Bleiberecht heimlich abgeschafft?

Dieser Beitrag ist bereits älter als vier Jahre. Eventuell ist der Inhalt nicht mehr aktuell.

Ausländerbehörden versuchen mit fragwürdigen Tricks, die niedersächsische Bleiberechtsregelung von 1990 auszuhebeln

Die Warnung von Bernd Lehmann über klammheimliche Versuche von Ausländerbehörden, Flüchtlingen mit einem Bleiberecht auf Grundlage der nds. Bleiberechtsregelung von 1990 zwanzig Jahre später diese Aufenthaltserlaubnis wieder zu entziehen, verdient Beachtung.

Zu Recht weist Bernd Lehmann in seinem Text darauf hin, dass die Bleiberechtsregelung von 1990/1992 ein bedingungsloses Bleiberecht für Christen und Jeziden aus der Türkei sowie für libanesische Flüchtlinge, staatenlose KurdInnen und PalästinenserInnen vorsah, und seiner Kritik an der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das die „lebenslange“ Bleiberechtsregelung aufgrund fehlender Übergangsvorschriften im Aufenthaltsgesetz von 2005 kurzerhand für aufgehoben erklärte, ist insofern zuzustimmen.In einer ergänzenden Replik führt Lehmann aus:

Weder die Exekutive – z.B. der BMI – noch der Gesetzgeber kann eine rechtmäßig getroffene Entscheidung eines Bundeslandes ohne Rechtsgrund nachträglich aufheben. Das Bleiberecht müsste sich nachträglich als Rechtsverstoß herausgestellt haben, was aber nicht der Fall ist und auch vom BverwG gerade nicht behauptet wird. Allein der Umstand, dass der BMI in der Bleiberechtsfrage ab 1991 die Kompetenz mit den Ländern teilt – eine auf die Zukunft gerichtete Änderung – kann nicht rückwirkend zu einer Aufhebung eines Erlasses und einem vorzeitigen Ende seiner Folgewirkung führen. Ein genehmigtes, legal gebautes Haus wird schließlich nicht deshalb abgerissen, weil sich die Kompetenzen bei der Genehmigungsbehörde geändert haben und im Änderungsgesetz nicht drinsteht, dass es stehen bleiben darf. Und schließlich: Bei aufmerksamer Lektüre der Übergangsbestimmungen stellt sich heraus, dass sie ausschließlich und nur für die Zukunft ab 1991 bzw. 2005 die Umbenennung der Aufenthaltstitel regeln, aber nicht das Recht Betroffener zum weiteren oder dauerhaften Aufenthalt. 

Ein Entzug der Aufenthaltserlaubnis für die seit 1990 Bleibeberechtigten dürfte überdies schon deshalb rechtswidrig sein, weil die Aufenthaltserlaubnis für den angesprochenen Personenkreis auch nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes regelmäßig erfolgte – die Betroffenen können sich auch insofern auf Vertrauensschutz berufen.

Um so hellhöriger sollte uns die Praxis mancher Ausländerbehörden machen, die nach § 23 Abs. 1 zu verlängernde Aufenthaltserlaubnis kurzerhand in eine Aufenthaltserlaubnis nach anderen Rechtsgrundlagen umzuwandeln, ohne dies den Betroffenen per Änderungsbescheid  mitzuteilen. Hintergedanke ist dabei offenbar, dass eine Aufenthaltserlaubnis z.B. nach § 28 Abs. 1 AufenthG für ausländische Eltern eingebürgerter Kinder mit der Volljährigkeit dieser Kinder beendet werden soll, wie im von Bernd Lehmann angesprochenen Fall einer Familie aus dem Landkreis Hildesheim. Diese Praxis ist natürlich rechtswidrig!

Da die Hildesheimer Praxis offenbar kein Einzelfall darstellt – vergleichbare Praktiken wurden uns berichtet aus dem Landkreis Rotenburg, der Stadt Lingen und dem Landkreis Hameln-Pyrmont – , bitten wir alle Flüchtlinge, deren Bleiberecht auf die Bleiberechtsregelung von 1990 zurückgeht, um Überprüfung der Rechtsgrundlage für ihre Aufenthaltserlaubnis. Rechtsanwälte/innen und Unterstützer/innen bitten wir, mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen und ggfs. einschlägige Erfahrungen mit der Infragestellung oder gar einem Entzug des Bleiberechts über die Liste zu schicken. Eine erfreulich eindeutige Entscheidung zur Sache hat das VG Oldenburg mit Urteil vom 22.06.2011, AZ 11 A 3167/10, getroffen. Dazu stellt Lehmann fest:

