Festnahme auf dem Standesamt in Scharnebeck (LK Lüneburg)
Kurdischer Ehemann Idris S. wird auf Antrag des Landkreis Coesfeld festgenommen
Skandalöser Haftbeschluss des Landgerichts Lüneburg
Darf ein Bräutigam auf dem Standesamt festgenommen und mit dem vagen Verdacht einer beabsichtigten „Scheinehe“ inhaftiert und abgeschoben werden, obwohl seine Ehefrau in spe und das örtliche Frauenhaus dieser Behauptung heftig widersprechen? Das Lüneburger Landrecht scheint nach dem Motto zu funktionieren: Im Zweifel auf Verdacht einsperren!
Als die deutsche Staatsbürgerin Keser Y. und ihr kurdischer Verlobter Idris S. am 26. Juni 2012 arglos beim Standesamt in Scharnebeck (LK Lüneburg) vorsprachen, um nach bereits erfolgter religiöser Heirat auch ihre gesetzliche Eheschließung anzumelden, wurde der Ehemann Idris S. zur großen Bestürzung des Paars festgenommen und in Abschiebungshaft gebracht. In etwa zwei Wochen droht ihm die Abschiebung in die Türkei.
Verantwortlich für die Inhaftierung ist die für Idris S. zuständige Ausländerbehörde des Landkreises Coesfeld, die den Haftantrag gestellt hatte. Der nach Form und Inhalt äußerst schlampige Haftantrag wurde ohne Anhörung der Ehefrau mit einem bestehenden „Verdacht auf Scheinehe“ begründet, obwohl die Ehefrau in spe in einer persönlichen Erklärung deutlich machte, dass sie Idris S. ohne jeden Zwang und aus Liebe heiraten will. Dennoch gab das Amtsgericht Lüneburg mit Beschluss vom 26.06.2012 dem Haftantrag statt.
Im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht ergänzte die Ausländerbehörde – nach bereits erfolgter Inhaftierung – ihr Vorbringen. Dies reichte dem Landgericht Lüneburg aus, um die Haftanordnung bestehen zu lassen. Der Haftantrag sei „mittlerweile“ ordnungsgemäß begründet worden, erklärte das Landgericht in seinem Beschluss vom 05.07.2012, und führte zur weiteren Begründung aus:
„Der Betroffene kann nicht mit Erfolg einwenden, der Abschiebung stünden verfassungsrechtliche Garantien, insbesondere der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG entgegen. Der Kammer kommt bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Sicherungshaft nur eine eingeschränkte Prüfungskompetenz zu, da die Frage der Ausweisung und Abschiebung Sache der Verwaltungsgerichte ist.“ Die Ehe stehe im Übrigen auch nicht unmittelbar bevor, weil das zuständige Standesamt auf telefonische Nachfrage bestätigt habe, dass man von einer Scheinehe ausgehe.
Ortrud Glowatzki, eine im Frauenhaus Lüchow arbeitende erfahrene Psychologin, bringt diese Argumentation in Rage: „Ich arbeite seit knapp 25 Jahren im Frauenhaus und der Frauenberatungsstelle in Lüchow. Seither habe ich vielen vorwiegend jungen, aber auch älteren Frauen Hilfestellung gegeben, die von Zwangsverheiratung bedroht waren oder zwangsverheiratet worden sind. Es empört mich ungemein, dass – aus welchen unmenschlichen Motiven auch immer Zwangsverheiratung unterstellt wurde – das Individuum Keser Y. nicht wahrgenommen und gehört wurde. Keser ist nicht die Frau, die sich zwangsverheiraten lässt, und die Eltern würden sie von ihrer Werthaltung her niemals zu einer Zwangsverheiratung drängen“, so ihr Resumee.
Die Betroffenen werden den skandalösen Beschluss des Landgerichts Lüneburg nicht bestehen lassen und mit Unterstützung des Flüchtlingsrats Niedersachsen Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof erheben.
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