
Etwa 300 Menschen versammelten sich am Internationalen Menschenrechtstag (10.12.2025) vor dem niedersächsischen Landtag, um ein Zeichen zu setzen dafür, dass sie mit dem gegenwärtigen Kurs der Bundesregierung nicht einverstanden sind, die die Würde der Schutzsuchenden verletzt und die Menschenrechte mit Füßen tritt.
Sebastian Wertmüller vom Flüchtlingsrat Niedersachsen beklagte in seiner Rede die Entrechtung der Geflüchteten und die Zusammenarbeit mit dem menschenverachtenden Taliban-Regime. Er verwies auf Rechtsbrüche an den deutschen und den europäischen Grenzen und kritisierte eine Politik, die schutzsuchende Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt. Sein Resümee:
„Es fehlt an Humanismus und Empathie. Die Asylpolitik ist zu einer reinen Abschiebepolitik geworden – als hätte die AfD das Drehbuch geschrieben. Das gesellschaftliche Klima wird zunehmend verhetzter. Und die Partei, die angeblich damit bekämpft werden soll, wird stärker und stärker und triumphiert.“
Oberbürgermeister Belit Onay nahm den Ball auf und kritisierte in seinem Grußwort eine Politik der Entsolidarisierung aus Angst vor dem Rechtsextremismus. Onay: „Es ist nicht die Aufgabe von Politik, die Schwächsten zu schikanieren. Solidarität muss die Antwort sein.“
Sabrina Zourelidis von AMFN e.V. kritisierte scharf die Form und Sprache, in der über Geflüchtete öffentlich diskutiert wird: „Statt von Asylsuchenden oder Schutzsuchenden ist es nun Konsens von Illegalen oder Irregulären zu sprechen, als sei es nicht mehr legitim, das Menschenrecht auf Asyl wahrzunehmen.“ Carmen Schaper vom Kargah e.V. beklagte, die Kriminalisierung von Geflüchteten werde in Gesetze gegossen: „Demokratie verteidigt man nicht, indem man sich von denen treiben lässt, die sie abschaffen wollen.“
Kontchou Dassi und Fabienne Pasqua von IIK verwiesen darauf, dass die migrationspolitische Debatte grundsätzlich falsch läuft: „Migration ist keine Störung, sondern eine Tatsache, die gestaltet werden kann. Wir fordern eine Gesellschaft der Gleichberechtigung und wünschen uns eine Gesellschaft der Gleichen.“ Thomas Bollmann, Aktivist aus Gifhorn (Aktion „Shame“), verwies auf das Sterben an den EU-Grenzen. Die Städte Gifhorn, Wolfsburg, und Braunschweig haben eine Patenschaft für ein Seenotrettungsschiff übernommen, aber Hannover verweigere sich mit vorgeschobener Begründung. „Hannover soll zumindest eine symbolische Schiffspatenschaft übernehmen.“
Thomas Uhlen (CDU) beklagte: „Wir schaffen das – nicht, solange Menschlichkeit hinter Bürokratie zurücksteht. Wir schaffen das, wenn wir einen gemeinsamen Konsens wieder in unserer Gesellschaft finden darüber, was das „Wir“, „Was“ und auch, was das „Wer“ ist, und dass das „Warum“ eine gemeinsame Antwort hat: Weil Menschenrechte unteilbar sind.“ Kritisch merkte er an: „Wir schaffen das heißt, dass es auch meine Aufgabe ist, den Rücken gerade zu machen und zu sagen: Wadephul hat Recht, wenn er für Zurückhaltung bei Abschiebungen nach Syrien plädiert.“
Djenabou Diallo Hartmann (Grüne) betonte die Ablehnung des geplanten europäischen Asylsystems durch die niedersächsischen Grünen: „Die GEAS Reform ist eine Entrechtung.“ Migration werde es immer geben. „Die Frage ist, wie kriegen wir Migration gestaltet.“
Marianne Esders (Linke) kritisierte die von der Bundesregierung eingeleitete „Neuordnung der Migrationspolitik“ als einen „Ablasshandel – als wären Menschen Strichlisten, als hätten sie keine Gesichter, keine Geschichten, und keinen verdammten Grund, hierherzukommen und um Schutz zu bitten“. Wer Grundrechte einschränke, schwäche unsere Demokratie.
Dörte Liebetruth (SPD) betonte die Bedeutung des Grundgesetzes, das die Würde des Menschen zur Leitlinie erklärt. Überall werde versucht, Menschen gegeneinander auszuspielen. „Lassen sie uns gemeinsam kämpfen, dass wir die Erfolgsgeschichte des Grundgesetzes fortschreiben können.“
Hans Joachim Lenke vom Diakonischen Werk zeigte sich beeindruckt vom deutschen Außenminister Wadephul, der unter dem Eindruck des Besuchs in Syrien sagte, da könne man noch nicht leben. Ihm sei schleierhaft, warum der Minister deswegen angefeindet würde. Das Eintreten für Menschenrechte sei gerade in solchen Situationen gefragt. „Wenn es darum geht, Menschenrechte konkret umzusetzen, rutschen wir nach rechts.“
Sven Quittkat vom Netzwerk Asyl in der Kirche erinnerte an die Weihnachtsgeschichte. Auch Maria und Josef seien Flüchtlinge gewesen. Nicht sicher sei, ob sie nach heutigen Maßstäben Schutz in Deutschland gefunden hätten. Die Kirche müsse dies auch als Auftrag verstehen und bedrohten Schutzsuchenden beizustehen. „Es ist sehr einfach, am grünen Tisch über Asylrückführungen zu entscheiden, aber wenn ein Zufluchtsuchender Mensch vor dir steht und du ihm ins Gesicht schaust, ändert sich alles.“
Ayfer von Nav-Dem Hannover beklagte die Verfolgung, die Kurd*innen auch in Deutschland erfahren würden. „Solange die kurdische Identität kriminalisiert wird, kann es keine Freiheit geben. Kämpfen wir gemeinsam für eine Welt, in der die Menschenrechte weltweit gelten,“ Dildar Shingaly vom Verband der êzîdîschen Studierenden verwies auf die akute Gefahr der Abschiebung für viele Êzîd*innen: „Wir sind vor dem IS geflohen und jetzt von Abschiebung in den Irak bedroht. Wir haben einen Völkermord erlebt, trotzdem sollen wir abgeschoben werden.“
Zum Abschluss dankte Sebastian Wertmüller allen Redner*innen und Teilnehmer*innen:
„Auf Euch alle setzen wir. Wir sind mehr, als wir manchmal glauben. Gemeinsam mit Euch werden wir Wege finden – gegen die Rohheit und die Ausgrenzung, für Solidarität und ein Zusammenleben, das die Schwächsten schützt und ihnen hilft, statt sie abzuweisen und abzuschieben.“
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