Stellungnahme betreffend Forderungen der Jobcentern an Patinnen und Paten

Nachfolgende Hinweise und (Muster für) Stellungnahmen zu den Rückforderungen von Sozialleistungen aufgrund von Verpflichtungserklärungen für syrische Verwandte wurden von Bernd Tobiassen vom Deutschen Roten Kreuz Kreisverband Aurich e.V. – Migrations- und Flüchtlingsberatung – erstellt. Wir sind über diese neuen, qualifizierten Vorlagen und Hinweise hocherfreut und stellen sie nachfolgend zur Verfügung.

Stellungnahme zu Rückforderungen von Sozialleistungen wg. Verpflichtungserklärung für syrische Verwandte

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

anbei übersende ich zwei Stellungnahmen zu den Forderungen von Jobcentern an Personen, die Verpflichtungserklärungen für syrische Verwandte abgegeben haben und jetzt mit Rückforderungen von Sozialleistungen konfrontiert werden. Die Stellungnahmen können als Muster und Argumentationshilfe dienen, wenn Jobcenter Leistungen zurückverlangen.

Viele Personen, die in den Jahren 2013 bis 2015 Verpflichtungserklärungen zur Aufnahme syrischer Verwandter aufgrund der Landesaufnahmeanordnungen vom 30.8.2013, 3.3.2014 und 22.12.2014 abgegeben haben, erhalten zur Zeit Ankündigungen oder Bescheide von Jobcentern, mit denen die Sozialleistungen zurückgefordert werden, die den syrischen Verwandten vom Jobcenter gewährt wurden, nachdem die Verwandten als Flüchtlinge anerkannt wurden und dann Leistungen nach dem SGB II beantragt haben.

Die nachziehenden Verwandten erhielten nach der Einreise zunächst eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Stellten die nachgezogenen Verwandten dann einen Asylantrag und wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Flüchtlinge anerkannt, erhielten sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Nach der damaligen Rechtslage nach § 68 AufenthG galten Verpflichtungserklärungen „bis zur Beendigung des Aufenthalts des Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“. Zum damaligen Zeitpunkt bestand die Auffassung, dass mit dem Wechsel von einer Aufent­haltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 zu einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG nicht nur eine andere Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, sondern diese auch den Wechsel des Aufenthaltszwecks begründete.

Die Verpflichtungsgeber sind deshalb davon ausgegangen, dass ihre Verpflichtung endet, wenn die nachgezogenen Verwandten als Flüchtling anerkannt werden und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG bekommen. Das ergibt sich auch aus einigen Erlassen des Niedersächsischen Innenministeriums, auf die ich mich in meinen Stellungnahmen stütze. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch in einem Urteil vom 26.1.2017 (BVerwG 1 C 10.16) entschieden, dass mit der Erteilung einer Aufent­haltserlaubnis aufgrund einer Flücht­lings­anerkennung kein Wechsel des Aufenthaltszwecks ent­standen ist, so dass die aus der Verpflichtungserklärung bestehende Unterhaltspflicht weiter fortbesteht. Darauf stützen sich die Jobcenter und fordern deshalb von den Verpflichtungsgebern die Sozialleistungen zurück, die den syrischen Verwandten nach ihrer Flüchtlingsanerkennung gewährt wurden.

Die Rechtslage ist weiterhin strittig, es gibt auch Entscheidungen von Verwaltungsgerichten, die die Rückforderungen als rechtswidrig ansehen.

Es ist auf jeden Fall sinnvoll, sich gegen Rückforderungen zu wehren. Am besten ist es natürlich, wenn man bereits auf die Ankündigung von Rückforderungen reagiert und dazu gegenüber dem Jobcenter Stellung nimmt. Ist bereits ein Erstattungsbescheid des Jobcenters ergangen, bleibt nur noch eine Klage beim Verwaltungsgericht.

Ich habe zwei Stellungnahmen beigefügt, die wir für die Anhörungen zu den beabsichtigten Rückforderungen verwenden (siehe oben). Bei den Stellungnahmen unterscheiden wir zwischen Verpflichtungserklärungen, die vor dem 22.12.2014 und nach dem 22.12.2014 abgegeben wurden. Das ist deswegen sinnvoll, weil von den Jobcentern nicht nur die Kosten für Lebensunterhalt und Unterkunft zurückgefordert werden, sondern auch die vom Jobcenter bezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. In der Landesaufnahmeanordnung vom 22.12.2014 waren aber die Krankenhilfekosten ausdrücklich aus den Verpflichtungserklärungen ausgenommen. Bei den davor abgegebenen Verpflichtungserklärungen nach den Aufnahmeanordnungen vom 30.8.2013 und 3.3.2014 war das noch nicht der Fall. Das wurde erst mit Erlassen vom 24.7.2014, 12.11.2014 und 7.1.2015 nachträglich rückwirkend geregelt.

