Mit ihrem Antrag „Menschenwürdige Unterbringung an den europäischen Außengrenzen und faire Asylverfahren sicherstellen“ haben die Bündnisgrünen eine umfassende und saubere Analyse der Rahmenbedingungen an den Außengrenzen vorgelegt. Schon die Überschrift signalisiert und bestätigt allerdings die schon vor mehr als einem Jahr erfolgte Abkehr von einer grundsätzlichen Ablehnung jeglicher vorverlagerter Kontrollen an den Außengrenzen: Im Prinzip erklären sich die Grünen mit dem Hotspot-System einverstanden, freilich unter veränderten Bedingungen: Unter Nr. 14 fordern die Grünen den Bundestag auf, sich für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem einzusetzen,
- das nach einer kurzen Ankunfts- und Registrierungsphase an den Außengrenzen alle Asylsuchenden auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt, wo anschließend im jeweiligen Land das Asylverfahren durchgeführt wird;
- das einen verbindlichen, alle EU-Mitgliedstaaten umfassenden Verteilmechanismus entlang u.a. der Kriterien Bevölkerungszahl und Bruttoinlandsprodukt beinhaltet, sollten nicht genügend freiwillige Aufnahmeplätze zur Verfügung stehen;
- das positive Anreize in Form von finanziellen Zuschüssen für aufnehmende Kommunen durch einen eigenen EU-Fonds schafft, aus dem kommunale und zivilgesellschaftliche Akteur*innen direkt unterstützt werden können;
Hier wird nicht die Abschaffung des Hotspot-System gefordert, sondern seine Reform: Ungeachtet der eklatanten Unterschiede hinsichtlich der Aufnahmebedingungen wie auch der Schutzquoten in Europa propagieren auch die Grünen damit ein Konzept, das Geflüchtete an den europäischen Grenzen zunächst festhält und Aufnahmekapazitäten und Grenzcamps erforderlich macht, um sie anschließend einem Aufnahmestaat zuzuweisen. Nicht der Wunsch der Geflüchteten, sondern die (durch Finanzzuschüsse ggfs. zusätzlich motivierte) Aufnahmebereitschaft der Mitgliedstaaten und im Übrigen ein dem Königsteiner Schlüssel nachempfundener Verteilmechanismus soll darüber entscheiden, in welches Land ein Flüchtling verteilt wird, wobei die Grünen humanitäre Gründe und Familienbindungen beachten wollen. Das Recht auf Asyl impliziert jedoch zuallererst das Recht auf einen freien und unreglementierten Zugang zum Asylverfahren. Dieser Zugang wird immer weiter beschränkt und verbaut. Ein wichtiges Instrument dieser Zugangsbeschränkung ist die Einrichtung von HotSpots an den europäischen Außengrenzen.
Die Sehnsucht nach einer „Steuerung der Fluchtmigration“ reicht weit in das rotgrüne Milieu hinein und hat nach 2015 erheblich an Zustimmung gewonnen. Auch wir müssen uns die Frage stellen, ob wir mit unserem Kampf um (begrenzte) Aufnahmekontingente indirekt und unfreiwillig einer solchen Politik der „gesteuerten Fluchtmigration“ Vorschub geleistet haben und leisten: Der Antrag der Bündnisgrünen greift in weiten Teilen die Forderungen vom Seegruppen, Flüchtlingsräten pp. hinsichtlich humanitärer Flüchtlingsaufnahme, Resettlement, Familiennachzug pp. auf. Auf der Strecke bleibt allerdings die grundsätzliche Kritik am System der HotSpots.
Dass es zu einer schnellen und verbindlichen Verteilung von Geflüchteten aus den Hotspots in die Aufnahmeländer auch zukünftig nicht kommen wird, dürfte nach den Erfahrungen der letzten fünf Jahre schon jetzt ziemlich klar sein: Auch mit Geld und guten Worten werden sich eine Reihe von Staaten zu einer Aufnahme nicht bereit finden. Die Grünen lehnen zwar ein Schnellverfahren an den europäischen Außengrenzen ab und wollen ein Asylverfahren im nationalen Verfahren des aufnehmenden Landes ermöglichen. Aber sie wissen natürlich, dass sich dies nicht umsetzen lässt: Wenn schon die Verteilung begrenzter kleiner Kontingente innerhalb Europas nicht klappt, um wieviel chancenloser ist da die Vorstellung eines Verteilmechanismus für Hunderttausende Asylsuchende in Europa. Nach Auffassung von Flüchtlingsorganisationen ist ein solches Modell der gesteuerten Verteilung von Geflüchteten im Rahmen der Dublin III – Verordnung als gescheitert anzusehen. Initiativen fordern stattdessen die Gewährung von Ausgleichszahlungen an Staaten mit hohen Aufnahmezahlen. Die von den Bündnisgrünen in ihrem Antrag vorgenommene, schonungslose Analyse des Grenzregimes an den europäischen Außengrenzen sollte zu der aus menschenrechtlicher Sicht einig möglichen Konsequenz führen: Wir brachen kein schöneres Hotspot-System, sondern seine Abschaffung!
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