Flüchtlingsrat fordert Winterabschiebungsstopp für Balkan-Flüchtlinge

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius auf, dem Beispiel der Bundesländer Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Bremen und Baden-Württemberg folgend einen Winterabschiebungsstopp für Balkan-Flüchtlinge zu verhängen.

Der Schleswig-Holsteinische Innenminister Breitner begründete die Neuauflage des „Wintermoratoriums“ mit der nach wie vor schlechten wirtschaftlichen und sozialen Situation der meisten Minderheitenangehörigen aus den Balkanstaaten. Das könne gerade in der kalten Jahreszeit dazu führen, dass insbesondere schutzbedürftige Menschen nicht ausreichend versorgt werden könnten. Rückführungen in Würde und Sicherheit sind daher nicht in jedem Fall gewährleistet“, sagte Breitner (siehe hier). Auch dem jüngsten Bericht einer Reisegruppe aus Menschenrechtsvertreter:innen und Journalist:innen  ist zu entnehmen, dass Abschiebungen insbesondere von Roma-Flüchtlingen nicht verantwortet werden können. Wörtlich heißt es in dem Bericht u.a.:
„Wir haben auf unserer Reise durch Serbien Anfang Juni 2013 unter den dort lebenden Roma viele Menschen kennengelernt, die uns von massiven sozialen Diskriminierungen berichtet haben: Wir haben informelle Siedlungen gesehen, deren »Häuser« nur aus Sperrmüll und Pappe bestanden. Wir haben städtische Roma-Siedlungen gesehen, die seit Jahren nicht ans öffentliche Abwassernetz angeschlossen werden. Immer wieder wurde uns über die Verweigerung der Zuzahlungsbefreiung von Medikamenten für chronisch Kranke berichtet – ein sozialrechtliches Detail von oft lebensbedrohlicher Bedeutung. … Wir haben erfahren, dass ein Teil einer von uns besuchten Siedlung wenige Wochen vor unserem Besuch mit Bulldozern unter Polizeibewachung geräumt und zerstört wurde. … Uns haben Menschen davon berichtet, das sie immer wieder – weil sie als Roma identifiziert wurden – körperlichen Angriffen und Beleidigungen bei rassistischen Übergriffen ausgesetzt sind, und dass eine polizeiliche Strafverfolgung praktisch nicht stattfindet. Wir haben Menschen kennengelernt, die uns anfangs eher beiläufig von dem während der Nazi-Besatzung nach Deutschland verschleppten Großvater erzählten, der nie eine Entschädigung erhielt. … Immer wieder wurde uns berichtet, dass Kinder von Roma sich Bücher und Kleidung nicht leisten können und sie so mit einem subtilen Gemisch aus wirtschaftlicher Ausgrenzung und Rassismus aus dem Schulsystem ausgegrenzt werden.“

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen protestiert vor diesem Hintergrund gegen den laut Koalitionsvertrag verabredeten Plan der künftigen Bundesregierung, die Westbalkan-Staaten Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien zu sicheren Herkunfststaaten zu erklären. Damit wäre ultimativ die formale Grundlage konstruiert, alle aus diesen Staaten vor Verfolgung und Diskriminierung fliehenden Menschen als asylunwürdig abzuweisen. Statt Roma-Flüchtlinge in Schnellverfahren abzulehnen und aus dem Schutzbereich des Asylrechts herauszudefinieren, fordern wir die neue Bundesregierung auf, aus historischer Verantwortung ein Bleiberecht für Roma in Deutschland zu beschließen.

Nachtrag: Die niedersächsische Landesregierung hat sich bislang noch nicht zu einem Abschiebestopp für die Balkanstaaten im Winter durchringen können. Dies ist um so bedauerlicher, als SPD und Grüne zu Oppositionszeiten noch stets einen Winter-Abschiebestopp für die Balkanstaaten gefordert haben. Die taz schreibt zu Recht: „Im Frühjahr 2012 waren Abgeordnete des Landtags-Innenausschusses auf Drängen der damaligen rot-rot-grünen Opposition sogar persönlich ins Kosovo gereist. „Wer sich ein Bild vor Ort gemacht hat, für den verbieten sich weitere Abschiebungen“, hieß es danach von der SPD. Wie „fatal“ die Folgen von Abschiebungen insbesondere für Minderheiten wie Roma seien, habe die Delegationsreise einmal mehr gezeigt, war auch das Fazit der Grünen.“

Der Bericht zu den Ergebnissen der Delegationsreise aus dem Jahr 2012 findet sich hier.

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