Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge schutzlos gestellt

Schutzlücken durch BAMF – Auslegung des neuen  §58 Abs. 1a AufenthG

Zusammenfassung der Stellungnahme des Bundesfachverbandes UMF und Pro Asyl vom August 2012

Noch im Jahr 2011 lag die Schutzquote bei allein eingereisten Flüchtlingen aus Afghanistan, der bei weitem zahlenmäßig größten Gruppe unter den unbegleiteten Minderjährigen, bei 48 %. Eine Aufenthaltserlaubnis erhielten die jungen Menschen insbesondere dann, wenn sich im Heimatland keine nahen Verwandten aufhielten, die sich im Fall der Rückkehr um die Kinder bzw. Jugendlichen hätten kümmern können. Im ersten Halbjahr dieses Jahres fiel die Schutzquote jedoch dramatisch auf  28%.

Wie der Bundesfachverband-UMF und Pro-Asyl in ihrer Stellungnahme prognostizieren, ist auf Grund eines Kurswechsel des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine weitere Verschlechterung bezüglich des Schutzes von UMF zu erwarten. Im Bundesamt wird die neue Ablehnungspraxis mit dem auf der EU Rückführungsrichtlinie basierenden und kürzlich umgesetzten § 58 Abs.1a AufenthG begründet. Demnach haben die Behörden vor der Abschiebung eines UMFs sichzustellen, dass dieser „im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird“ (§58 Abs. 1a AufenthG). Da dieser Paragraph unbegleitete Minderjährige vor der Abschiebung ins Herkunfsland schützt, wenn sich dort keine Verwandten befinden, wäre die Gewährung subsidären Schutzes gemäß §60 Abs.7 Satz 1 AufenthG nicht mehr notwendig, so das Bundesamt. Die damit verbundene Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis nach §25 Abs. 3 AufenthG würde demnach entfallen. Anstatt dessen könnten die betroffenen Minderjährigen im besten Fall die, wenn auch „schlechtere“ Aufenthaltserlaubnis nach §25 Abs.5 AufenthG durch die zuständige Ausländerbehörde erhalten. Da die Behörden nicht selten restriktiv mit der Vergabe von AE gemäß §25 Abs.5 AufenthG umgehen, ist zu befürchten, dass für viele unbegleitete Minderjährige lediglich eine Duldung ausgestellt werden wird. Der damit verbundene prekäre Aufenthalt bedeutet die Einschränkung der gesellschaftlichen Teilhabe und gefährdet die langfristigen Entwicklungsperspektiven der jungen Menschen.

Die neue Entscheidungspraxis des Bundesamtes steht damit dem in Art. 3 der UN – Kinderrechtskonvention gefassten Vorrang des Kindeswohls eindeutig entgegen, kritisieren B-UMF und Pro Asyl. Gleichzeitig werden die in den letzten Jahren erreichten Fortschritte im Umgang mit UMF grundlegend in Frage gestellt.
Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Würtemberg widersprach in seinem Urteil vom 27.04.2012 (Az. A 11 S 3392/11)  der neuen Praxis des BAMF und gewährte in diesem Fall dem unbegleiteten Minderjährigen subsidären Schutz. Das Gericht betonte, dass im Fall von UMF, die in Afghanistan keine Verwandte oder Bekannte besitzen – auch im Lichte ihrer besonderen Schutzbedürtigkeit – regelmäßig vom Bestehen einer extremen Gefahrenlage auszugehen sei. Da das BAMF gegen die Entscheidung Revision eingelegt hat, ist das Verfahren nun beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

In der Stellungnahme vom August 2012  fordern Pro Asyl und der Bundesfachverband UMF das Bundesamt auf, „die neue Entscheidungspraxis gegenüber unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aufzugeben und ihnen den Schutz nach §60 Abs. 7 S.1 AufenthG wieder zuzusprechen. Dies ist nicht nur rechtlich, sondern auch angesichts der dramatischen Folgen für die Entwicklung der betroffenen Minderjährigen geboten.“

Hier die Stellungnahme (pdf) PRO ASYL_BundesfachverbandUMF_Stellungnahme_§ 58 Abs. 1a AufenthG_August2012

Hier die Zusammenfassung des  Urteils des VG Baden-Württemberg

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