Gedenken an Mamadou Alpha Diallo

Gemeinsame Presseinformation von Flüchtlingsrat Niedersachsen, Betroffenenberatung Niedersachsen und Mobiler Beratung gegen Rechtsextremismus für Demokratie, 19. Juni 2021

Mamadou Alpha Diallo starb vor einem Jahr nach einem Polizeieinsatz im Emsland
Ausmaß rechter Online-Hetze im Nachgang des Todes ist erschreckend

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen, die Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt Niedersachsen und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus für Demokratie gedenken des Todestages von Mamadou Alpha Diallo. Der 23-jährige Guineer aus Twist (Landkreis Emsland) starb in der Nacht auf den 19. Juni 2020 im Krankenhaus, nachdem am Vortag der Schuss eines Polizisten bei einem Einsatz seinen Körper getroffen hatte. Ein Ermittlungsverfahren gegen die Polizei wegen fahrlässiger Tötung wurde nach zwei Monaten von der Staatsanwaltschaft Osnabrück eingestellt. 

Aus Anlass des Gedenkens fordern der Flüchtlingsrat Niedersachsen, die Betroffenenberatung Niedersachsen und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus für Demokratie weiterhin eine kritische Reflexion von Polizeieinsätzen und einen offenen Dialog über das Geschehene. Außerdem fordern die drei Verbände eine Verbesserung der psychosozialen Versorgung für Geflüchtete im ländlichen Raum. Angesichts der massiven rechten Online-Hetze nach dem tragischen Tod fordern die Verbände klare Kante gegen Rechts. Rechter Hetze muss überall und entschieden widersprochen werden.

Sebastian Rose, Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.:

„Der Tod des jungen Geflüchteten nach einem Polizeieinsatz macht uns betroffen. Mamadou Diallo war psychisch vorbelastet. Wir wollen, dass Maßnahmen ergriffen werden, damit Polizeieinsätze in solchen Fällen nicht mehr tödlich enden. Dafür braucht es auch eine bessere psychosoziale Versorgung im ländlichen Raum, damit Geflüchtete frühzeitig unterstützt werden können, wenn es ihnen nicht gut geht. Auch die Polizei sollte bei solchen Einsätzen psychologischen Sachverstand  hinzuziehen.“

Ein Jahr nach dem Tod von Mamadou Diallo erinnern wir zudem an die rassistische Social Media-Hetze parallel zu einer Demonstration Schwarzer Menschen vor dem Polizeikommissariat in Meppen. Die Demonstration war im Juni 2020 direkt nach dem Tod von Mamadou Diallo organisiert worden und hatte sich gegen gegen Rassismus und Polizeigewalt gerichtet. In Reaktion darauf artikulierte sich unverhohlene rassistische Hetze im Netz, die zu zahlreichen Strafverfahren führte.

Ambachew A. Anjulo, Betroffenenberatung Nordwest Niedersachsen:

„Das Ausmaß der Online-Hetze anlässlich einer Demonstration Schwarzer Menschen in Meppen macht deutlich, welche Verrohung mittlerweile eingetreten ist. Manche Menschen sprechen Schwarzen Menschen unverhohlen und mit Klarnamen das Lebensrecht ab. Wir begrüßen, dass die Staatsanwaltschaft und die Gerichte in Meppen und Osnabrück hier klare Urteile gesprochen haben und mehrere Menschen wegen Volksverhetzung verurteilt haben.“

Maria Wöhr, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus für Demokratie Nord/West :

„Eine engagierte und demokratische Zivilgesellschaft ist unerlässlich, um Rassismus entschieden entgegenzutreten, egal ob er online oder auf der Straße verbreitet wird. Durch rassistische Online-Hetze werden Engagierte massiv bedroht und eingeschüchtert. Wir unterstützen alle, die sich trotz Anfeindungen sichtbar gegen Rassismus und für eine demokratische Kultur einsetzen.“

Eine 63-jährige Twisterin hat das Amtsgericht Meppen im November 2020 zu drei Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung, und einer Geldstrafe wegen Volksverhetzung verurteilt. Sie hatte auf Facebook volksverhetzende Nachrichten über den Polizeieinsatz in Meppen geschrieben. Sie kommentierte laut Neuer Osnabrücker Zeitung sinngemäß, „dass es schon den Richtigen getroffen habe und man solle sie alle abknallen.“

Ein 49-jähriger Mann aus Geeste ist im Februar 2021 ebenfalls vom Amtsgericht Meppen wegen Volksverhetzung zu 100 Tagessätzen zu je 65 Euro verurteilt worden.

