Türkei: Forderungen der Landesflüchtlingsräte /Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt

Die Landesflüchtlingsräte fordern anlässlich der Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt am 3. August 2016:

  • Abschiebungsstopp und Visumsfreiheit für türkische Staatsangehörige
  • Visumsfreiheit für alle in der Türkei Verfolgten
  • Kündigung des EU/Türkei-Deals und Aufnahmekontingent für Transitflüchtlinge

Der gescheiterte Militärputsch hat in der Türkei zu einer Kaskade an Repressionen seitens des AKP-Regimes geführt. Die Republik Türkei erlebt derzeit eine Transformation, die auf die Etablierung einer Präsidialdiktatur und die nachhaltige Beschädigung von Gewaltenteilung und demokratischen Strukturen angelegt ist: Durch die Zerschlagung unabhängiger akademischer Strukturen sowie Teilen der Presse wird die Zivilgesellschaft massiv eingeschüchtert und mundtot gemacht. Entlassungen von (Verfassungs-)Richter:innen haben die Möglichkeit minimiert, dass die exekutiven Maßnahmen noch einer ernsthaften juristischen Kontrolle zugeführt werden. Es gab Massenentlassungen im öffentlichen Dienst, Inhaftierungen und die Androhung der Wiedereinführung der Todesstrafe, selbst die Aussetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention wird ernsthaft diskutiert. Die gesamten Maßnahmen der vergangenen Tage zeigen, dass es beim derzeitigen „Putsch nach dem Putsch“ nicht um die Folgewirkungen des militärischen Aufbegehrens geht, sondern darum, den gesamten Staatsapparat auf Linie zu bringen. Diese massiven Formen von politischer Verfolgung in der Türkei müssen Konsequenzen haben für die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik.

Die Flüchtlingsräte der Bundesländer unterstützen die gemeinsame Kundgebung von Richter:innen, Anwält:innen, Staatsanwält:innen und Bürgerrechtler:innen vor dem Bundeskanzleramt am heutigen Tag und fordern:

1. Abschiebungsstopp in die Türkei
Die Zustände in der Türkei sind unübersichtlich. Menschen kurdischer Identität, tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten, Menschenrechtler:innen und Laizist:innen, auch Teile der Armee und Polizei werden von Justizbehörden, Polizei und Geheimdiensten verfolgt. Für Exilierte, insbesondere als Asylsuchende ausgereiste türkische Staatsbürger:innen, ist eine Rückkehr in die Türkei mit unkalkulierbaren Risiken verbunden. Die Landesflüchtlingsräte fordern daher einen sofortigen, bundesweiten Abschiebungsstopp in die Türkei.

2. Visumsfreiheit für alle in der Türkei Verfolgten
Die Landesflüchtlingsräte fordern umgehende Visumsfreiheit für alle Menschen aus der Türkei, um politisch Verfolgten sowie Betroffenen des Kurdenkrieges die Ausreise in EU-Staaten zu ermöglichen. Die Visumsfreiheit für türkische Staatsangehörige ist lange überfällig, was die Landesflüchtlingsräte als Versäumnis der deutschen sowie der EU-Politik werten. Eine mögliche Einführung der Visumsfreiheit ist daher nur Korrektur dieser Politik, jedoch kein politischer Erfolg des türkischen Präsidenten.

3. Aufkündigung des sogenannten EU-Türkei-Deals
Die Türkei verhindert mit Visumspflichten, militärischer Grenzsicherung und Schießbefehlen, dass syrische Flüchtlinge dort Schutz suchen können. Auch Transitflüchtlinge sind in der Situation des aktuellen Umbruchs in der Türkei gefährdet. Deswegen müssen Rückführungen von Flüchtlingen, die über die Türkei nach Griechenland gekommen sind, sofort eingestellt werden. Das Abkommen, das seit März 2016 zwischen der EU und Türkei besteht, muss seitens der EU aufgekündigt werden. Deutschland soll dies umgehend in den Europäischen Rat einbringen und ein eigenes robustes Aufnahmekontingent für Transitflüchtlinge aus der Türkei umsetzen.

Anlage:

Presseeinladung zur heutigen Kundgebung von Richter:innen, Anwält:innen, Staatsanwält:innen und Bürgerrechtler:innen vor dem Bundeskanzleramt

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