Mit dem heute veröffentlichten Positionspapier „Keine Sicherheit in Syrien“ zeigt PRO ASYL auf, wie prekär und instabil die Lage in dem Land ist. Wer dennoch syrische Menschen zur Ausreise drängen oder gar abschieben will, verkennt die menschenrechtlichen und völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands. Die Bundesregierung muss einen bundesweiten Abschiebestopp nach Syrien erlassen und den von dort geflohenen Menschen in Deutschland Sicherheit bieten.
„14 Jahre Krieg, zerstörte Infrastrukturen, humanitäre Not und fehlende Sicherheit. Und Unionspolitikern fällt wieder einmal nichts anderes ein, als Abschiebungen zu fordern. Damit stoßen sie Hunderttausende vor den Kopf, die sich längst unserer Gesellschaft zugehörig fühlen“, sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL. „Anstatt diese realitätsfernen Debatten zu führen, sollte die Bundesregierung darüber sprechen, wie Deutschland den Aufbau einer Demokratie und den Wiederaufbau Syriens unterstützen kann“, führt Alaows weiter aus.
Katastrophale humanitäre Not
Die humanitäre Lage ist nach 14 Jahren Krieg und internationalen Sanktionen katastrophal. Mehr als 16 Millionen Menschen sind 2025 auf humanitäre Hilfe angewiesen, an vielen Orten ist die Gesundheitsversorgung zusammengebrochen. Millionen Kinder leiden unter Hunger und Krankheiten und können keine Schulen besuchen. Hinzu kommen die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten und eine massiv geschwächte Landwirtschaft.
Syrien hat Millionen von Binnenvertriebenen. Allein in der Region as-Suwaida sind seit den Angriffen im Juli 2025 mehr als 187.000 Menschen vertrieben worden. In vielen Regionen haben Blockaden und die gezielte Unterbindung humanitärer Hilfe dazu geführt, dass selbst grundlegende Güter wie Wasser, Medikamente und Strom fehlen.
Etliche Häuser sind wegen Jahre zurückliegender Bombardements durch das Assad-Regime oder wegen Bombardierungen und Angriffen unter der Übergangsregierung zerstört. Die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Inflation verstärken die Armut in der Bevölkerung.
Kein Schutz vor Angriffen und Gewaltexzessen
Weder die Übergangsregierung unter Ahmed al-Scharaa noch lokale Sicherheitskräfte sind in der Lage oder gewillt, Minderheiten und andere vulnerable Gruppen in dem Land zu schützen. Die Massaker an Alawit*innen im März 2025 und an Drus*innen im Juli 2025 in der Provinz as-Suwaida sind besonders brutale Beispiele für Angriffe auf die Zivilbevölkerung – und zwar nicht allein durch islamistische HTS-Milizen und ausländische Söldnern, sondern auch durch aktive Beteiligung staatlicher Kräfte (Amnesty International im September 2025 und UN-Syrien-Kommission im August 2025). Auch Christ*innen, Kurd*innen und Angehörige der LGTBIQ+-Community sind oft ungeschützt Angriffen ausgesetzt. Dabei sind laut UN-Expert*innen sowie Amnesty International insbesondere Frauen von Vergewaltigungen, Entführungen und Verschleppungen betroffen.
Selbst Angehörige der syrischen Mehrheitsgesellschaft erleiden Repressionen, wenn ihnen zum Beispiel „falsche Verhaltensweisen“ wie angebliche „Gotteslästerung“ vorgeworfen werden. Eine der größten Gefahren für alle Menschen in dem Land sind die zahlreichen Waffen, die im Umlauf sind. Wie in einem Pulverfass kann eine kleine Auseinandersetzung schnell zu einem gewaltvollen Konflikt eskalieren.
Bereits im Dezember 2024 forderte der UNHCR die Staatengemeinschaft auf, angesichts der humanitären und wirtschaftlichen Not, der massiven Zerstörungen und der politisch unsicheren Lage in dem Land syrische Staatsangehörige nicht zur Rückkehr in ihr Land zu zwingen.
Auszüge der Forderungen aus dem Positionspapier:
PRO ASYL fordert unter anderem von der deutschen Bundesregierung:
- Bundesweiter Abschiebestopp nach Syrien, denn Rückführungen in ein Land, in dem Menschen schweren Menschenrechtsverletzungen und Verelendung ausgesetzt sind, verstoßen gegen das Völkerrecht.
 - Zeitnahe Anerkennung der Asylanträge, wenn Bedrohung oder Verfolgung klar erkennbar sind (zum Beispiel bei Angehörigen ethnischer, religiöser oder anderer vulnerablen Gruppen). Entscheidungsstopp aller anderen Asylanträge, solange die Situation in Syrien unberechenbar ist.
 - Wiederaufnahme des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten und Beschleunigung des Familiennachzugs zu in Deutschland anerkannten Flüchtlingen aus Syrien. Familien gehören zusammen, immer und erst recht, wenn im Herkunftsland kein sicheres Leben möglich ist.
 - Humanitäre Aufnahmeprogramme für besonders gefährdete Personen.
 - Heimatreisen dürfen nicht zum Widerruf des Schutzstatus führen, denn wer sich kurz in Syrien aufhält, um die dortige Lage zu sondieren, erfüllt keinen Widerrufsgrund.
 
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