Kurdischem Oppositionspolitiker Sabri Ö. droht Abschiebung in die Türkei

Mit großer Empörung reagiert der Flüchtlingsrat auf die Ablehnung des kurdischen Oppositionspolitikers Sabri Ö. im Asylverfahren. Das Beispiel des ehemaligen Oberbürgermeisters von Batman ist ein weiteres Beispiel für die Ignoranz des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Fragwürdigkeit der deutschen Asylpraxis, wenn es um Schutzsuchende aus der Türkei geht. Sabri Ö, dem ehemaligen Oberbürgermeister der großen kurdischen Stadt Batman, droht nun die Abschiebung.

Der Flüchtlingsrat kritisiert, dass das BAMF und leider auch einige Verwaltungsgerichte die politische Verfolgung missliebiger Oppositioneller in der Türkei immer wieder missachten und politische Prozesse als „rechtsstaatliche Verfahren“ deklarieren. Ungeheuerlich aber ist es, wenn ein mutiger Bürgermeister, dem wegen seines demokratischen Engagements mit ausschließlich friedlichen Mitteln eine lange Haftstrafe in der Türkei droht, trotz nachgewiesener Verfolgung als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wird. Dündar Kelloglu vom Vorstand des Flüchtlingsrats Niedersachsen vertritt den Betroffenen, Sabri Ö., vor Gericht. Kelloglu:

„Ich stelle fest, dass die Messlatte in Asylverfahren kurdischer Schutzsuchender aus der Türkei immer höher gelegt wird. In meiner jahrzehntelangen Praxis als Anwalt ist mir aber selten ein Fall untergekommen, in dem eine so offenkundig zu Tage tretende, vielfach dokumentierte politische Verfolgung mit fragwürdigen Argumentationsfiguren bestritten und „wegdefiniert“ wird. Sabri Ö. wird vom türkischen Regime politisch verfolgt und muss Asyl in Deutschland erhalten.“

Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Asylantrag des streitbaren Politikers als „offensichtlich unbegründet“ ablehnte, sah auch das Verwaltungsgericht Minden keine Veranlassung, die drohende Abschiebung zu stoppen. Mit einem „Abänderungsantrag“ versucht Anwalt Dündar Kelloglu, den Vollzug in letzter Sekunde zu stoppen.

Schon einmal war Sabri Ö. als Schutzsuchender in Deutschland – und wurde mit Bescheid vom 09. September 1996 als Flüchtling anerkannt. Mit der Ausreise aus dem Bundesgebiet im Jahr 2005 ist diese Anerkennung jedoch erloschen. Sabri Ö. mischte sich nach seiner Rückkehr in die Türkei erneut in die Politik ein. Am 30.03.2014 wurde er als Kandidat der prokurdischen Partei BDP zum Oberbürgermeister Batmans gewählt. Damit machte Sabri Ö. von seinem demokratisch legitimierten Mandat Gebrauch und setzte sich in der Folgezeit öffentlich und kritisch mit der türkischen Kurdenpolitik auseinander.

Die türkische Regierung setzt die BDP / HDP mit der PKK gleich. Jede politische Aktivität des Bürgermeisters, jede prokurdische Äußerung des Sabri Ö. wurde von den türkischen Strafverfolgungsbehörden als „Propaganda für eine terroristische Vereinigung“ und als „mitgliedschaftliche Betätigung“ gewertet. Auf Anordnung des Präsidenten der türkischen Republik, Recep Tayyip Erdogan, setzte der türkische Innenminister Sabri Ö. (und andere Bürgermeister) in einem offensichtlich rechtswidrigen Akt am 14. Oktober 2015 als Bürgermeister ab und ersetzte ihn durch einen Zwangsverwalter.

In der Folgezeit wurden gegen Sabri Ö. mehr als 80 Strafverfahren eingeleitet. Belege für zehn offenkundig politisch motivierte Strafverfahren sind aktenkundig und wurden dem BAMF vorgelegt. In einem der Verfahren wurde Sabri Ö. zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt, das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. In einem weiteren Verfahren wurde er wegen einer Presseerklärung des Versuchs bezichtigt, „die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen“. Aus Furcht vor einer Inhaftierung entschloss sich Sabri Ö. zur Flucht.

Dennoch lehnte das BAMF den Asylantrag des Sabri Ö. mit der denkwürdigen Begründung ab, es gelinge ihm seit zehn Jahren erfolgreich, den Rechtsweg zu bestreiten. Eine Verurteilung sei insofern auch zukünftig nicht zu erwarten bzw. erfolge auf rechtsstaatlicher Basis. Das daraufhin angerufene Verwaltungsgericht Minden pflichtete dieser Einschätzung des BAMF bei und ergänzte, ein Zusammenhang zwischen den erfolgten Verurteilungen und der Ausreise sei „nicht ersichtlich“: „Auch das nunmehr eingereichte Verhandlungsprotokoll eines Verhandlungstermins der 2. großen Strafkammer Batman vom 22. April 2025 und die zugrunde liegende Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Batman vom 05. Februar 2016 vermögen daher nicht die Annahme einer drohenden Inhaftierung des Antragstellers im Fall seiner Rückkehr zu rechtfertigen.“

Mittlerweile hat Rechtsanwalt Dündar Kelloglu mit den E-Devlet Zugangsdaten des Sabri Ö. jedoch Einblick in das türkische UYAP-System nehmen können und festgestellt: Das 2. Strafgericht für schwere Strafsachen Batman hat in seiner Sitzung vom 23.09.2025 gegen Sabri Ö. Haftbefehl erlassen. Die Strafvorwürfe werden – wie in solchen Verfahren gegen kurdische Politiker*innen üblich – mit „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ bzw. „Propaganda für eine terroristische Organisation“ begründet. Nach Aussagen seines Anwalts Erbil Demir droht Sabri Ö. eine Verurteilung zu einer langjährigen Haftstrafe.

 

Bitte schreiben Sie an dieser Stelle nur allgemeine Kommentare.
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...

Schreibe einen Kommentar

Jetzt spenden und unsere Arbeit unterstützen!