Überfall im Morgengrauen: Landkreis Hildesheim schiebt kurdische Yeziden nach Syrien ab

Demonstration am 07. Februar 2011 ab Bahnhofsvorplatz Hildesheim zum Kreishaus

Wieder einmal hat der Landkreis Hildesheim eine Abschiebung unter Inkaufnahme einer Familientrennung ohne vorherige Ankündigung überfallartig durchgeführt: Am Morgen des 1. Februar rückte eine Polizeistaffel mit Hunden an, umstellte das Haus der seit mehr als 10 Jahren in Deutschland lebenden, kurdisch-yezidischen Flüchtlingsfamilie Naso aus Giesen und nahm den 62-jährigen Vater Badir Naso, seine Ehefrau Bashe Hasso sowie den 15-jährigen Sohn Anuar fest. Zurück blieb die die 18-jährige Tochter Schanas, die mit ihren Eltern und ihrem Bruder die Wohnung teilte. Weitere sieben erwachsene Geschwister leben mit ihren Familien in Deutschland.

Auch nachdem die Ehefrau einen Schwächeanfall erlitt und ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, brach der Landkreis Hildesheim die Abschiebung nicht ab. Vater und Sohn wurden gegen 16 Uhr nach Syrien abgeschoben und befinden sich nach Aussagen der Familie dort in Haft.

Das Vorgehen des Landkreises Hildesheim, dessen Landrat nach der Abschiebung von Gazale Salame öffentlich versprochen hatte, keine Abschiebungen mehr unter Inkaufnahme von Familientrennungen durchzuführen, ist in jeder Hinsicht empörend:

  1. Was veranlasste den Landkreis, die Abschiebung hinter dem Rücken der Familie ohne jede Ankündigung des Termins durchzuführen? Es ist unmenschlich, Menschen auf diese Weise abzuschieben, ohne ihnen die Gelegenheit zu geben, sich darauf vorzubereiten und sich von Freunden und Verwandten zu verabschieden, ggfs. auch eine Klage dagegen einzulegen.
  2. Warum brach der Landkreis die Abschiebung nicht ab, nachdem die Ehefrau zusammenbrach und absehbar war, dass sie nicht abgeschoben werden konnte? Was ist das Versprechen des Landrats wert, keine Abschiebungen unter Inkaufnahme von Familientrennungen mehr durchzuführen?
  3. Warum hat der Landkreis den Betroffenen keine Gelegenheit gegeben, zur Frage der Integrationsperspektiven des 15-jährigen Sohns selbst Stellung zu beziehen? Es ist perfide und bösartig, sich von der Schule Einschätzungen über Kopfnoten („faul“, „wenig Arbeitseinsatz“, „andere Interessen“) einzuholen und damit mangelnde Integrationsperspektiven zu begründen, obwohl Anuar bislang problemlos in der Hauptschule mitkommt und seine Versetzung nicht gefährdet war. Der vom Land verhängte Abschiebungsstopp für Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren hätte zur Aussetzung der Abschiebung der gesamten Familie führen müssen (siehe hier sowie hier).

Syrien ist ein Folterstaat, der berüchtigt ist für seine willkürliche und unberechenbare Machtausübung. Mehrere Flüchtlinge wurden nach ihrer Abschiebung in Syrien verfolgt und inhaftiert (siehe hier). Es ist zu befürchten, dass auch Herr Naso und sein Sohn, die noch immer nicht freigelassen wurden, vom syrischen Geheimdienst verhört und misshandelt werden.

Wir fordern den Landrat auf, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um eine Freilassung und Rückkehr von Badir Naso und seinem Sohn Anuar zu ihrer Familie nach Giesen zu ermöglichen. Für diese Forderung werden wir am kommenden Montag, 11 Uhr auf die Straße gehen. Demonstrationsbeginn ist 11 Uhr vom Bahnhofsvorplatz in Hildesheim

gez. Kai Weber

Bitte schreiben Sie an dieser Stelle nur allgemeine Kommentare.
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...

Schreibe einen Kommentar

Jetzt spenden und unsere Arbeit unterstützen!