Kommentar zur aktuellen Debatte um Asyl und Abschiebung

Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich (Mark Twain)

von Norbert Grehl-Schmitt

Wer schon länger in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, reibt sich zur Zeit verwundert die Augen, um sicherzugehen, nicht zu träumen. Zu ähnlich sind die Zurufe aus der Politik denen, die in den 80er- und 90-er Jahren , über die Zuwanderung von Flüchtlingen verlautbart wurden. Und: Es ist mehr ein Albtraum und kein Déjà-vu-Erlebnis: Allen gleich – aber durchaus unterschiedlich im Tonfall – ist der Ruf nach einer konsequenten Abschiebung. siehe dazu u.a.:

Natürlich sind die hohen Zugangszahlen nicht wegzuleugnen, natürlich stellt das Länder wie Kommunen vor (Unterbringungs-) Probleme. Aber ich vermisse Politiker/innen, die den Mut haben, zu sagen, wir schaffen das! Zu sagen: Wir werden es schaffen, die vermutlich 350.000 – 400.000 Flüchtlinge, die in diesem Jahr nach Deutschland kommen, menschenwürdig unterzubringen.

Noch im März 2015 unkten die Länder, sie erwarteten 550.000 Flüchtlinge. siehe u.a. Focus und Welt. Müsste also nicht angesichts der möglicherweise doch eher geringeren Zahl neu einreisender Flüchtlinge mehr Mut gezeigt werden, die Herausforderungen zu meistern? Und ist es nicht ohnehin schon längst so, dass die Zahl der Abschiebungen (und der freiwilligen Ausreisen?) bereits gestiegen ist? Ist diese Forderung also etwa eine selbst erfüllende Prophezeiung, um sich am Ende (gegenseitig) auf die Schulter klopfen zu können? siehe dazu: NOZ-Bericht).  Natürlich ist ein Bearbeitungsrückstau von mehr als 230.000 Anträge unerträglich. siehe dazu (BAMF, Seiten 7,8). Aber das kann doch nicht durch schnellere Abschiebungen geregelt werden. Auch wenn sich die Politik gern auf die geringe Anerkennungsquote beruft, sie gehört (mit Verlaub) zum „Geschäft“.

„… Das BAMF hat zwischen 1990 und 2011 über rund 3 Millionen Asylanträge entschieden. Dabei wurden 136.870 Asylantragsteller vom BAMF als asylberechtigt anerkannt und 1,94 Millionen Anträge auf Asyl abgelehnt … „ (siehe unter: bdp).

Natürlich liegt die Schutzquote höher, als hier suggeriert wird. Nicht berücksichtigt wurden dabei die Schutznormen nach u.a. § 60 Aufenthaltsgesetz  bzw. diejenigen, die in §§ 3 bis 4 AsylVfG  verankert sind. Aber eine hohe Ablehnungsquote durchzieht das Entscheidungsgeflecht der letzen 35 Jahre. Ich erinnere mich aber auch noch gut daran, wie wir in den 90er und frühen 2000ern um Syrer kämpfen mussten, damit sie in Deutschland bleiben können, um nicht den Folterknechten des „alten“ Assad in die Hände zu fallen. Wie oft wurden diese Menschen abgeschoben!

Es fehlt schließlich die Differenzierung zwischen einem offenbar nicht vorhandenen Schutzrecht und der Notlage der Menschen, die – z.B. aus dem Balkan – zu uns kommen. Ein großer Teil dieser Menschen sind Roma, – eine Minderheit, die an der prekären wirtschaftlichen Situation in ihren Staaten am stärksten leiden, die aber auch unabhängig davon Diskriminierung und Rassismus ausgesetzt sind (siehe u.a. SZ-Bericht: Minderheiten auf dem Balkan Arm, vertrieben, ausgegrenzt). Die Politik blendet diese Fakten elegant aus, anstatt für Verständnis für die von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffenen Menschen zu werben. Auch das entschiedene Eintreten für Wirtschaftshilfen in diesen Staaten wäre ein nicht einmal mutiger, weil folgerichtiger Schritt zu alternativen Lösungsansätzen. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang auf die beabsichtigte Aufnahme dieser Länder in die EU verwiesen. Entscheidungen und Verhandlungen über deren Aufnahme laufen z.T. seit mehr als 12 Jahren (siehe dazu: Statusberichte der Europäischen Kommission). Fortschritte wurden offenbar nur wenige erzielt, eine umfangreiche Wirtschaftsförderung durch die EU bleibt aus. Ich hatte in den letzten Jahren gedacht oder gehofft, die Zeit sei vorbei, wo die Politik dem rechten Volk aufs Maul schaut. Die jüngste Vergangenheit zeigt, dass ich mich geirrt habe. Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber sie reimt sich eben doch.