„Die Demonstrierenden, überwiegend Menschen mit dunkler Hautfarbe, bezeichnete dieser nachweisbar mit „Dreckshaufen“, und ausländische Asylbewerber mit „einen Haufen aus Schmutz und Abfällen“. Sein Kommentar endete mit „Heil Merkel“.“
Afrikaner als „Dreck“ bezeichnet: Geester wegen Volksverhetzung verurteilt, in: Neue Osnabrücker Zeitung vom 20. Februar 2021

Die Staatsanwältin machte in dem Verfahren deutlich, dass der Mann die Betroffenen damit als minderwertig hingestellt und ihnen damit das Lebensrecht in der Gemeinschaft abgesprochen habe. „Meinungsfreiheit ist nicht schrankenlos in Deutschland und hört eindeutig an dem Punkt auf, wo man in den Kernbereich der Grundrechte und der Menschenwürde anderer Personen eingreift“, so begründete der Richter des Amtsgerichts das Urteil.

„Menschen als „Dreck“ zu bezeichnen, sei vor diesem Hintergrund das Widerwärtigste, was man machen könne, so der Richter weiter. Das habe es in Deutschland schon einmal gegeben, dass ganzen Menschengruppen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe die Menschenwürde aberkannt worden sei. Sowas wollen wir nicht mehr, das hat der Gesetzgeber so festgelegt und unter Strafe gestellt. Sie haben mit ihren Kommentaren angestachelt und aufgewiegelt“, begründete der Strafrichter sein Urteil.“
Afrikaner als „Dreck“ bezeichnet: Geester wegen Volksverhetzung verurteilt, in: Neue Osnabrücker Zeitung vom 20. Februar 2021

Der Mann zeigte sich uneinsichtig und legte Berufung ein, die jedoch vor wenigen Tagen vom Landgericht Osnabrück zurückgewiesen worden ist.

Kontakt

Flüchtlingsrat Niedersachsen
Sebastian Rose, Tel. 0511 98 24 60 34, sr(at)nds-fluerat.org, nds(at)nds-fluerat.org

Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt Nord-West Niedersachsen
Tel.: 0541 380699-23, nordwest(at)betroffenenberatung.de

Mobile Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus und Demokratie Niedersachsen Nord/West:
Maria Wöhr, Tel.  0157 3288 3589, nordwest(at)mbt-niedersachsen.de

Medienberichte

Wegen Volksverhetzung verurteilt. Geester benutzt rechtsradikales Vokabular: Heil Merkel, in: Neue Osnabrücker Zeitung vom 15. Juni 2021

Keine Einsicht vor Amtsgericht Meppen. Afrikaner als „Dreck“ bezeichnet: Geester wegen Volksverhetzung verurteilt, in: Neue Osnabrücker Zeitung vom 20. Februar 2021

Anwalt legt Einspruch ein. Twisterin wegen Volksverhetzung zu drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, in Neue Osnabrücker Zeitung vom 19. November 2020

24 Todesfälle in Gewahrsam: Wie fahrlässig handelte die Polizei, in taz vom 17. Juli 2020

Schuss auf dem Twist: Obduktionsergebnis steht fest. Polizei ermittelt gegen Facebook-Nutzer nach Demonstration in Meppen, in: Neue Osnabrücker Zeitung vom 22. Juni 2020

Hintergrund

Flüchtlingsrat Niedersachsen, Tod eines schutzsuchenden Guineers nach einem Polizeieinsatz im Landkreis Emsland, Beitrag vom 25. Juni 2020

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2 Gedanken zu „Gedenken an Mamadou Alpha Diallo“

  1. Leider haben Sie vergessen, auch unangenehme Wahrheiten zu erwähnen: Diallo war wegen Gewaltdelikten bereits vorbestraft und er hat, zuerst in einer Arztpraxis, dann im Wohnhaus, mit einem Messer hantiert und das in einer Weise, dass sich Menschen bedroht fühlten und die Polizei riefen. Auf die Polizeibeamten ist er dann mit dem Messer zugegangen und hat die Aufforderung ignoriert, dieses fallen zu lassen. Ein Polizist schoss ihm darauf hin in den Oberschenkel. An dieser Schussverletzung starb er schließlich, was aber sicherlich nicht beabsichtigt war. Der Polizist handelte in anerkannter Notwehr!
    Es ist furchtbar, wenn sich Menschen dann im Internet hasserfüllt gegen Asylbewerber, insbesondere mit dunkler Hautfarbe, äussern….es ist aber auch nicht richtig, ihnen einen Heiligenschein aufzusetzen, auf vermeindlich psychische Störungen hinzuweisen und der Polizei die Schuld am Tode Diallos zu geben. Den Grund, warum er angeschossen wurde, hat er selbst durch sein agressives und bedrohliches Verhalten verursacht. Es ist immer besser und ehrlicher die gesamte Wahrheit mitzuteilen, wenn man die Akzeptanz und Wertschätzung nicht verlieren will…..

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