Zu achten ist auch darauf, für welchen Zeitraum die Leistungen zurückgefordert werden. Nach § 68a AufenthG wird die Gültigkeit von Verpflichtungserklärungen, die vor dem 6.8.2016 abgegeben wurden, auf drei Jahre begrenzt (ab Einreise der begünstigten Person). Wir hatten aber schon mehrere Fälle, in denen auch Leistungen, die nach dieser Drei-Jahres-Frist gewährt wurden, zurückgefordert werden.

In die Stellungnahmen habe ich auch eine Anfechtung der Verpflichtungserklärung aufgenommen. In einem Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 27.04.2018 (12 A 60/17) wird dem Kläger nämlich entgegengehalten, dass eine Anfechtung der Verpflichtungserklärung erst in der Klage gegen die Erstattungsforderung nicht rechtzeitig erfolgt. Diese hätte unverzüglich nach der Anhörung im Erstattungsverfahren erfolgen müssen, denn zu dem Zeitpunkt hat der Verpflichtungsgeber Kenntnis davon erlangt, dass die Behörde von einer Verpflichtung auch nach der Flüchtlingsanerkennung der begünstigten Person ausgeht. Ich habe die Stellungnahmen so gestaltet, dass diese auf die verschiedenen Einzelfälle angepasst werden können. Alles, was die einzelne Person betrifft (Namen u.ä.) habe ich in roter Schrift geschrieben. Dann fällt es leichter, den Text für die jeweilige Person anzupassen, um die es im Einzelfall geht.

Wenn es nicht um eine Stellungnahme zur angekündigten Rückforderung geht, sondern bereits ein Erstattungsbescheid erlassen wird, bleibt nur noch eine Klage. Dafür kann man die Argumentation natürlich auch verwenden. Bei Klagen ist zu bedenken, dass das Verwaltungsgericht dafür Gerichtskosten erhebt. Die Höhe der Kosten berechnet sich nach dem Streitwert (der ist in diesen Fällen der Betrag der Rückforderung). Hinzu kommen ggf. Anwaltskosten, wenn man sich anwaltlich vertreten lässt. Da sich derzeit noch nicht einschätzen lässt, wie die Verwaltungsgerichte über solche Klagen entscheiden, ist ein Klageverfahren daher mit einem Kostenrisiko behaftet. Nur wenn man gewinnt oder Prozesskostenhilfe bewilligt wird, muss man diese Kosten nicht tragen.

Nicht zu klagen bedeutet aber, dass der Erstattungsbescheid bestandskräftig wird und dann das Jobcenter die Rückforderung durchsetzen kann. Wir haben einige Fälle, in denen über 40.000,- € zurückverlangt werden. (…)

Bernd Tobiassen

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1 Gedanke zu „Stellungnahme betreffend Forderungen der Jobcentern an Patinnen und Paten“

  1. Ich möchte auf zwei Beschlüsse des BVerwG hinweisen. Das BVerwG hat mit Beschluss vom 14.03.2018 (1B9.18) und vom 20.03.2018 (1 B 5.18) ausdrücklich entschieden, dass die Auslegung einer Verpflichtungserklärung nach dem Empfängerhorizont vorzunehmen ist. Wenn die Ausländerbehörde eine Verpflichtungserklärung entgegen nimmt, die die Haftung beschränkt, wird die Erklärung mit diesem Inhalt wirksam. Dem BVerwG zufolge gilt dies auch dann, wenn infolge der Erklärung die Erstattungspflicht zulasten eines anderen Rechtsträgers (Jobcenter) eingeschränkt wird oder wenn interne Bindungen verletzt wurden.Wenn die Ausländerbehörden in Niedersachsen die Erlasse des Innenministeriums beachtet und den Flüchtlingshelfern gegenüber erklärt haben, die Verpflichtungserklärung ende mit der Anerkennung als Flüchtling, konnte die Ausländerbehörde die Verpflichtungserklärung auch nur in diesem Sinne verstehen. Unklarheiten im Formular gehen zu lasten des Verwenders, hier also zulasten der Ausländerbehörde. Da wohl erst im Herbst 2014 abweichende Rechtsauffassungen erkennbar wurden, dürfte jedenfalls bis Herbst 2014 davon auszugehen sein, dass die Ausländerbehörden in Anwendung der Erlasse selbst davon ausgingen, die Verpflichtungserklärung ende mit der Anerkennung als Flüchtling und dass sie die Flüchtlingshelfer auch so beraten haben. Nach dem Empfängerhorizont endet die Verpflichtungserklärung dann mit der Anerkennung als Flüchtling.

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