Zehn Jahre nach dem Völkermord: Flüchtlingsrat fordert Schutz für Jesid*innen

Am 3. August jährt sich der Völkermord an den Jesid*innen im Nordirak zum zehnten Mal. Zu diesem Anlass fordert der Flüchtlingsrat die niedersächsische Landesregierung auf, die Abschiebungen aller Jesid*innen auszusetzen. Den Überlebenden des vom Bundestag anerkannten Völkermordes muss Schutz geboten werden.

Ein kürzlich erschienenes Gutachten zeigt: Die Lage der Jesid*innen im Irak ist düster – und wird es absehbar bleiben. In ihrer Herkunftsregion Sinjar kämpfen staatliche und nichtstaatliche Akteure rücksichtslos um Macht und Einfluss. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Stand April 2024) bestätigt, dass „die Zukunftsperspektiven in Sinjar angesichts herausfordernder Lebensbedingungen, der Präsenz von nicht-staatlichen Milizen sowie einer mangelnden Umsetzung des sog. Sinjar-Abkommens schwierig“ bleiben.

Ungeachtet dessen ist Niedersachsen weiterhin gewillt, volljährige, männliche Jesid:innen in diese prekäre Sicherheitslage abzuschieben und sie dort ihrem perspektivlosen Schicksal zu überlassen. Zwar hat das niedersächsische Innenministerium im Juni dieses Jahres einen Abschiebungsstopp in den Irak erlassen; dieser beschränkt sich jedoch ausschließlich auf weibliche und minderjährige Jesid:innen. Zudem endet der Abschiebungsstopp bereits am 02. September 2024 und kann lediglich einmal um weitere drei Monate verlängert werden.

Aus Sicht des Flüchtlingsrat Niedersachsen ist der Abschiebungsstopp des Innenministeriums daher ungenügend.

Muzaffer Öztürkyilmaz, Geschäftsführung, Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.

Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Innenministerium meint, volljährige, männliche Jesiden seien im Irak nicht gefährdet und dürften deshalb guten Gewissens abgeschoben werden. Zumal männliche Jesiden laut dem aktuellen Länderreport des BAMF im Hinblick auf Tötungen das Hauptziel des IS waren. Es ist und bleibt unverantwortlich, jesidische Männer in ein Land abzuschieben, in dem sie keine Lebensgrundlage haben und ihre Sicherheit fundamental bedroht ist. Daher fordern wir, dass die Landesregierung Abschiebungen von Jesid:innen ausnahmslos aussetzt und für einen bundesweiten Abschiebungsstopp für alle Jesid:innen eintritt.“

Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen im Irak ist ein Abschiebestopp längst überfällig: Die Lage für Jesid*innen hat sich in den letzten Wochen verschärft. Nach dem Willen der irakischen Regierung sollen Zehntausende Jesid*innen die Flüchtlingslager im Nordirak verlassen – ohne, dass es einen sicheren Ort für sie gibt. Konkret bedeutet das: Genau zehn Jahre nach dem Beginn des Völkermords durch den IS stehen die Jesid*innen im Irak vor einer völlig ungewissen Zukunft. Es ist unklar, ob die Lager ab August noch eine Grundversorgung erhalten, ob die Schulen in den Camps nach den Sommerferien wieder öffnen werden.

Der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes betont, dass die geplante Schließung der Flüchtlingslager in der kurdischen Autonomieregion sogar mit einer noch schlechteren Versorgung einherginge und die Situation für Jesid*innen zusätzlichen verschärfen würde. Auch eine innerirakische Fluchtalternative gibt es nicht, denn die jesidischen Familie sind auf die lebenswichtige Gemeinschaft und deren Schutz angewiesen.

Dem Flüchtlingsrat ist es ein großes Anliegen, anlässlich des traurigen Jahrestages an die Opfer des Völkermordes, an die Tausenden Männer, Frauen und Kinder zu erinnern, die vor zehn Jahren ermordet, verschleppt und vergewaltigt wurden. Den überlebenden Familienangehörigen, Freund*innen und Bekannten möchte der Flüchtlingsrat sein tiefstes Mitgefühl und seine Solidarität ausdrücken, auch, indem er die Gedenkkundgebungen, die an mehreren Orten in Niedersachsen (u.a. in Oldenburg und Hannover) am 3. August stattfinden, ausdrücklich unterstützt.

Kontakt

Flüchtlingsrat Niedersachsen
Muzaffer Öztürkyilmaz
0511 – 98 24 60 38
moy(at)nds-fluerat.org, nds(at)nds-fluerat.org

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