Am Donnerstag, 27.11., wurden drei junge Êzîden aus Niedersachsen in den Irak abgeschoben.
„Die Abschiebungen sind ein verheerendes Signal an alle Êzîd*innen in Niedersachsen. Bisher sind wir davon ausgegangen, dass Êzîd*innen, die sich nichts zuschulden kommen lassen haben und in die Lebensverhältnisse in Deutschland einfügen, mindestens in Niedersachsen vor Abschiebungen in den Irak sicher sind. Diese Annahme hat sich als offensichtlich trügerisch erwiesen“, sagt Sigmar Walbrecht von Flüchtlingsrat Niedersachsen.
Nach den dem Flüchtlingsrat bekannten Fakten waren zwei der Abgeschobenen vollkommen unbescholten und im Begriff, sich in Deutschland ein Leben aufzubauen. Einer der jungen Männer sollte im Februar 2026 eine Ausbildung zum Friseur beginnen. Trotzdem wurde ein Antrag an die Härtefallkommission nicht zur Beratung angenommen. Stattdessen muss er nun als Angehöriger einer Minderheit, an der im Jahre 2014 der sog. Islamischen Staat einen grausamen Genozid begangen hatte, im Irak elende Lebensbedingungen und Verfolgung durch Islamisten fürchten.
Nach langen Protesten im Frühjahr u.a. mit einem Camp vor dem Landtag hatte Innenministerin Behrens Hoffnung gemacht, dass zumindest Êzîd*innen, die nicht schwer straffällig geworden sind, aus Niedersachsen bis auf weiteres keine Abschiebungen zu befürchten haben und stattdessen Aufenthaltsperspektiven für sie – ggf. über Eingaben an die Härtefallkommission – gefunden werden. Diese Hoffnung hat sich mit den gestrigen Abschiebungen jäh zerschlagen. Sigmar Walbrecht:
„Die tatsächliche Bedrohungslage ist für die Minderheit der Êzîd*innen im Irak nach wie vor gravierend. Darüber hinaus ist den oftmals traumatisierten êzîdîschen Familien, die den Terror des IS selbst erlebt, zumindest aber Todes- und Folteropfer in ihren Familien zu betrauern haben, eine Rückkehr in den Irak nicht zumutbar. Humanitäre Belange scheinen im Umgang mit Geflüchteten keine Rolle mehr zu spielen. Die Zahl der Abschiebungen hochzutreiben, scheint weiterhin das wichtigste Ziel in der Asyl- und Flüchtlingspolitik zu sein.“
Organisationen wie Human Rights Watch verweisen auf die ohnehin schon prekäre Lage der Êzîd*innen im Irak, die sich aufgrund der angekündigten Camp-Schließungen zu einer humanitären Katastrophe ausweiten wird. Zudem wird ein Wiedererstarken des IS in der Region beobachtet, der erneute Angriffe auf Êzîd*innen befürchten lässt.
„Was ist ein Bundestagsbeschluss, der einen Genozid an den Êzîd*innen anerkennt, letztlich wert, wenn er sich nicht in asylpolitischen Entscheidungen ausdrückt? Wir brauchen einen bundesweiten Abschiebungsstopp in den Irak! Wir dürfen Menschenrechte nicht einer populistischen Politik opfern“, fordert Sigmar Walbrecht.
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