Der sudanesische Flüchtling Hamdi Abdallah ist am Montagnachmittag aus der Abschiebungshaft entlassen worden, nachdem bereits am 30.04. klar war, dass die Abschiebung in den Sudan nicht stattfinden soll (siehe hier). Jedoch ist nicht allein die Tatsache, dass die Entlassung noch vier Tage auf sich warten ließ ein Skandal, sondern vielmehr die gesamten Umstände der Inhaftierung sowie die Tatsache, dass der Landkreis Cuxhaven offensichtlich mit allen Mitteln die Abschiebung in das Land des Diktators Al Bashirs durchsetzen wollte.
Der Haftantrag des Landkreises Cuxhaven sowie Haftbeschluss durch das zuständige Amtsgericht Otterndorf macht den ganzen Skandal um die Inhaftierung des sudanesischen Flüchtlings Hamdi Abdallah deutlich: Aus dem Haftantrag, den die Ausländerbehörde am 14.04.2015 beim Amtsgericht Otterndorf gestellt hatte, um Hamdi Abdallah am 28.04.2015 bei der Ausländerbehörde festnehmen und in Abschiebungshaft bringen zu lassen, geht hervor, dass die Ausländerbehörde zuvor zwei Mal, nämlich am 08.10.2014 und 12.12.2014, ohne vorherige Ankündigung Hamdi Abdallah abschieben wollte. Ein Erlass des niedersächsischen Innenministeriums sieht vor, dass Abschiebung in der Regel den Betroffenen zuvor angekündigt werden sollen, um überfallartige nächtliche Abschiebungen ,wie sie früher häufiger vorkamen, zukünftig zu vermeiden. Der Landkreis Cuxhaven hat mit einer äußerst zynischen Begründung argumentiert, warum er sich nicht an diesen Erlass gebunden sah: Es gibt eine ärztliche Stellungnahme, die von einer Selbstverletzungsgefahr ausgeht. Die Behörde meinte wohl, durch Überrumpelung einem möglichen Suizidversuch zuvorkommen zu können.
Hamdi Abdallah wurde an den beiden angesetzten Abschiebungsterminen jedoch zu Hause nicht angetroffen. Wie sich nun herausstellt aus berechtigter Angst, überraschend abgeschoben zu werden. Die Abwesenheit zu den nicht angekündigten Abschiebungsterminen wurden vom LK Cuxhaven nun zur Begründung herangezogen, Haftantrag zu stellen. Weiterhin wurde eine „Fluchtgefahr“, also die Möglichkeit, dass jemand der Abschiebung entgehen möchte, konstruiert, weil Hamdi Abdallah gegen über der Behörde geäußert habe, dass er 20.000,- Euro für die Flucht gezahlt hätte. Die Zahlung hoher Geldbeträge für die Flucht ist erstens eine Notwendigkeit und damit auch die Regel für Flüchtlinge und zweitens derzeit noch kein zulässiges Kriterium, um Abschiebungshaft zu begründen. Dies sieht vielmehr ein unsäglicher Gesetzentwurf vor, der Inhaftierungen von Asylsuchenden erleichtern soll, wenn sie „erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser aufgewandt haben“. Dies ist aber eben erst ein Entwurf und nicht gültiges Recht.
Umso fataler und ebenso skandalöser ist, dass das Amtsgericht der Argumentation des Landkreises gefolgt ist und dem Haftantrag stattgegeben hat. Im Haftbeschluss begründet das Gericht seinen Beschluss damit, dass gem. § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 ein „begründeter Verdacht“ bestehe, Hamdi Abdallah wolle sich der Abschiebung entziehen, weil er 2.000,- Euro (also nicht 20.000,- Euro, wie im Haftantrag steht) für seine Reise nach Deutschland gezahlt habe und erklärt habe, er wolle nicht freiwillig ausreisen. Mit dieser Begründung könnte nahezu jeder ausreisepflichtige Flüchtling inhaftiert werden.
Es ist unerträglich, wie leichtfertig das Amtsgericht Otterndorf über den weitreichendsten Eingriff in die Grundrechte, nämlich der Freiheitsentziehung, entscheidet. Grundrechte scheinen in diesem Fall für einen Asylsuchenden nicht zu gelten. Zu allem Überfluss sah es das Gericht nicht einmal für notwendig an, sich mit der Haftbeschwerde des Anwalts auseinanderzusetzen. Die Beschwerde wurde mit einem einfachen Ankreuzformular abgewiesen, worin angekreuzt war, dass die Beschwerde „keine neuen Tatsachen“ enthalten hätte.
Der Landkreis Cuxhaven hat bereits mehrfach den Erlass des Innenministeriums ignoriert, wonach Abschiebungen i.d.R. anzukündigen sind und versucht, suizidale Flüchtlinge überraschend abzuschieben. Offensichtlich glaubt man, psychischen Belastungen mit Repression am besten begegnen zu können. Die Abschiebung Hamdi Abdallah aus der Abschiebungshaft heraus, die für den 5. Mai vorgesehen war, sollte wegen der attestierten Suizidgefahr auf Empfehlung des Amtsarztes während der gesamten Abschiebung mit „Sicherheitsbegleitung“ geschehen.
gez.
Sigmar Walbrecht
Der Rückführungserlass ist – wie alle letzten Nds-Erlasse zum Aufenthaltsgesetz – eher ein schwammig formulierter Aufsatz, als eine konkrete Anweisung zum synchronen Verwaltungshandeln der ABHs.
Mit Blick auf die aktuelle Asylgeschäftsstatistik der letzten 3 Monate des BAMF lässt sich feststellen, dass die Zahl der Ausreisepflichtigen in den nächsten Monaten dramatisch steigen wird – insbesondere bei den vielen Antragstellern aus den Westbalkanländern. Dazu die vielen Dublin-Fälle. Wie soll das Aufenthaltsgesetz umgesetzt werden ? Dann müsste die Landesregierung einen Abschiebestopp rigoros aussprechen. Die Alternative wäre vom dezentralen wohnen ab Asylablehnung abzurücken und Ausreisepflichtige in großen Einrichtungen ( die dann wieder Lagercharakter hätten) unterzubringen und geziehlter / betreuter auf die Rückkehr vorzubereiten. So läuft es in Norwegen bspw.