Flüchtlingsrat fordert Aufnahme von Geflüchteten aus Lipa

Appell an Ministerpräsident Weil und Innenminister Pistorius

Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert die Aufnahme Geflüchteter aus dem niedergebrannten Lager Lipa in Bosnien

42 Städte, Landkreise und Gemeinden in Niedersachsen haben sich zu Sicheren Häfen erklärt

In Bosnien sind seit dem 23. Dezember rund 900 Geflüchtete in den Ruinen des abgebrannten Camps Lipa bei Bihac dem bosnischen Winter schutzlos ausgeliefert. Vor Silvester war ihre Evakuierung in eine als Notunterkunft geplanten ehemaligen Kaserne südlich von Sarajevo an innerbosnischen Konflikten gescheitert. Darüber hinaus müssen tausende weitere Schutzsuchende im Norden Bosniens bei klirrender Kälte in wilden Camps, Ruinen oder Zelten ausharren. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen appelliert vor diesem Hintergrund an Ministerpräsident Weil und Innenminister Pistorius, umgehend die in Lipa und in den weiteren Camps im Norden Bosniens Hunger und Kälte schutzlos ausgesetzten Geflüchteten in Niedersachsen aufzunehmen und dafür ein entsprechendes Landesaufnahmeprogramm vorzulegen.

Sascha Schießl vom Flüchtlingsrat Niedersachsen:

„Seit Jahren riegelt die EU die kroatisch-bosnische Grenze ab, drängt Schutzsuchende mit Gewalt nach Bosnien zurück und schiebt so die Verantwortung für die Schutzsuchenden auf den ohnehin kaum funktionierenden bosnischen Staat ab. Damit hat die EU die humanitäre Notlage in Lipa und anderen Orten Bosniens überhaupt erst geschaffen. Die europäischen Staaten müssen nun endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und die Schutzsuchenden aufnehmen. Dazu muss auch Niedersachsen seinen Beitrag leisten.“

Allein in Niedersachsen haben sich 42 Städte, Gemeinden und Kommunen zu Sicheren Häfen erklärt, verfügen über Unterbringungskapazitäten und stehen zur Aufnahme bereit. Die Bereitschaft, Geflüchtete aus den Elendslagern an den europäischen Außengrenzen aufzunehmen, ist also enorm. Auch in den Landesunterkünften sind laut dem niedersächsischen Innenministerium derzeit rund 3.000 Aufnahmeplätze ungenutzt. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen erinnert auch daran, dass die allermeisten Menschen, die jetzt in Bosnien gestrandet sind, zuvor Schutzsuchende in Griechenland waren und dort schon von den Behörden sich selbst überlassen worden. Die Balkanroute blieb für die Schutzsuchenden dann der einzige Ausweg.

Als empörend und absolut unzureichend kritisiert Pro Asyl – Geschäftsführer Günter Burkhardt das Nichthandeln der Europäischen Union und der EU-Staaten. „Wir erleben ein Totalversagen der Europäischen Union und der EU-Mitgliedsstaaten. Kroatien prügelt die Schutzsuchenden an der EU-Grenze zurück, die gesamte EU schaut tatenlos zu. Deutschland, Österreich und Italien beraten nun nur über Notfallmaßnahmen vor Ort. Es gibt in Zelten vor den Toren der EU aber keine Chance auf Schutz und Asyl. Die Grenzen müssen geöffnet und die frierenden Menschen innerhalb der EU aufgenommen werden. Die Situation ist eine unmittelbare Folge der illegalen Push Backs und der Mißachtung des EU-Rechts an der Grenze durch Kroatien. Jeder Tag zählt.“

