Unverständnis über Leistungskürzungen gegen Flüchtlinge in Niedersachsen

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In Umsetzung der Koalitionsvereinbarung hat Niedersachsen im Bundesrat die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) beantragt. Gleichwohl werden in Niedersachsen Kürzungen von Leistungen nach § 1a AsylbLG – v.a. wegen angeblich unzureichender Mitwirkung bei der Passbeschaffung – auch weiterhin vorgenommen. Das ist nicht nachvollziehbar. Während andere Länder wie Schleswig-Holstein und selbst Bayern die Anwendung des §1a AsylbLG unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestoppt haben, wird in Niedersachsen – mit dem Einverständnis des niedersächsischen Innenministeriums – weiterhin gekürzt.

Nach Auffassung des Innenministeriums sind Kürzungen auf der Grundlage des §1a AsylbLG auch weiterhin zulässig, allerdings nur nach hinreichender Würdigung jeden Einzelfalles. Zur Begründung bezieht sich das Innenministerium auf Urteile der Sozialgerichte, die eine solche Kürzung auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für zulässig halten, darunter auch das niedersächsische Landessozialgericht. Die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat dagegen – unter Verweis auf gegenteilige Entscheidungen anderer Landessozialgerichte – Kürzungen nach §1a AsylbLG bis auf Weiteres untersagt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2012 nur allgemein zur Höhe der Sozialleistungen für Flüchtlinge Stellung bezogen und sich nicht ausdrücklich auch zu Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG geäußert. Die programmatische Aussage der Verfassungsrichter, wonach „die Menschenwürde migrationspolitisch nicht zu relativieren ist“, muss aber auch in Niedersachsen gelten.  In manchen Landkreisen – etwa im Landkreis Stade – werden Leistungskürzungen nach §1a AsylbLG exzessiv und oftmals über viele Jahre vorgenommen. Angesichts der divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung ist zumindest zweifelhaft, ob Leistungskürzungen nach §1a AsylbLG mit der Verfassung im Einklang stehen.

Die Rechtsprechung des niedersächsischen Landessozialgerichts bindet die Landesregierung nicht. Gerade wegen der divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung hat sie die Pflicht, den Landkreisen Vorgaben zur Auslegung zu machen. Wie ernst ist es der Landesregierung mit ihrem Bekenntnis für eine Abschaffungdes AsylbLG und eine Wiedereingliederung von Flüchtlingen in das Sozialgesetzbuch, wenn die Behörden auch weiterhin dazu aufgefordert werden, im Einzelfall Leistungskürzungen vorzunehmen?

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