Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert entfristete Zuzugssperre für Salzgitter, Delmenhorst und Wilhelmshaven

Landesregierung setzt Stigmatisierung von Geflüchteten grundlos fort. Die sogenannte Evaluation des Landes ist wertlos.

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Zwei Jahre nach Inkrafttreten der Zuzugssperren für die Städte Salzgitter, Delmenhorst und Wilhelmshaven kritisiert der Flüchtlingsrat Niedersachsen, dass die Landesregierung an der Regelung weiter festhält. In der Praxis zeigt sich, dass die Zuzugssperre keines der angezeigten Probleme löst.

Laura Müller vom Flüchtlingsrat Niedersachsen:

„Das Instrument der Zuzugssperre in bestimmte Städte Niedersachsens stigmatisiert pauschal eine ganze Bevölkerungsgruppe, die als Problem für die Städte Salzgitter, Delmenhorst und Wilhelmshaven markiert wird. Außerdem verstößt die fehlende freie Wahl des Wohnortes bei anerkannten Flüchtlingen gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention.“

Die Verlängerung der Zuzugssperre fußt auf einer absurden „Evaluation“ durch das Land und die betroffenen Kommunen selbst. Prof. Dr. Sabine Hess (Uni Göttingen) kritisiert das Verfahren scharf:

„[Das Nds. Innenministerium legt] für die Evaluation Zahlenmaterial vor, welches angesichts seiner mangelnden Kontextualisierung in zu nennende Rahmenwerte nicht in der Lage ist, eine Aussage über Integrationsbedarfe und Engpässe bzw. über den im Gesetz enthaltenen Indikator für gelingende Integration – nämlich die Sprachpraxis – unter hinzugezogenen Geflüchteten zu treffen. Indikatoren – positive wie negative – die eine Verschlechterung der Integrationsmöglichkeiten für Geflüchtete auf Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse meßbar und damit auch überprüfbar machen würden, werden nicht wirklich benannt.“

Schon aus methodologischen Gründen ist die „Evaluation“ des Innenministeriums insofern nicht im Geringsten geeignet, um ein solch rigides Instrument wie die Zuzugssperre zu begründen. Es ist erschreckend, dass die Landesregierung so Politik gestaltet.

Eine Zuzugssperre für bestimmte Städte ist ungeeignet, um eine Gleichverteilung von geflüchteten Menschen in Niedersachsen zu erreichen. Menschen gehen dorthin, wo ihre Familien leben, wo sie Wohnung, Arbeit und eine gute Infrastruktur für ihre Kinder vorfinden, dorthin, wo sie sich eine Zukunftsperspektive versprechen. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen erkennt ausdrücklich das große Engagement von Land und Kommunen bei der Aufnahme von Geflüchteten in den vergangenen Jahren an. Statt aber an der in Zeiten des Wahlkampfes 2017 ins Leben gerufenen symbolpolitischen Maßnahme der Zuzugssperren festzuhalten, bedarf es einer flächendeckend zu entwickelnden, systematischen kommunalen Aufnahmepolitik, für die das Land gezielt Anreize setzen kann.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert:

  • die sofortige Aufhebung der Erlasse zur sogenannten „lageangepassten Wohnsitzauflage“ für die Städte Salzgitter, Delmenhorst und Wilhelmshaven durch die Landesregierung
  • die Stärkung der Kommunen mit besonderen Herausforderungen in allen Bereichen der Integration und Teilhabe, insbesondere bei Sprachkursen und Kitaplätzen
  • weitere Anreize der Landesregierung für die Initiierung einer flächendeckenden und systematischen kommunalen Aufnahmeplanung von Geflüchteten
  • die Nichtanwendung der Regelungen des § 12a AufenthG (Wohnsitzregelung) in Niedersachsen in den Aspekten, die frei von den Bundesländern zu gestalten sind
  • eine politische Initiative der Landesregierung zur Abschaffung des § 12a AufenthG über den Bundesrat

Hintergrund

Die Genfer Flüchtlingskonvention sieht für rechtmäßig im Land lebende Flüchtlinge die Wahl des Aufenthaltsortes ausdrücklich vor (sh. Art. 26 GFK). So darf eine Einschränkung dieser Wahlfreiheit nur ultima ratio sein und nur wenn diese Einschränkung nachweisbar die Integration verbessere.

Anhang:

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