Flüchtlingsrat: Härtefallkommission muss umstrukturiert werden

Der Rücktritt von Johann Weusmann (reformierte Landeskirche Leer) und die Entscheidung von Caritasdirektor Hans-Jürgen Marcus (Diözesan-Caritasverband Hildesheim) und Pastor Philip Meyer, ihre Mitarbeit in der Härtefallkommission vorerst ruhen zu lassen, verdeutlichen aus Sicht des Flüchtlingsrats Niedersachsen die Notwendigkeit einer generellen Umstrukturierung und Neuausrichtung der Arbeit.

Nach unserer Auffassung müssen drei Kardinalfehler beseitigt werden, damit die Härtefallkommission in Niedersachsen ihre Aufgabe erfüllen kann:

  1.  Der Flüchtlingsrat Niedersachsen ist der Auffassung, dass die Zusammensetzung der Härtefallkommission unausgewogen ist. Vertreter/innen von Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen fehlen in dem Gremium. Neben der Vorsitzenden wurden fünf von acht Mitglieder vom Innenminister bestimmt. Lediglich drei Mitglieder werden von nichtstaatlichen Stellen benannt, darunter je eine Person des Rates der Konföderation Evangelischer Kirchen, des Katholischen Büros und der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Das diskreditiert nicht die vom Innenminister bestimmten Mitglieder, deutet aber darauf hin, dass das Innenministerium das Abstimmungsverhalten der Kommission indirekt durch die Auswahl seiner Mitglieder zu steuern versucht. Das ist nicht akzeptabel. Das Innenministerium muss sich weiter aus der Arbeit der Härtefallkommission zurückziehen. Es sollten Mitglieder aus der Zivilgesellschaft benannt werden, die über Fachkompetenz in Flüchtlingsfragen verfügen, vor allem Vertreter/innen von Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen.
  2. Mit der geltenden, derzeit erneut diskutierten Härtefallverordnung versucht die Landesregierung, die Zulässigkeit eines Härtefallbegehrens durch die Formulierung formaler Ausschlusstatbestände schon im Vorfeld einzuschränken. Beispielsweise soll ein Härtefallantrag nicht mehr beraten werden können, wenn ein Flüchtling bereits zur Abschiebung angemeldet wurde oder sich in Abschiebungshaft befindet. Dies erscheint nicht nur deshalb fragwürdig, weil manche Ausländerbehörden in Niedersachsen mit der Inhaftierung von Flüchtlingen zwecks Abschiebung allzu schnell bei der Hand sind, sondern auch insofern unsinnig, als im Härtefallverfahren der atypische Sonderfall erfasst und bewertet werden soll, ein Prozess, der durch formalistische Einschränkung des für diesen Prüfungsvorgang zugelassenen Personenkreises möglichst nicht belastet werden sollte. Ein Gnadenrecht sollte gerade nicht Maßstäbe des geltenden Aufenthaltsrechts anlegen und abbilden, sondern so konzipiert sein, dass Besonderheiten des Einzelfalls auch gewürdigt werden können.
  3. Aus Sicht der Landesregierung liegt ein Härtefall dann vor, wenn ein Flüchtling wirtschaftlich erfolgreich ist. Symptomatisch für dieses weitgehend auf einem Nützlichkeitsprinzip aufgebaute Verständnis der niedersächsischen Landesregierung für humanitäre Aufenthaltsregelungen heißt es in der Begründung der Landesregierung für eine neue Härtefallverordnung: /„Bei der Beurteilung der Frage, ob dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit einer Ausländerin oder eines Ausländers in Deutschland rechtfertigen, wird maßgeblich auf die soziale und wirtschaftliche Integration abgestellt.“/ Dem gegenüber bestehen wir darauf, dass ein Härtefall dann vorliegt, wenn besondere humanitäre Umstände den Verbleib eines Flüchtlings im Bundesgebiet erfordern. Dies kann gerade auch bei Schutzsuchenden der Fall sein, die aufgrund besonderer Schicksalsschläge (Krankheit, Traumatisierung durch Krieg und Verfolgung, Behinderung, Alter etc.) nicht zu einer (vollständigen) Lebenshaltungssicherung in der Lage sind.

gez. Kai Weber

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