„Richtig erkannt hat das VG das Problem der doppelten Tolerierung. Das BverwG meint, die angeblich 1991 erfolgte Tolerierung des Bleiberechts hätte 2005 für dieselben Leute wiederholt werden müssen. Das ist nicht mit freundlichen Worten zu qualifizieren. Die Aufhebung dieses Bleiberechts ist ein unbegründeter, daher willkürlicher und unzulässiger Eingriff in die Kompetenz der Exekutive.“

Auch der PKH-Beschluss des OVG Lüneburg vom 17.2.2012 -11 PA 34/12- gibt Anlass zur Hoffnung. Rechtsanwalt Sükrü Bulut schreibt dazu:

„In diesem Beschluss hat das OVG Lüneburg festgestellt, dass die Betroffenen sich auf den Bleiberechtserlass vom 18. Okt. 1990 zwar nicht berufen können, jedoch auf den „im wesentlichen mit dem Bleiberechtserlass von 1990 gleichlautenden Erlass vom 27.09.1992“, für den die Zustimmung des Bundesministers erteilt wurde. Das OVG hat ausgeführt, dass „weiterhin davon auszugehen ist, dass der – hinsichtlich der Bleiberechtsregelung im Wesentlichen an die Bleiberechtsregelung 1990 anknüpfende – Erlass von 1992 nicht nur Ausländer begünstigt, denen erstmals ab 1992 ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist, sondern (erst recht) auch solche, denen bereits nach dem Vorgängererlass vom 1990 ein Aufenthaltsrecht gewährt worden war (vgl. nochmals das o.a. Senatsurt. V. 27.9.2007 -11 LB 69/07-).“

Im Hinblick auf diesen Beschluss dürften die Ausländerbehörden in den Fällen der Personengruppen, auf die der Erlass von 18.10.1990 angewandt wurde, mit Ausnahme der Mahalmi Kurden aus dem Libanon, keinen Erfolg haben.  Anwalt Bulut stellt fest:

„Meines Erachtens müssen die Ausländerbehörden auch bei denjenigen Betroffenen, bei den die Rechtsgrundlage zwischenzeitlich geändert wurde (wie z.B. § 28) weiterhin eine AE zumindest nach § 23 Abs. 1 erteilen bzw. verlängern, wenn die zwischenzeitliche Rechtsgrundlage keine AE mehr vermittelt. Denn ein Erteilungs-/Verlängerungsanspruch der Betroffenen nach § 23 Abs. 1 bestand die ganze Zeit und geht durch die Erteilung eines „besseren Aufenthaltstitels“ wi z.B. nach § 28 Abs. 1 nicht verloren.“

gez. Kai Weber

 

 

Bitte schreiben Sie an dieser Stelle nur allgemeine Kommentare.
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...

1 Gedanke zu „Bleiberecht heimlich abgeschafft?“

  1. Teilweise seit über zehn Jahren hier
    53 Ausländer sind derzeit in Lingen nur geduldet
    Lingen. In Lingen leben derzeit 53 Ausländer, die eigentlich zur Ausreise verpflichtet sind und in Deutschland nur geduldet werden. Dies hat jetzt Frank Schöttmer, Leiter der Lingener Ausländerbehörde, auf Nachfrage unserer Zeitung mitgeteilt.
    WIR LEBEN SEIT 1987 IN LINGEN EMS,SIND HIER AUFGEWACHSEN,HABEN SELBER KINDER DIE HIER GEBOREN SIND,MEINE ELTERN SIND HIER ALT UND KRANK GEWORDEN!TROTZDEM SIND DIE HIER IN LINGEN NUR GEDULDET ( SEI FAST 20 JAHRE SIND IM BESITZ EINE DULDUNG).TROTZ ÄRZTLICHE BESCHEINIGUNGEN;BESTEHT DIE GEFAHR,DAS SIE VON HEUTE AUF MORGEN ABGESCHOBEN WERDEN NACH KOSOVO,WIR SIND R O M A!!! 8.2009 HABEN WIR EIN BERICHT VON UNS BEI LINGENER TAGESPOST GESCHRIEBEN,UM ZU SEHEN WIE WIR HIER IN DE LEBEN UM ZU ÜBERLEBEN!!!ICH KÖNNTE NOCH MEHR ERZÄHLEN…

    Das Ausländerrecht hat viele Facetten. Nach seinen Vorschriften wird über Abschiebung oder Aufenthaltstitel entschieden.

    Diese Gruppe setze sich sehr unterschiedlich zusammen. „Elf dieser Ausländer sind erwachsene Einzelpersonen“, so Schöttmer. Zwei davon seien länger als zehn Jahre in Deutschland, fünf länger als fünf Jahre und vier hielten sich weniger als fünf Jahre in Deutschland auf.

