Landtagspräsident will „1.000 verfolgte Christen“ aufnehmen – und mit der Marine das Mittelmeer abriegeln

In einem Interview mit der Neuen Presse äußerte der niedersächsische Landtagspräsident am 22. April 2015: „Andere mögen diskutieren, ob der Islam zu Deutschland gehört, das Christentum gehört jedenfalls zu uns, wir müssen für diese Christen etwas tun.“ Gleichzeitig fordert Busemann, die Küste Nordafrikas militärisch abzuriegeln und das Ablegen von Flüchtlingsbooten zu verhindern. Wörtlich erklärte Busemann: „Wozu haben denn die EU-Staaten ihre Marine? Diese Küsten müssen kontrolliert werden. Beim Thema Waffenschmuggel in den Libanon hat das funktioniert. Die Piraterie am Horm von Afrika haben wir in den Griff bekommen, auch mit der Bundesmarine. Wenn man das will, funktioniert es, das darf nicht an ein paar Millionen Euro hängen.“ (Das ganze Interview findet sich hier: NP-Interview Busemann 22.04.2015).

Die Idee, Europa militärisch abzuriegeln und dann die Aufnahme einiger weniger Flüchtlinge als Akt tätiger Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit zur „Rettung von Flüchtlingen“ zu feiern, ist nicht nur illusorisch, sondern auch verlogen. Wollte man tatsächlich Menschenleben retten, sollte die Politik alles daran setzen, für bedrohte Flüchtlinge sichere Fluchtwege zu schaffen. Die europäische Politik hat das Gegenteil getan und durch die militärische Abriegelung der Landgrenzen zwischen der Türkei und Griechenland bzw. Bulgarien viele Flüchtlinge erst in die Boote getrieben. Den richtigen Kontrapunkt setzt die Integrationsbeauftragte Doris Schröder-Köpf mit ihrem Hinweis, dass Deutschland im Rahmen von Kontingenten 200.000 Flüchtlinge aller Konfessionen aus Syrien aufnehmen könnte und sollte.

Mit seinen Vorstellungen ist der Landtagspräsident auf Kritik nicht nur der Opposition, sondern auch der FDP gestoßen, siehe den heutigen Bericht in der taz. Die Kritik entzündet sich freilich vor allem an der Bevorzugung von „verfolgten Christen“ sowie dem damit verbundenen Seitenhieb auf Angela Merkel und Christian Wulff, die betont hatten, dass auch der Islam zu Deutschland gehört. Nachfolgend dokumentieren wir einen Artikel aus der heutigen Hannoverschen Zeitung:

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HAZ 23.04.2015
Christen bevorzugt? Busemann entfacht Streit um Flüchtlinge
Landtagspräsident in der Kritik / Schröder-Köpf: Hilfe nicht an Religion binden

Von Michael B. Berger

Hannover. Landtagspräsident Bernd Busemann (CDU) will, dass Niedersachsen angesichts der Tragödien im Mittelmeer „ein humanitäres Zeichen setzt“ und tausend verfolgte Christen aus Syrien aufnimmt. Seinen öffentlich vorgetragenen Wunsch verband Busemann mit einem Seitenhieb auf den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU): „Andere mögen diskutieren, ob der Islam zu Deutschland gehört, das Christentum gehört jedenfalls zu uns.“

Vertreter der rot-grünen Landtagsmehrheit in Hannover zeigten sich gestern irritiert über den Vorstoß des Parlamentspräsidenten, weil er Flüchtlinge erster und zweiter Ordnung schaffe. Von einem „fatalen Signal“ spricht Niedersachsens Flüchtlingsrat, während die Integrationsbeauftragte der Landesregierung, Doris Schröder-Köpf (SPD), den Vorschlag für „unpraktikabel“ hält. Ungeteilte Zustimmung erhält Busemann vom CDU-Landtagsfraktionsvorsitzenden Björn Thümler.

„Die Kriterien, Flüchtlinge aufzunehmen, dürfen sich nicht an den Glaubensüberzeugungen festmachen“, kritisiert Schröder-Köpf: „Wie soll man sich das vorstellen: Soll ein Mitglied des Flüchtlingshilfswerks der UN in die Lager fahren und nach Taufscheinen fragen?“ Sicherlich gehörten auch Christen zu den besonders verfolgten Minderheiten, sagte Schröder-Köpf. Aber das werde bei der Aufnahme von Flüchtlingen ohnehin berücksichtigt.

So argumentiert auch Kai Weber, Geschäftsführer des Niedersächsischen Flüchtlingsrates. „Unsere zentrale Kategorie ist die Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen. Aber dabei darf es keine Selektion nach Religionszugehörigkeiten geben“, sagt Weber. „Das ist ein fatales Signal für die Bundesrepublik, die eine Gesellschaft mit Angehörigen ganz unterschiedlicher Religionen darstellt.“

Dem SPD-Landtagsabgeordneten Christos Pantazis gefällt der „Duktus“ des Busemann-Vorschlages nicht: „Mein Verständnis von christlicher Nächstenliebe unterscheidet nicht Flüchtlinge erster und zweiter Ordnung.“ Die Grüne Filiz Polat erklärte: Es sei bisher Konsens im Landtag gewesen, die humanitären Aufnahmeprogramme für alle syrischen Flüchtlinge auszuweiten – und nicht nur für Christen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr begrüßte Busemanns Appell grundsätzlich, warnte zugleich aber davor, das Flüchtlingsthema mit der Frage zu vermischen, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht. Schröder-Köpf fordert die Bundesregierung zu größeren Anstrengungen auf. „Wir könnten aus Syrien 200 000 Menschen aufnehmen als Kontingentflüchtlinge, die sich hier selbst Arbeit suchen würden. Das ist leistbar und wäre eine echte Nothilfe für Bürgerkriegsflüchtlinge, unabhängig, ob es sich dabei um Christen, Moslems, Jesiden oder Aramäer handelt.“

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