationszwecken auf unserer Homepage.
[Stand 2010]
Der Schwerpunkt des Projektes in der Laufzeit vom 01.04.2011 bis 30.09.2011 ist die Untersuchung von Einzelfällen aus Serbien geflüchteter Roma, die in Deutschland Asylanträge gestellt haben.
Hintergrund sind vor allem die hohen Zahlen von Asylsuchenden aus Serbien im Jahr 2010. Laut. Statistik des BAMF wurden 4.978 Erstanträge von serbischen Staatsangehörigen gestellt. Darüber hinaus entfielen mit 1.817 Folgeanträgen 25 % aller Asylfolgeanträge in 2010 auf Serbien.
Nach Darstellungen von Bundesregierung und Landesregierungen sowie der EU-Kommissarin für Innenpolitik und des serbischen Innenministers, handelt es sich bei den Asylsuchenden vor allem um Roma, die aus rein wirtschaftlichen Gründen in die EU bzw. nach Deutschland einreisen. Ihnen wird unterstellt, bewusst unbegründete Asylanträge zu stellen, um einige Monate in Deutschland zu „überwintern“ und Mittel der Rückkehrförderung auszunutzen.
Eine Konsequenz dieser pauschalen Verurteilung serbischer Roma-Flüchtlinge war bereits im Oktober 2010 die Streichung der Rückkehrförderung für serbische und mazedonische Staatsangehörige (siehe z.B. hier).
Auf Druck der EU-Kommission und der Regierungen verschiedener EU-Mitgliedstaaten kündigte auch die serbische Regierung an, Maßnahmen gegen die Einreise „falscher Asylsuchender“ in die EU zu ergreifen (siehe Press Review der luxemburgischen Menschenrechtsorganisation Chachipe, sowie ein aktuelles Update dazu) . Im März 2011 informierte die serbische Regierung über die bereits ergriffenen oder geplanten Maßnahmen, darunter die Verschärfung von Kontrollen bei der Ausreise sowie die Annullierung der Reisepässe abgeschobener Asylsuchender.
Bei einem Treffen mit dem belgischen Migrationsminister Melchior Wathelet im Mai 2011 führte Serbiens Innenminister Ivica Dacic weiter aus, die serbische Regierung sei „bereit, alle zusätzlichen maximalen Maßnahmen aus deren Zuständigkeit“ zu ergreifen, um die Zahl der „Scheinasylanten“ zu reduzieren. Dazu könne neben der Abnahme der Reisepässe auch ein Ausreiseverbot für diejenigen, die das Recht auf Asyl missbrauchen, zählen (Quelle: Radio Srbija). Hintergrund sind aktuelle Ankündigungen von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström, die Visumpflicht für Serbien und Mazedonien wieder einzuführen (siehe Artikel auf www.euractiv.de).
Flüchtlings- und Romaorganisationen warnen schon seit längerem davor, dass der Druck der EU auf die Regierungen Serbiens und Mazedoniens den Rassismus in diesen Staaten begünstigt (siehe hier). Denn die als „falsche Asylsuchende“ bezeichneten Flüchtlinge sind vor allem Roma, die in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien diskriminiert und ausgegrenzt werden. Statt nun deren Asylbegehren in der EU ernstzunehmen, werden die Roma dem antiziganistischen Stereotyp entsprechend als Betrüger diffamiert, und in Serbien als diejenigen präsentiert, die dem Ansehen Serbiens schaden und die Visa-Liberalisierung gefährden. Damit wird die Stimmung gegenüber den Roma in Serbien noch zusätzlich verschärft, die EU-Politik und die Reaktionen der serbischen Regierung geben Wasser auf die Mühlen der radikalen Nationalisten und rechten Hooligans in Serbien.
In Deutschland werden unterdessen die Asylanträge serbischer Roma mit erschreckender Regelmäßigkeit als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Weder Diskriminierung bis hin zur Ausgrenzung in Slums ohne sanitäre Anlagen, Strom- oder Wasserversorgung, noch Bedrohungen und Angriffe durch serbische Nationalisten werden als Fluchtgründe anerkannt.
Die Erfahrungen des Roma-Projektes in den letzten Monaten des Jahres 2010 haben dagegen gezeigt, dass aus Serbien flüchtende Roma durchaus Gründe vorbringen, die über rein wirschaftliche Aspekte hinausgehen. So wurde in mehreren Fällen von Angriffen serbischer Nationalisten berichtet, die sich oft über einen längeren Zeitraum fortsetzten und tätliche Angriffe, sexuelle Übergriffe und Zerstörung von Wohneigentum sowie andauernde Bedrohungen umfassten.
Bei der Bewertung dieser Vorbringen müssen die belegten Aktivitäten der rechten Szene in Serbien, z.B. die Krawalle im Umfeld der Pride-Parade in Belgrad im Oktober 2010 oder die Probleme mit serbischen Hooligans bei internationalen Fussballspielen berücksichtigt werden. Diese deuten auf eine bedrohliche Radikalisierung der serbischen Nationalisten. So berichtete das kritische serbische Nachrichtenmagazin „Insajder“ des Belgrader Fernsehsenders B92 kürzlich über Verbindungen zwischen der radikalen nationalistischen Szene und dem serbisch-orthodoxen Klerus. Genannt wurde hier auch die Zahl von 3500 kurzfristig mobilisierbaren, militanten Anhängern.
Auch die Zusammenhänge von Armut und Ausgrenzung werden in der pauschalen Bewertung der serbischen Roma-Flüchtlinge als „Armutsflüchtlinge“ nicht ausreichend berücksichtigt. Insbesondere die zunehmenden Zwangsräumungen von irregulären Roma-Siedlungen durch die Behörden werden in den Entscheidungen des BAMF nicht in ihrer ganzen Bandbreite betrachtet.
Vor diesem Hintergrund sind die Berichte serbischer Roma über rechte Gewalt und mangelnden Schutz durch die Polizei sowie über Menschenrechtsverletzungen durch Zwangsräumungen, ernst zu nehmen und bedürfen einer intensiven Prüfung.
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