Landesregierung lehnt Winter-Abschiebungsstopp ab – Flüchtlingsrat protestiert

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Die niedersächsische Landesregierung hat gestern im Landtag die Verhängung eines Abschiebungsstopps über die Winterminate für Roma aus dem Kosovo – entsprechend der Praxis in NRW, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg – abgelehnt. In seiner Rede vor dem Landtag vertritt der Innenminister altbekannte Positionen. Anzumerken ist dazu u.a.:

  1.  Der Innenminister lehnt die Verhängung eines Abschiebungsstopps mit der Begründung ab, die kosovarische Regierung wolle eine gleichmäßige Verteilung zurückkehrender Personen über das Jahr. Auf den Gedanken, dass der Winter-Abschiebungsstopp gar nicht dafür gedacht und damit begründet ist, die kosovarischen Behörden zu entlasten, sondern den Betroffenen eine Abschiebung in Elendsquartiere oder in die Obdachlosigkeit im Winter zu ersparen, kommt der Innenminister gar nicht. Nach wie vor werden im Kosovo die Angehörigen der Minderheiten Roma, Ashkali und Ägypter massiv ausgegrenzt. Trotz mehrerer Programme zur Reintegration von Roma im Kosovo hat sich die prekäre Situation für Roma, Ägypter und Ashkali dort kaum verbessert. Das stellt auch der Fortschrittsbericht der EU-Kommission 2010 fest, der darauf hinweist, dass Abgeschobenen der genannten Minderheiten im Kosovo der Zugang zu zahlreichen Rechten verschlossen bleibt.Eine Studie von UNICEF beschreibt, dass drei von vier schulpflichtigen Kindern der Schulbesuch faktisch unmöglich gemacht wird. Ein Teil der abgeschobenen Kinder spricht vor allem deutsch. Sprachkurse, die den Kindern die Integration im Kosovo erleichtern könnten, gibt es nicht – obwohl die Behörden hierfür Mittel bereitgestellt bekamen. Auch zeigt die Studie, dass Erwachsene trotz Reintegrationshilfen keine Arbeit finden – in den von UNICEF untersuchten 14 Fällen gelang es nur ein einziges Mal, einem Betroffenen einen Arbeitsplatz zu vermitteln. Die Unterbringungssituation ist desaströs. Die Betroffenen sind gezwungen, in baufälligen Wohnungen ohne Strom, Heizung und fließendes Wasser zu leben, und sind von Obdachlosigkeit bedroht.Auch der Bericht des UNHCR vom August 2011 Jahres zeigt, dass trotz Fortschritten bei der Reintegration von aus Deutschland zurückkehrenden Flüchtlingen weiterhin viele Familien in Lagern und ohne feste Häuser leben.
  2.  Mit keinem Wort geht der Innenminister auf die Tatsache ein, dass in anderen Bundesländern Flüchtlingen jedenfalls dann eine Rückkehr in das Kosovo nicht zugemutet wird, wenn sie bereits viele Jahre in Deutschland leben und hier verwurzelt sind. Deshalb machen Abschiebungen von Roma-Flüchtlingen in Niedersachsen auch immer wieder Schlagzeilen (siehe zuletzt etwa die Abschiebung der Familie Meta, der Frau Ademaj, die eingeleitete Abschiebung des Herrn Nuredini usw.). Nach wie vor räumt das niedersächsische Innenministerium den Ausländerbehörden – anders als z.B. das Innenministerium in Rheinland-Pfalz – nicht die Möglichkeit ein, unter Bezugnahme auf Artikel 8 der EMRK ein Aufenthaltsrecht wegen Unzumutbarkeit einer Rückkehr zu erteilen.
  3. Auch Kranke und Gebrechliche werden entgegen der Behauptung des Innenministers in das Kosovo abgeschoben. Das Innenministerium hat die Ausländerbehörden aufgefordert, in derartigen Fällen ggfs. eine Begleitung durch Mediziner/innen zu organisieren und Medikamente mitzugeben, um so ggfs. vom Bundesamt oder den Gerichten festgestellte „Abschiebungshindernisse“ zu beseitigen. Selbst ein schwerstkrankes epileptisches Kind ist derzeit von einer Abschiebung aus Niedersachsen akut bedroht.
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