MI zu Krankheit als Abschiebungshindernis

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Ein Schreiben des nds. Innenministeriums vom 08. Mai 2013 an den Flüchtlingsrat gibt Antworten auf die Frage, wie die niedersächsischen Ausländerbehörden mit Flüchtlingen umzugehen haben, denen aufgrund bestehender Krankheit eine Reiseunfähigkeit attestiert wird. Das MI teilt darin mit,

  • dass in jedem Fall ein amtsärztliches Gutachten zur Frage der Reisefähigkeit einzuholen ist,
  • dass die Ausländerbehörden die Ergebnisse der amts- und fachärztlichen Untersuchungen „berücksichtigen“,
  • dass Personen, die nach dem Untersuchungsergeblis nicht reisefähig sind, nicht abgeschoben werden.

Die Auskunft ist insofern wichtig, als es in der Vergangenheit in Einzelfällen zu Versuchen von Ausländerbehörden gekommen ist, Abschiebungen durchzusetzen, obwohl ein Amtsarzt oder eine Amtsärztin das Vorliegen einer Reiseunfähigkeit festgestellt hat.

Fragwürdig erscheint der Hinweis des MI, dass amtsärztliche Gutachten betr. PTBS „die vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 11.09.2007 – BVerwG 10 C 8.07 – aufgestellten Kriterien im Hinblick auf die Schlüssigkeit eines Gutachtens über das Vorhandensein einer PTBS“ erfüllen müssten: In der Regel sind Amtsärzte und Amtsärztinnen zeitlich und organisatorisch gar nicht in der Lage, derartige Gutachten zu erstellen, die in seriöser Ausführung durch Traumaspezialist:innen oftmals mehr als 100 Seiten umfassen und zwischen 500 und 3000 € kosten. Grundlage der ärztlichen Feststellung über das Vorliegen einer Reisefähigkeit ist die körperliche Untersuchung sowie das Patientengespräch. Für die Aussetzung einer Abschiebung muss es reichen, wenn der Amtsarzt oder die Amtsärztin feststellt, dass Indizien für eine Traumatisierung oder sonstige psychische Erkrankung vorliegen, und damit die Reiseunfähigkeit begründet. Erst im Hinblick auf die Erteilung eines Aufenthaltsstatus mag die Einholung entsprechender Gutachten nach den vom BverwG genannten Kriterien eingefordert werden.

Leider lässt die Stellungnahme auch im Dunkeln, ob das Land zukünftig mit kranken Flüchtlingen anders umgehen wird als in der Vergangenheit: In den letzten zehn Jahren hat das Land unter dem ehemaligen Innenminister Uwe Schünemann einiges unternommen, um mehr kranke und traumatisierte Flüchtlinge abzuschieben. Kranken Flüchtlingen wurden Medikamente mitgegeben, medizinisches Personal wurde kranken Flüchtlingen zur Ermöglichung von Abschiebungen auf Abschiebungsflügen zur Seite gestellt, und die Ausländerbehörden wurden angewiesen, dass die Reisefähigkeitsprüfung auf die Frage zu beschränken sei, ob ein Flüchtling den Abschiebungsflug ohne schwerwiegenden Schaden übersteht. Die lückenlose Überwachung psychisch kranker Flüchtlinge sollte gewährleisten, dass ein Suizid von der Festnahme bis zur Ablieferung des kranken Flüchtlings bei den Behörden des Herkunftslandes nicht erfolgen konnte. Dagegen haben sich die Ärzteverbände immer wieder gewehrt und in manchen Bundesländern – etwa in NRW – durchsetzen können, dass eine Überprüfung ggfs. vorliegender Erkrankungen dem ärztlichen Ethos entsprechend umfassend erfolgt (siehe Informations- und Kriterienkatalog vom 22.11.2004 und Erlass vom o1.o9.2008). Eine solche Regelung steht in Niedersachsen noch aus.

gez. Kai Weber

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