Protestierende des Weißekreuzplatzes fordern Bleiberecht nach Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes

Presseerklärung des Refugee Protestcamps am Weißekreuzplatz Hannover

Die sudanesischen Flüchtlinge auf dem Weißekreuzplatz befördern den Kampf um ihre Grundrechte auf eine neue Ebene: Wie ein Sprecher des Camps am Donnerstag verlauten ließ, wolle man von nun an verstärkt darauf aufmerksam machen, dass der Landtag Niedersachsens, anders als bisher oft behauptet, durchaus eine Handhabe hat, viele der Forderungen der Flüchtlinge des Protestcamps zu erfüllen.
Zu Beginn der Pressekonferenz wurden erneut die Wurzeln der Probleme von Geflüchteten aus dem Sudan erklärt. Diese sind zum einem in den deutschen Asylgesetzen zu finden und zum anderen in der Zusammenarbeit der deutschen mit der sudanesischen Regierung.
Außerdem wird auf die politischen Grundsätze des Protestes hingewiesen: Ja zur Zusammenarbeit mit Politikerinnen und Politikern sowie anderen Beteiligten. Nein zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Ja zur Unterstützung aus der deutschen Gesellschaft und friedlicher Nachbarschaft.
Seit Beginn des Protestcamps am 24. Mai 2014 gab es mehrere Gespräche am Runden Tisch mit Politikerinnen und Politikern auf der Ebene von Stadt und Land. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass detailliertere Forderungen benötigt werden, um Lösungsansätze zu finden. Dreizehn Forderungen wurden daraufhin am 26. Juni in Form einer Petition von den Protestierenden veröffentlicht. Sie machen deutlich, dass die Stadt Hannover und das Land Niedersachsen Möglichkeiten haben, die Probleme der Geflüchteten zu lösen.
Bei dem Symposium am 31.7. im Kulturzentrum Pavillon, organisiert von Amnesty International Hochschulgruppe Hannover und dem Stadtbezirk Hannover-Mitte, wurde als Lösungsvorschlag erstmals die Anwendung des Paragrafen 23 des Aufenthaltsgesetzes durch die Landesregierung benannt:

Das deutsche Aufenthaltsgesetz gibt mit dem Paragrafen 23 dem Land Niedersachsen die Möglichkeit, einer Gruppe von Ausländern aus humanitären Gründen oder politischen Interessen ein Bleiberecht auf Zeit samt Arbeitserlaubnis zu erteilen. Angewendet wird der 1. Absatz dieses Paragrafen derzeit zum Beispiel bei aus Syrien Geflüchteten.
Die sudanesischen Flüchtlinge vom Weißekreuzplatz fordern nun das Land Niedersachsen auf, auch in ihrem Fall von Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes Gebrauch zu machen.

„Die humanitäre Notlage ist ganz klar gegeben: der Sudan ist seit Jahrzehnten von Bürgerkriegen zermürbt. Als Gesetzesgrundlage dient die Scharia und unser Diktator ist das einzige amtierende Staatsoberhaupt, das vom internationalen Gerichtshof in Den Haag gesucht wird – für Völkermord, Verbrechen an der Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Wir sind aus Angst um unser Leben geflüchtet, werden hier aber nicht als politische Flüchtlinge anerkannt“, kritisiert Maissara Saeed, einer der Sprecher des Protestcamps.
Obwohl die sudanesische Regierung international scharf kritisiert werde, arbeite die deutsche Bundesregierung mit dem extremistischen Diktator zusammen. Niedersachsen könnte hier einen ersten Schritt in Richtung einer verantwortungsvolleren und vorausschauenderen Politik machen, meint der Sprecher.
„Mit der Aufenthaltsgestattung und Arbeitserlaubnis wären viele unserer Forderungen indirekt erfüllt. Wir könnten endlich unabhängig und in Würde leben. Mit der Möglichkeit, arbeiten zu können, stünden wir auf eigenen Beinen, könnten Teil der Gesellschaft sein, könnten uns zum Beispiel eine eigene Wohnung und Krankenversicherung leisten. Und: Wir könnten unseren Protest beenden“, so Saeed.

Um den Forderungen Gehör zu verschaffen, werde in den kommenden Wochen eine vielfältige Kampagne durchgeführt. Unter anderem wird eine weitere Petition gestartet. Die Geflüchteten hoffen auf anhaltend breite Unterstützung aus der Bevölkerung.

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2 Gedanken zu „Protestierende des Weißekreuzplatzes fordern Bleiberecht nach Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes“

  1. Die Erteilung eines Bleiberechts nach §23 Abs. 1 AufenthG wäre rechtlich möglich. Allerdings heißt es in § 23 Abs. 3: „Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern.“ Der Bundesinnenminister müsste einer solchen Anordnung also zustimmen.

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  2. Das letzte mal, als in Niedersachsen eine solche Regelung ohne Herstellung des Einvernehmens des BMI getroffen worden war, war das Bleiberecht vom 18.10.1990, insbesondere damals für türkische Staatsangehörige und Kurden aus dem Libanon. Fast zwanzig Jahre später hatte das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27.01.2009 (Az.: 1 C 40/70) die gesamte Bleiberechtsregelung gekippt. viele der damals begünstigten Personen hatten sich in den 20 Jahren nicht geschafft die Sprachkurse zu machen, eine Beschäftigung zu finden und Rentenbeiträge für 60 monate einzuzahlen und somit keinen unbefristeten Aufenthaltsstatus oder die Einbürgerung geschafft. Ab 2009 haben diese Leute dann reihenweise nach § 25 AufenthG Aufenthaltstitel bekommen, der schlechter ist (Wohnsitzauflage, schwer als selbstständige zu arbeiten).

    Besser wäre ein generelles, stichtagsfreies Bleiberecht für integrierte Zuwanderer, evtl schon nach weniger als 5 Jahren. Dann bräuchte man auch keine Härtefallkommissionen mehr.

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