Gutachten zum EuGH-Urteil vom 21. Dezember 2011 zur Dublin-II-Verordnung

Am 21. Dezember 2011 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zentrale Fragen zum innereuropäischen Umgang mit Asylsuchenden im Rahmen der sog. Dublin-Verfahren geklärt (Rs. N.S. und M.E.) .

Zur juristischen Bewertung des Urteils und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen haben Amnesty International, Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V., der Paritätische Wohlfahrtsverband, Deutscher Anwaltverein, Deutscher Caritasverband e.V., Deutsches Rotes Kreuz, Diakonisches Werk der EKD, Neue Richtvereinigung und PRO ASYL ein Rechtsgutachten von Dr. Reinhard Marx in Auftrag gegeben. Es liegt eine Lang- und Kurzversion vor.

Das Gutachten erläutert das EuGH-Urteil und arbeitet die wesentlichen Schlussfolgerungen heraus. Zentrales Ergebnis ist: Asylsuchende dürfen nicht in einen nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden, wenn die Gefahr besteht, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S. v. Art. 4 EU-Grundrechtecharta ausgesetzt zu werden. Liegen systemische Mängel hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende oder hinsichtlich des Asylverfahrens vor, so sind die Gerichte und Behörden aufgefordert, die Überstellung des Asylsuchenden zu unterlassen.

Daraus ergibt sich für Gesetzgebung und -anwendung folgender Änderungsbedarf:

  •  Der Ausschluss des Eilrechtsschutzes in § 34a Abs. 2 AsylVfG ist mit Unionsrecht unvereinbar und deswegen zu streichen.
  • Überstellungen müssen zunächst angedroht werden, damit effektiver Rechtsschutz gegen die Entscheidung gewährleistet ist. Deshalb sind § 34a Abs. 1 und § 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfG zu streichen.
  • Es muss sichergestellt werden, dass Asylsuchende systemische Mängel in Asylverfahren oder Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedstaat und andere Gründe, die gegen eine Überstellung sprechen, effektiv geltend machen können. Voraussetzung hierfür ist, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Asylsuchende spezifisch zu möglichen Überstellungshindernissen anhört, dass über die Einleitung eines Dublin-Verfahrens frühzeitig und umfassend informiert wird und, dass der Bescheid über die vorgesehene Dublin-Überstellung rechtzeitig zugestellt wird.

Diese Forderungen haben wir zusammen mit den anderen Herausgeberorganisationen an die Bundesregierung und Mitglieder des Innenausschusses des Deutschen Bundestages verschickt.

Viele Grüße

Marei Pelzer
PRO ASYL

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