Norbert Grehl-Schmitt
Caritasverband für die Diözese Osnabrück e. V.

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2 Gedanken zu „Kommentar zur aktuellen Debatte um Asyl und Abschiebung“

  1. Der Kommentar ist nicht gut geschrieben und muss anders eingeordnet werden.

    Daten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

    https://www.bmz.de/de/was_wir_machen/laender_regionen/Mittel-Ost-und-Suedosteuropa/index.html

    Wirtschaftsförderung p.A. aus DE nach
    Kosovo = 32,59 Millionen Euro bei 1,8mio. Einwohner
    Albanien = 35 Millionen Euro bei 2,9mio Einwohner
    Montenegro = 21 Millionen Euro bei 621tsd Einwohner
    Bosnien = 56 Millionen Euro 3,8mio Einwohner (EU Beitrittskandidat)
    Serbien = 157 Millionen Euro bei 7,1mio einwohner (EU Beitrittskandidat)

    Zu Mazedonien gibt es anscheinend keine Entwicklungshilfe, aber was ich darüber weiß:

    Die Verfassung der Republik Mazedonien nennt in Ihrer Präambel explizit das Volk der Roma gemeinsam mit den anderen Völkern im Staat als Träger der Selbstständigkeit und Souveränität des gemeinsamen Staates. Seit der Unabhängigkeit des Landes haben die Roma über Parteien Teil am politischen Leben. In der Verfassung ist eine Quote zur Vertretung von ethnischen Minderheiten in der Verwaltung festgeschriebn – für Roma 0,62 %. Ein großer Unterschied zu den Kurden in Syrien bspw.

    Es gibt einen Minister in der Mazedonischen Regierung, der Roma ist, es gibt viele Roma die Exekutivämter bekleiden. Im Moment sind zwei Roma Parteien (Partei für die vollständige Emanzipation der Roma und der Bund der Roma in Mazedonien) mit ihren Abgeordneten im Parlament vertreten, eine davon in der Regierungskoalition. Es gibt einen Minister, Nezdet Mustafa, speziell für wirtschaftliche Teilhabe und kulterelle Selbstbestimmung der Roma. Die Gemeinde Shuto Orizari ist die größte Roma-Gemeinde in Europa, deren Bürgermeister Roma ist und Romanes ist die offiziele Sprache. Romanes ist auch Lernsprache in den Schulen als Wahlpflichtfach.

    Um eine stärkere Integration der Roma in die Gesellschaft zu bestärken, wurde im Jahr 2005 bereits eine nationale Strategie mit 4 operativen Programmen in den Bereichen Bildung, Gesundheitswesen, Beschäftigung und Wohnungswesen für die Roma ins Leben gerufen. Zuletzt wurde vor dem Hintergrund der Beitrittsverhandlungen mit der EU im Jahr 2012 ein Aktionsplan zur sozialen Inklusion für Roma mit einem Budget 755.000 EUR in Kraft gesetzt.

    Seit 2010 werden Roma im nationalen Arbeitsbeschaffungsplan als spezielle Zielgruppe definiert. Im Rahmen dieser Pläne werden Ausbildungen und Trainingsprogramme in bestimmten Berufszweigen finanziert. Jeder arbeitslose, unabhängig von der Ethnie, hat in Mazedonien einen Anspruch auf Krankenversicherung. Das ist besser als in Griechenland. Für Roma gibt es landesweit sogar 16 spezielle Gesundheitsberater. Es gibt viele EU finanzierte Projekte im Wohnungsbau für sozial gefährdete Familien, unabhängig von der Ethnie. Es werden Sendungen im staatlichen Fernsehen in Romanes angeboten, es gibt zwei eigene Roma-Fernsehsender.

