Flüchtlingsrat kritisiert Gesetzentwurf als „Familienzerstörung von Amts wegen“

In scharfer Form kritisiert der Flüchtlingsrat Niedersachsen den Gesetzentwurf vom 16.05.2025, mit dem die Bundesregierung den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigten für zunächst zwei Jahre ganz stoppen will, als „Familienzerstörung von Amts wegen“.

„Sollte dieses Gesetz in Kraft treten, wird es fatale Auswirkungen haben auf den weiteren Integrations- und Teilhabeprozess. Der Gesetzentwurf ist geeignet, Familien zu zerstören, die schon durch die Flucht oft über lange Zeiträume auseinandergerissen wurden und nun von Amts wegen für weitere Jahre getrennt bleiben sollen“.

Karim Alwasiti vom Flüchtlingsrat Niedersachsen

Die Entscheidung von SPD und Union, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten „befristet“ auszusetzen, ist für die Betroffenen furchtbar und menschenrechtlich inakzeptabel, weil ein Zusammenleben der Familie aufgrund der drohenden Gefahren im Herkunftsland oder in einem Drittland in aller Regel nicht möglich ist. Subsidiär Geschützten droht ebenso wie Flüchtlingen, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt sind, in ihrem Herkunftsland Gefahr für Leib und Leben. Durch die Aussetzung für diese Gruppe werden weit über 50% aller Schutzberechtigten keine Möglichkeit zum Familiennachzug mehr haben:

Die Union, die nicht müde wird, bei jeder Gelegenheit den besonderen Wert und den Schutz der Familie zu betonen, sorgt damit dafür, dass ein Familienleben über unabsehbar lange Zeiträume für geflüchtete Schutzberechtigte verhindert wird. Die Folge sind zerstörte Familien und Kinder, die ohne Vater oder Mutter aufwachsen müssen. Was passiert wohl in den Köpfen und Herzen dieser Menschen? Blamabel ist das Vorhaben auch für die SPD, die auf ihrem Parteitag im Dezember 2023 noch eine Erleichterung des Familiennachzugs gefordert hat. Jetzt verabredet sie gemeinsam mit der Union das Gegenteil.

Erst das Recht auf ein familiäres Zusammenleben schafft die Grundlage dafür, dass Geflüchtete in Deutschland ankommen können. Schon jetzt dauert der Familiennachzug unverhältnismäßig lange. Zunächst muss der Ausgang des Asylverfahrens abgewartet werden. Bei den meisten deutschen Auslandsvertretungen betragen die Wartezeiten zur Visumantragstellung für einen Familiennachzug ein bis zwei Jahre – auch zu Geflüchteten mit einer Flüchtlingsanerkennung. Bis zur Erteilung des Visums vergehen nochmals sechs Monate. Eine daran anschließende, nochmalige zweijährige Wartezeit durch „Aussetzen“ des Familiennachzugs ist geeignet, Familien zu zerstören, weil die mit der langen Trennung verbundenen Entfremdungsprozesse kaum mehr aufzufangen sind. Dennoch verzichtet der Entwurf auf jegliche Übergangsregelungen: Alle werden vom Familiennachzug ausgeschlossen, auch solche Familien, die schon alle Formalitäten erledigt, aber noch keine schriftliche Zusage erhalten haben.

Der Stopp des Familiennachzugs trifft gerade die besonders verletzlichen Flüchtlinge: Alte, Behinderte, Kranke, Frauen mit kleinen Kindern, Menschen also, die schutzbedürftig sind, und denen der Familiennachzug einen sicheren Weg aus der Bedrohung ermöglicht. Ein Stopp des Familiennachzugs zwingt sie auf lebensbedrohliche Fluchtrouten. Die Ankündigung, dass Härtefälle von der Maßnahme unberührt bleiben, mildert das nicht ab: Schon 2016 wurde der Familiennachzug für mehr als zwei Jahre ausgesetzt, auch damals hat kaum jemand von der Härtefallregelung profitiert. Die zynische Begründung: Eine „außergewöhnliche Härte“ liege in der Regel nicht vor, da der Stopp beim Familiennachzug ja für alle Betroffenen eine gravierende Härte darstelle.

Für verlogen und scheinheilig halten wir die von der Bundesregierung angestellte Kostenberechnung, der zufolge der Steuerzahler angeblich einen Einsparungseffekt in Millionenhöhe durch die Maßnahme erzielen würde. Es glaubt doch niemand, dass auch nur ein einziger der Beamten, deren Personalkosten die Bundesregierung zur Begründung hochrechnet, weniger beschäftigt wird, wenn die Bundesregierung den Familiennachzug stoppt. Überdies werden die sozialen Folgekosten einer zweijährigen Familientrennung nicht berechnet: Menschen, die sich in Sorge um ihre gefährdeten und notleidenden Familienangehörigen verzehren, werden kaum in der Lage sein, sich in Deutschland auf Sprachkurse, Qualifizierungsmaßnahmen und Arbeitsanforderungen zu konzentrieren. Die Kosten der Nichtintegration und schäbigen Behandlung werden von der Bundesregierung geflissentlich übersehen.

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