Zum Kamingespräch der Innenminister:innen am 28. Januar: Bleiberecht jetzt wirksam umsetzen!

Anlässlich des für Freitag geplanten Kamingesprächs von Bundesinnenministerin Nancy Faeser und ihren Amtskolleg:innen aus den Ländern appelliert der Flüchtlingsrat Niedersachsen an die Bundesregierung, die angekündigten Bleiberechtsregeln aus dem Ampel-Koalitionsvertrag zügig umzusetzen. Von der niedersächsischen Landesregierung fordert die Organisation, eine Vorgriffsregelung zu erlassen, damit nicht diejenigen Personen abgeschoben werden, die nach den Vorstellungen der Ampel bleiben sollen. Erst kürzlich hat es erneut mehrere skandalöse Abschiebungen von Menschen aus Niedersachsen gegeben (siehe Abschiebung aus Celle, Abschiebung aus der Region Hannover).

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, etwa gut integrierten Jugendlichen und langjährig Geduldeten bessere Chancen auf ein dauerhaftes Bleiberecht einzuräumen. In diesem Zusammenhang soll es z.B. für Menschen, die seit dem 1. Januar 2022 mindestens fünf Jahren in Deutschland leben, unter erleichterten Voraussetzungen ein einjähriges Aufenthaltsrecht auf Probe geben.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen begrüßt diese Pläne und verlangt ihre zügige Umsetzung. Die Landeregierung aus SPD und CDU muss angesichts der im Ampel-Koaltionsvertrag vorgesehenen Regelungen bereits jetzt einen Vorgriffsregelung verabschieden.

Kai Weber, Geschaftsführer beim Flüchtlingsrat Niedersachsen

„Es darf nicht sein, dass Geflüchtete abgeschoben werden, die nach Vorstellungen der neuen Bundesregierung in Deutschland bleiben sollen. Dies zu verhindern ist auch die Aufgabe der niedersächsichen Landesregierung. Landesinnenminister Pistorius muss die kommunalen Ausländerbehörden anweisen, allen Personen, die potentiell von den angekündigten Bleiberechtsregelung begünstigt werden, eine Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen.“

Gänzlich neu wäre eine solche fachaufsichtliche Vorgehensweise durch das Inneministerium nicht: Niedersachsen hat bereits 2019 eine entsprechende Vorgriffsregelung im Zusammenhang mit der Einführung der Beschäftigungsduldung verfügt.

Nach Auffassung des Flüchtlingsrat muss das niedersächsischen Innenministerium gegen über den Ausländerbehörden deutlich machen, dass eine Zurückstellung von Abschiebungen in Anbetracht der im Koalitionsvertrag vereinbarten Bleiberechtsregelungen in ihrer Entscheidungskompetenz steht.

In einem Erlass vom 24. januar 2022 formuliert bspw. das schleswig-holsteinische Innenministerium:

…Bis zu diesem Zeitpunkt möchte ich darauf hinweisen, dass fachaufsichtlich keine Einwände geltend gemacht werden, wenn die Zuwanderungs-/Ausländerbehörden in Schleswig-Holstein Bemühungen hinsichtlich der Aufenthaltsbeendigung von absehbar unter die angekündigte Regelung fallenden Ausländerinnen und Ausländern, soweit es sich nicht um Rückführungsfälle aufgrund bereits erfolgter Anerkennung eines Schutzstatus in einem sicheren Drittstaat handelt, zunächst nicht priorisieren.“

In einem ähnlichen Erlass der Landesbehörden aus Rheinland-Pfalz vom 23.12.2021 heißt es:

„In Hinblick darauf möchte ich Ihnen bereits jetzt mitteilen, dass keine fachaufsichtlichen Einwände geltend gemacht werden, wenn Ihre Behörden Aufenthaltsbeendigungen an absehbar unter die angekündigte Regelung fallenden Ausländerinnen und Ausländern zunächst zurückpriorisieren.“

Das Treffen Nancy Faesers mit den Innenminister:innen der Länder am Freitag, den 28. Januar, ist aus Sicht des Flüchtlingsrats eine gute Gelegenheit, zwischen Bund und Ländern großzügige Gesetzentwürfe und ebenso qualifizierte Vorgriffserlasse zu verabreden.

Kontakt

Flüchtlingsrat Niedersachsen

Kai Weber, Geschäftsführer
05 11 – 84 87 9972
kw@nds-fluerat.org, nds@nds-fluerat.org

Hintergrund zu den im Koalitionsvertrag beschlossenen Neuerungen zum Bleiberecht

Insgesamt leben etwa 240.000 Menschen mit Duldung in Deutschland, über 10.000 in Schleswig-Holstein. Bundesweit rund 4.500 von ihnen haben eine Beschäftigungsduldung und knapp 9.000 Geflüchtete eine Ausbildungsduldung.

Gut integrierte Jugendliche sollen laut Ampel-Koalitionsvertrag nach § 25a AufenthG künftig bereits nach drei anstatt wie bislang erst nach vier Jahren geduldeten Aufenthalts in Deutschland ein Bleiberecht erhalten können und den diesbezüglichen Antrag bis zum Abschluss des 27. anstatt wie bisher nur bis zum Abschluss des 21. Lebensjahres stellen können.

Darüber hinaus sollen besondere Integrationsleistungen Geduldeter im Rahmen des § 25b AufenthG dadurch gewürdigt werden, dass diesen in Zukunft bereits nach sechs anstatt wie aktuell noch nach acht Jahren ein Bleiberecht zu Teil werden soll. Personen mit minderjährigen ledigen Kindern sollen das Bleiberecht nach dieser Vorschrift künftig schon nach vier statt wie bisher erst nach sechs Jahren erwerben können.

Das neu zu schaffende Chancen-Aufenthaltsrecht auf Probe soll für die Dauer eines Jahres gelten und Menschen, die nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, die Möglichkeit verschaffen, während dieser Zeit die Voraussetzungen für eine der oben genannten Bleiberechtsregelungen zu erfüllen wie beispielsweise die Identitätsklärung oder Lebensunterhaltssicherung.

Auf unserer Homepage haben wir Empfehlungen zur Umsetzung der im Koalitionsvertrag formulierten Vorhaben u.a. bezüglich Bleiberechtsregelungen zusammengestellt.

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