    18 Eltern oder alleinerziehende Mütter mit ihren 24 Kindern bildeten elf Familien, die nur in Deutschland geduldet seien. Auch ihre Aufenthaltsdauer weiche stark voneinander ab. Während sich sechs der Familien länger als zehn Jahre und drei länger als fünf Jahre in Deutschland aufhielten, wohnten zwei Familien weniger als fünf Jahre in Deutschland. Von den 24 Kindern seien elf sechs Jahre oder jünger, drei zwischen sieben und zwölf Jahren alt und zehn älter als zwölf. „Einige davon sind in Deutschland geboren, und die über sechs Jahre alten Kinder besuchen hier eine Schule“, erklärte Schöttmer.

    Eines sei allen diesen Personen jedoch gemeinsam. Wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über eine Abschiebung entscheide, müsse die Stadt diese auch ausführen. „Wir haben aber weder 2012 noch bis jetzt in diesem Jahr eine Abschiebung vollziehen müssen“, betonte Schöttmer. Dafür gebe es unterschiedliche Gründe. Entweder sei die Herkunft der Ausländer nicht klar, oder sie kämen aus Staaten wie beispielsweise dem Irak oder Syrien, wohin derzeit nicht abgeschoben werde.

    Es gebe für diese Menschen aber auch rechtliche Möglichkeiten, ein Bleiberecht in Deutschland zu erlangen. Und dabei spielen auch die Kinder eine Rolle. „Wenn diese regelmäßig die Schule besuchen, können sie und dann gegebenenfalls auch die Eltern unter bestimmten Voraussetzungen ein Bleiberecht bekommen“, erläuterte Schöttmer. Seit sechs Jahren müssten die Kinder mindestens in Deutschland sein, seit sechs Jahren eine Schule besuchen und den Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis zwischen dem 15. und vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt haben. „Noch erfüllt keines der 24 geduldeten Kinder diese Voraussetzungen“, sagte Schöttmer.

    Neben den 53 geduldeten Ausländern lebten derzeit in Lingen 42 Asylbewerber, neun anerkannte Asylberechtigte, elf Kontingentflüchtlinge, 117 Menschen mit Bleiberecht und 30 Flüchtlinge mit sogenanntem „kleinen Asyl“.

    Günter Schnieders, Fachbereichsleiter Jugend, Arbeit und Soziales der Stadt Lingen, betonte, das Integrationskonzept der Stadt bestehe in der engen Kooperation mit den Einrichtungen, die in diesem Bereich arbeiten. „Gerade die Leute, die vor Ort mit den Menschen zu tun haben, wissen, in welchen Fällen etwas möglich ist“, so Schnieders.

    Kriterien erfüllen
    Hermann Josef Schmeinck vom SKM gehört zu diesen Leuten „vor Ort“. Es gebe einige wenige Einzelpersonen, bei denen ein weiterer Aufenthalt auf der Kippe stehe, bestätigte er. Diese hätten Angst vor einer ungesicherten Zukunft. „Die meisten Familien versuchen jedoch, alle Kriterien für ein Bleiberecht, darunter auch ein gesichertes Einkommen, zu erfüllen“. Es werde alles getan, um deren Integration zu erleichtern, versicherte Schmeinck.

    Begriffe aus dem Ausländerrecht
    Asylbewerber sind Ausländer, die in Deutschland Schutz vor politischer oder sonstiger Verfolgung beantragen.

    Asylberechtigte sind als politisch Verfolgte anerkannte Flüchtlinge. Drei Jahre nach der Anerkennung wird der Asylgrund überprüft. Besteht dieser fort, wird im Normalfall ein unbefristeter Aufenthalt gewährt. Kleines Asylerhalten Menschen, die nicht aus politischen, sondern anderen Gründen (beispielsweise Bürgerkrieg) verfolgt werden oder über einen Drittstaat eingereist sind. Bleiberechtler sind abgelehnte Asylbewerber, denen aufgrund einer gesetzlichen Regelung unter bestimmten Voraussetzungen (bestimmte Aufenthaltszeit, Sicherung des Lebensunterhaltes, keine Straffälligkeit) eine in der Regel endgültige Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.

    Kontingentflüchtlinge werden im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommen (beispielsweise Boat-People aus Vietnam). Zur Ausreise Verpflichtete (geduldete) Menschen sind abgelehnte Asylbewerber, die aus unterschiedlichen Gründen (zum Beispiel fehlende Ausweise, unklare Identität, in das Herkunftsland wird nicht abgeschoben) nicht abgeschoben werden können.

    Quelle: Stadt Lingen Ems

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Jetzt spenden und unsere Arbeit unterstützen!