Bescheidzustellung in Dublin-Verfahren weiterhin oft rechtswidrig

Auf der am 11. und 12. Mai 2012 durchgeführten Rechtsberaterkonferenz hat Herr Henning (BAMF) im Rahmen seiner Ausführungen dargelegt, dass das BAMF nicht von seiner Auffassung abweichen will, dass es zulässig sei, wenn Bescheide erst zum Zeitpunkt der Abschiebung dem/r Betroffenen ausgehändigt werden. Lediglich  bei Minderjährigen ist das BAMF zu Zugeständnissen bereit. Wörtlich heißt es in der entsprechenden Dienstanweisung des BAMF: „Der Bescheid ist im Falle der Überstellung eines Minderjährigen zwischen 16 und 18 Jahren eine Woche vor der Überstellung dem Minderjährigen zuzustellen. Gleichzeitig geht eine Abschrift an dessen Vormund. Wird die Zustellung durch die Ausländerbehörde veranlasst, sind die Unterlagen rechtzeitig an sie abzugeben.“

Flüchtlingsorganisationen halten die Zustellung des Dublin II – Bescheids erst im unmittelbaren Zusammenhang mit der Abschiebung für rechtswidrig und verweisen u.a. auf die Rechtsprechung von EGFM und EuGH (PRO ASYL – Stellungnahme).

Regelmäßig werden die entsprechenden Bescheide nicht durch das BAMF den Betroffenen bekannt gemacht, sondern lediglich der zuständigen Ausländerbehörde zur Zustellung übermittelt. Es liegt dann an der jeweiligen Ausländerbehörde, ob sie den Bescheid so rechtzeitig zustellt, dass genügend Zeit bleibt, um einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.

In der einschlägigen Rechtsprechung, u.a. veröffentlicht bei asyl.net, wird eine Zeitspanne von sieben Tagen (VG Göttingen) bzw. drei Tagen (VG Hannover) gefordert, jeweils mit der Maßgabe, dass in diesem Zeitraum ein effektiver Rechtsschutz auch gewährleistet sein muss. Diese Fristen werden in Niedersachsen oft nicht eingehalten. Viele Anwaltskanzleien sind daher dazu übergegangen, regelmäßig (wöchentlich) Telefonkonferenzen mit dem BAMF Dortmund zu veranstalten, um dort zu erfragen, ob ein Dublin II – Bescheid ergangen ist – eine absurde und haarsträubende Praxis im digitalen Zeitalter. Mit Schreiben vom 11. August 2011 hat das niedersächsische Innenministerium auf Anfrage lediglich mitgeteilt, dass „die niedersächsischen Ausländerbehörden gebeten worden [sind], den Bescheid spätestens zwei Tage vor dem geplanten Abschiebungstermin dem Betreffenden zuzustellen“. Natürlich kann diese Praxis nicht befriedigen, nicht nur weil die Ausländerbehörden nur „gebeten“ und nicht angewiesen wurden, sondern vor allem auch, weil die Zwei-Tages-Frist nicht angemessen und nicht ausreichend ist.

gez. Kai Weber

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