Die Landesregierung hat gestern die neue Härtefallkommissionsverordnung verabschiedet. Während der Lesefassung der geplante Wortlaut der neuen Verordnung als zusammenhängender Text zu entnehmen ist, findet sich im Begründungsteil zum Verordnungsentwurf eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Vorschlägen der beteiligten Verbände, u.a. auch denen des Flüchtlingsrats. Unter dem Strich lässt sich feststellen:
Die Landesregierung hat einige Vorschläge des Flüchtlingsrats und anderer Verbände aufgegriffen, andere verworfen. Die Ermöglichung von Härtefallanträgen auch für nicht behördlich gemeldete Flüchtlinge lehnt die Landesregierung beispielsweise ab, stellt aber klar, dass Kirchenasyl nicht automatisch als „illegaler Aufenthalt“ zu werten ist. Bei den kategorischen Ausschlussgründen, die wir als Flüchtlingsrat – bis auf die gesetzlich vorgeschriebenen – am liebsten ganz gestrichen hätten, bleibt es beim Ausschluss von Personen mit schweren Straftaten, die Landesregierung befristet diesen Ausschluss aber auf drei bzw. fünf Jahre nach Verbüßung der Strafe. Insgesamt verbessert der Entwurf in vieler Hinsicht die Entscheidungsmöglichkeiten der Härtefallkommission gegenüber der früheren Praxis, enthält aber auch weiterhin Zugeständnisse an die Ordnungspolitik, die in unseren Augen unnötig wären.
Wer sich intensiver mit der Thematik beschäftigen will, dem sei die Stellungnahme des Flüchtlingsrats zur ersten Entwurfsfassung ans Herz gelegt. Unzweifelhaft ist die neue Verordnung, die Mitte September in Kraft treten soll, ein deutlicher Fortschritt, nicht nur, aber auch deshalb, weil endlich auch der Flüchtlingsrat mit Sitz und Stimme in der Härtefallkommission vertreten ist. Anträge an die Härtefallkommission können also zukünftig auch über den Flüchtlingsrat eingebracht werden.
Nachfolgend ein Artikel der HAZ zur Verabschiedung der HFK-Verordnung:
Mehr Gnade für Flüchtlinge
Pistorius setzt die Kommission nun neu zusammen, auch der Flüchtlingsrat, der mit Schünemann stets im Clinch war, bekommt ein Vorschlagsrecht für die Benennung eines Mitgliedes. Ferner benennt das Innenministerium einen Arzt oder eine Ärztin aus dem öffentlichen Gesundheitswesen als stimmberechtigtes Mitglied. „Das ist sehr wichtig, jemand mit am Tisch zu haben, der sagen kann, was traumatische Erfahrungen bei einem Flüchtling auslösen“, sagte Doris Schröder-Köpf, die als Integrationsbeauftragte des Landes auch beratend an den Sitzungen der Kommission teilnehmen kann.
Eine wesentliche Neuerung ist, dass etwa Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht oder Passvergehen nicht automatisch zur Ablehnung eines Härtefallersuchens führen. „Verurteilungen wegen Bagatellstrafen führen nicht mehr zum Ausschluss des Härtefallverfahrens“, sagte Pistorius. „Schweren Straftätern, das ist klar, bleibt natürlich der Zugang zur Härtefallkommission verwehrt. Aber wenn einer beispielsweise nach Verbüßung einer Jugendstrafe drei beziehungsweise fünf Jahre straffrei war, bekommt er noch eine Chance.“ Auch der Punkt „fehlende Sicherung des Lebensunterhaltes“ werde ersatzlos gestrichen. „Diese Regelausschlussgründe hatten den Entscheidungsspielraum der Kommission erheblich eingeschränkt und humanitäre Entscheidungen im Einzelfall erschwert“, sagte Pistorius.
Auch das Quorum bei der Abstimmung innerhalb der Kommission über bestimmte Härtefälle war in der Vergangenheit stets ein Grund für Auseinandersetzungen. Deshalb wird es verändert. Für Härtefallersuchen ist künftig nur noch eine einfache Mehrheit nötig. Die Zahl der Mitglieder steigt von acht auf neun, mit der Sozialwissenschaftlerin Anke Breusig erhält die Kommission eine neue Vorsitzende.
Pistorius bezeichnete die Reform als „Meilenstein in der niedersächsischen Flüchtlingspolitik“. Es sei durchaus erwünscht, dass es mehr humanitäre Ausnahmefälle gibt. Schröder-Köpf meinte, der Innenminister habe die wesentlichen Wünsche von Wohlfahrtsverbänden, Flüchtlingsorganisationen und Kirchen umgesetzt: „Das ist heute ein freudiger Tag.“ Der Ratsvorsitzende der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Hannovers Landesbischof Ralf Meister, stimmt dem zu. Er würdigte die Reform als „ein deutliches Zeichen der Hoffnung für Flüchtlinge, Asylbewerber und Asylbewerberinnen im Land Niedersachsen“.
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