Wir dokumentieren nachfolgend die Rückschau der Initiative „In Gedenken an Arkan“ auf die antirassistische Gedenkdemonstration für Arkan Hussein Khalaf, die am 7. April 2021 in Celle stattfand. Genau ein Jahr zuvor, am 7. April 2020, wurde der 15-jährige Êzîde Arkan Hussein Khalaf in Celle erstochen. Der Jugendliche war mit seiner Familie aus dem Nordirak nach Niedersachsen geflüchtet und lebte seit 2015 in Celle.
Rückblick: Antirassistische Gedenkdemonstration für Arkan Hussein Khalaf in Celle
Anlässlich des 1. Jahrestages der Ermordung des êzîdischen Jugendlichen Arkan Hussein Khalaf am 7. April 2020 haben sich in Celle rund 250 Menschen einer Gedenkdemonstration der Initiative „In Gedenken an Arkan“ angeschlossen. Ziel der Initiative ist es, die Erinnerung an Arkan lebendig zu halten, aber auch auf die Hintergründe von Gewalttaten, besonders auf Rassismus, aufmerksam zu machen.
„Ich heiße euch noch einmal willkommen und danke euch, dass ihr das Leid mit meiner Familie teilt, dass ihr heute da seid. Denn das, was wir durchgemacht haben, ist sehr schwer gewesen und ich hoffe, dass der Täter seine gerechte Strafe kriegt. Denn mein Sohn wurde ermordet, für nichts und wieder nichts. Er ist sinnlos ermordet worden, von einem Rassisten“, sagt Arkans Mutter in ihrer bewegenden Rede am Tatort. Ihr abschließender Appell ist deutlich: „Setzt ein Zeichen gegen Rassismus, denn wir leben hier und wollen hier in Frieden leben.“
Nach dem Auftakt der Veranstaltung im Triftpark zogen die Teilnehmenden zur mit Blumen, Kerzen und Fotos geschmückten Stelle der Ermordung. Hier gab es Raum für persönliches Erinnern von denen, die den Jugendlichen gekannt hatten. Zudem wurde eine frisch angebrachte Gedenktafel auf Kurdisch und Deutsch feierlich enthüllt. Anschließend führte der Demonstrationszug weiter über den Thaerplatz bis auf die Stechbahn, wo eine abrundende Kundgebung stattfand.
Arkan Hussein Khalaf war 2014 mit seiner Familie vor dem Genozid an den Êzîd*innen durch Daeş, den sogenannten „Islamischen Staat“, aus seiner Heimatregion Şengal im Nordirak geflohen. Er konnte sich nach Deutschland retten, doch auch hier war er nicht sicher: Am 7. April 2020 wurde er auf offener Straße von einem ihm fremden deutschen Mann erstochen, der sich in sozialen Medien im Umfeld rassistischer und rechtsradikaler Gruppen bewegte. Seine Schwester beschrieb das schreckliche Ereignis mit den Worten „Wir sind über das Wasser gekommen und hier in Blut ertrunken.“
Als behördlich anerkannter Tathintergrund gilt der Drogeneinfluss des Täters, seinem rassistischen Umfeld im Internet wurde wenig Beachtung geschenkt. Dieser Umgang wird von Rassismusbetroffenen und Antirassist*innen kritisiert. „In Celle verkündete die Polizei direkt nach der Tat, dass sie keine Hinweise auf eine ausländerfeindliche Motivation des Täters hat, diese Linie hat die Staatsanwaltschaft bis zum Urteil fortgesetzt. Es ist nicht hinzunehmen, dass so frühzeitig Rassismus als Tathintergrund kleingeredet wird, nachdem ein migrantischer Jugendlicher unvermittelt von einem Deutschen erstochen wurde“, sagen die Redner*innen der Initiative „In Gedenken an Arkan“ in ihrem Redebeitrag. Sie warnen vor dem Abstempeln struktureller rassistischer Gewalt wie beispielsweise auch beim Anschlag in Hanau im Februar 2020 als „Einzelfälle“. Klare Worte findet auch die Mutter Arkans: „Wäre mein Sohn blond, so wäre das nicht geschehen. Wenn jemand Drogen konsumiert und Alkohol trinkt, so ist das für mich kein Grund, ein Kind zu ermorden.“
Die êzîdische Glaubensgemeinschaft hat eine lange Historie von Verfolgungen und Genoziden hinter sich. Bislang stellen Selbstorganisierung und -verteidigung für sie den einzigen zuverlässigen Schutz dar. Die derzeit wieder kritische Situation der Êzîd*innen in Şengal war somit ebenfalls Thema der Demonstration: Denn ein im Oktober 2020 unter türkischem Einfluss abgeschlossenes Abkommen zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung sieht die Untergrabung êzîdischer Selbstbestimmung unter anderem durch die Auflösung der êzîdischen Selbstverteidigungskräfte vor. Dafür werden in der Region seit Monaten zahlreiche Stützpunkte gebaut: für die Pêşmerga-Militärs der kurdischen Autonomieregierung, die die Êzîd*innen in 2014 schutzlos den Massakern überließen und teils zuvor noch entwaffneten, sowie für türkische Truppen, die aktuell mit jihadistischen Milizen einen brutalen Angriffskrieg auf selbstverwaltete Gebiete in Rojava, Nord-Ost-Syrien führen.
Die Initiative „In Gedenken an Arkan“ setzt sich aus verschiedenen êzîdischen, kurdischen, deutschen und internationalistischen Gruppierungen und Einzelpersonen zusammen. Neben der Veranstaltung zum Jahrestag setzt sie sich politisch für die Benennung einer Straße oder eines Platzes in Celle nach Arkan Hussein Khalaf ein.
Aktuelle Mitglieder der Initiative sind:
Celler Forum gegen Rechtsextremismus und Gewalt
Êzîdischer Frauendachverband SMJÊ
Êzîdischer Frauenverein „Hêvî – Hilfe für Frauen in Not“
Gemeinsam Kämpfen – feministische Organisierung für Demokratische Autonomie und Selbstbestimmung
Feleknas Uca Stiftung e.V.
Die Linke – Kreisverband Celle
HCÊ – Bündnis der Êzîdischen Jugend e. V.
Initiative „Land in Sicht – Transition“ (LiST)
JXK – Studierende Frauen aus Kurdistan
MCÊ – Mala Êzîdiya Celle/Êzîdisches Kulturzentrum Celle e. V.
MŞD – Rat der Êzîden aus Şengal in Europa
NAV-YEK Zentralverband der Êzîdischen Vereine e. V.
Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus
„Rheinmetall Entwaffnen“ Celle
TCŞ – Tevgera Ciwanên Şoreşger (Revolutionäre Jugendbewegung)
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)
YXK – Verband der Studierenden aus Kurdistan e. V.
Hintergrund
Gedenken an getöteten 15-jährigen Arkan Hussein Khalaf, Meldung vom 7. Mai 2020
Erklärung nach der Tötung von Arkan Hussein Khalaf in Celle, Meldung vom 14. April 2020
15-jähriger Êzîde in Celle erstochen, Meldung vom 9. April 2020
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