Hintergrund

Am 23, Dezember 2020 hat sich die Internationale Organisation für Migration (IOM), die die meisten Notunterkünfte in dem Land leitet, aus dem Camp Lipa bei Bihac im Norden Bosniens zurückgezogen, weil die Bedingungen völlig unzumutbar waren und das Lager zu keinem Zeitpunkt winterfest war. Von Beginn an fehlten Strom, Heizung und fließendes Wasser. Das Gelände war niemals für eine Unterbringung von Menschen im bosnischen Winter geeignet. Das Camp wurde anschließend von den bosnischen Behörden geräumt, die Schutzsuchenden wurden sich selbst überlassen. Während der Räumung ist das Camp auch noch abgebrannt. Die bosnische Polizei hat in den Tagen danach verhindert, dass die Menschen das Gelände verlassen. Seither wurde um eine alternative Unterbringung der Menschen gerungen. Bei der immer wieder genannten Alternative. das geschlossene IOM-Camp Bira in Bihać wiederzueröffnen, stellt sich die Stadt Bihac quer. Ohnehin haben NGOs das Camp Bira (eine große Lagerhalle) wegen der schlechten Bedingungen immer wieder kritisiert. Seit Anfang diesen Jahres bauen die bosnischen Behörden das Camp Lipa nun erneut auf. Auch dabei ist klar, dass Lipa kein winterfestes Camp werden wird.

Presseberichte

Der Deutschlandfunk sendet heute einen beeindruckenden Bericht über die Gestrandeten im Lager Lipa in der Nähe von Bihac in Bosnien. Dort  verzweifeln die Menschen:
Unerwünscht in Bosnien – Dramatische Lage für Flüchtlinge im Camp Lipa, in: Deutschlandfunk vom 4. Januar 2020

Die EU handelt arrogant und heuchlerisch, in: Süddeutsche Zeitung vom 3. Januar 2020

Hunderte Flüchtlinge schutzlos der Kälte ausgesetzt, in: Der Tagesspiegel vom 1. Januar 2020

19 Busse und kein Plan, in: ARD Wien | Südosteuropa vom 30. Dezember 2020

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4 Gedanken zu „Flüchtlingsrat fordert Aufnahme von Geflüchteten aus Lipa“

  1. Herzlichen Dank für diese Nachrichten aus Niedersachsen! Hoffentlich wird das möglich!
    Wann beginnen wir z. B., faire Preise zu zahlen, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die heute den potenziellen Geflüchteten von morgen die Heimat und die Lebensgrundlagen zerstören?
    Ihnen viel Erfolg!
    Mit einem herzlichen Gruß
    Christine Stankus

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  2. Schon lange verfolge ich die Nachrichten aus Bosnien.
    Es ist unfassbar.
    Ich fühle mich hilflos angesichts der schweigend en EU und Deutschlands.
    Die Menschen auf die deutschen Bundesländer zu verteilen waren ca. 500 pro Bundesland. Oder auf die Willingen Kreise, Städte…..

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  3. es ist so kalt draußen! jedes mal, wenn ich von draußen heimkomme, ins warme, stelle ich mir vor, daß menschen* ständig draußen sein müssen, aktuell in Bosnien im Schnee!, immer in dem grenzbereich Marokko/Ceuta/Melilla, ohne alles, ist schier zum verzweifeln! der sadismus der nazis hinsichtlich des umgangs mit „wertem“ und „un_wertem“ leben ist strukturell eingelassene normalität. es ist einfach unerträglich! es ist genug für alle* da! wir müssen im all-tag und überall weiter druck machen, daß ein gutes leben für alle* möglich ist. ohne ausbeutung, ohne naturzerstörung. und ausgerechnet so viele menschen aus bangladesh sollen derzeit in Bosnien im Schnee überleben müssen! Es ist beschämend! wie lange haben sie wohl für die bekleidungs-überproduktion schuften müssen, die all überall die läden verstopft und hier so dringend gekauft werden soll….. wir haben noch viel zu tun! siehe auch
    http://www.ebi-grundeinkommen.de

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  4. Menschenwürde haben doch auch geflüchtete Menschen!
    Bosnien, wie auch Griechenland und Italien als Randstaaten der EU sind mit dem unglücklichen Dublin – Abkommen total überfordert.
    Ich finde es nicht zu vereinbaren mit den Begriffen : Gemeinsamkeit, Gerechtigkeit, Gleichheite( EU).
    Das Dublin – Abkommen muss ersetzt werden durch einen Verteiler-Schlüssel für alle Staaten der EU nach ihrem jeweiligen Bruttosozialprodukt.
    Herkunfts – Staaten müssen im Rahmen der Zusammenarbeit unterstützt werden, die Lebensqualität ihrer Bevölkerung gerecht zu fördern.
    Keine Rüstungsexporte in Staaten, aus denen Menschen flüchten !!!!!!!!!!!!!

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