    Es passt das echte Leben in Mazedonien nicht mit dem zusammen, was man immer lesen und hören kann. Das merken die Menschen immer mehr und deshalb braucht es andere Lösungen (GreenCard Regelung o.Ä.).

    Solche Kommentare befeuern das Gefühl (gerade auch bei denen, die jetzt neu antreten sich um Migranten, Flüchtlinge und Geduldete kümmern), dass Lobbygruppen und Berichterstattung nicht die Wahrheit sagen. Das ist sehr gefährlich und muss meiner Meinung nach aufhören, sonst geht die Aktzeptanz für die, die dringend Hilfe brauchen, kaputt

    Antworten
    • Liebe/r Kommentator/in,

      ja, ich stimme zu, die Situation in den Balkanstaaten muss differenziert betrachtet werden. Die Lebenssituationen dort sind unterschiedlich. Ähnlich ist es mit der politischen Situation und der Diskriminierung der Roma und anderer Minderheiten. Da war ich zu oberflächlich.

      Die aufgezählten Wirtschaftshilfen – ich habe gerade keine Zeit, den Verbleib und die Nutznießer zu recherchieren – sind aber nicht als Gegenargument geeignet, dass sich EU und D im gebotenen Umfang in den Balkanstaaten engagieren. Dazu gehört mehr.

      Es ist ein guter Vorschlag für die Balkanstaaten eine GreenCard – oder eine ähnliche Regelung zu fordern. Ähnliches geschah Anfang der 90er-Jahre für Polen. Damals wurden annähernd 100.000 Asylanträge von Menschen aus Polen gestellt. Mit der Öffnung des Arbeitsmarktes sank diese Zahl rapide.

      Aber diese Öffnung des Arbeitsmarktes ging einher mit einem fulminanten Schuldenschnitt für Polen. Anfang 1991 verzichteten die im so genannten Pariser Klub versammelten Gläubiger auf die Tilgung von 50% ihrer Forderungen (annähernd 6,3 Mrd. € = 12,5 Mrd. DM). Gleichzeitig wurden die privaten Gläubigerbanken aufgefordert, ebenfalls auf die Hälfte ihrer Forderungen zu verzichten. Damit war der Weg für Polen frei, sich aus den Fesseln der wirtschaftlichen Depression zu befreien (siehe auch: http://www.zeit.de/1991/13/vorbild-fuer-die-aermsten ).

      Genau das ist aber auch – sorry noch einmal für die Verallgemeinerung – für die Balkanstaaten angezeigt (siehe auch unter http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/nachrichten/angst-vor-ethnischen-spannungen-waechst-krise-erreicht-den-balkan-mit-wucht-seite-2/3137932-2.html ).

      Zu guter Letzt: unabhängig der Debatte um die richtige Wirtschaftspoliitik bedarf es aber auch einer sehr differenzierten Betrachtung der Lebenslage von Roma. Die heute über die Flucht – Liste verbreitete Statistik über Asylentscheidungen von Antragsteller/innen aus Bosnien (ca. 20% Anerkennungsquote in Frankreich und Belgien), aus Serbien (32%, bzw.- 37 % Anerkennungsquote in Frankreich, bzw. Italien und der Schweiz) oder aus dem Kosovo (50% Anerkennungsquote in der Schweiz und 43% in Finnland) zeigen, dass die Promille-Bereiche aus Deutschland nur eine, jedenfalls eine unzulängliche Sicht der Dinge sind.

      Das alles ist im übrigen – und hier enttäuscht mich Ihr Kommentar – eine Auseinandersetzung mit Fakten und konkreter Sachlage. Dass ich dabei unvollständig geblieben bin oder in Teilen auch undifferenziert argumentiert habe, ärgert mich durchaus, ist aber kein Hang dazu, nicht die Wahrheit zu sagen, :-)

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