Bleibeperspektiven außerhalb des Asylverfahrens

Unabhängig vom Asylverfahren bestehen im Rahmen des Aufenthaltsgesetzes andere Möglichkeiten, einen langfristigen Aufenthalt in Deutschland zu sichern. Junge Flüchtlinge die nur geduldet in Deutschland leben, können über Bildung, Arbeit und Integrationsleistungen ihren Aufenthalt sichern.

Nachfolgend ein Überblick. Im Einzelfall empfiehlt es sich immer eine Beratungsstelle aufzusuchen.

1. Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden (§ 25a Aufenthaltsgesetz)

Für junge Menschen besteht die Möglichkeit der Aufenthaltsgewährung wegen „guter Integration“. Darunter wird folgendes aufgefasst:

  • Seit mindestens 3 Jahren ununterbrochener Aufenthalt in Deutschland
  • Zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens 12 Monaten geduldet
  • ein erfolgreicher Schulbesuch oder der Erwerb eines anerkannten Schul- oder Berufsabschlusses
  • Antragstellung vor Vollendung des 26. Lebensjahres (sprich: der Antrag muss vor dem 27. Geburtstag gestellt werden)
  • Lebensunterhaltssicherung durch Erwerbstätigkeit – außer bei augenblicklicher Ausbildung, Schule oder Studium.
  • Positive Integrationsprognose

Niedersächsischer Erlass des Innenministeriums vom 3.07.2019, aktualisiert am 10.6.2021 :  Nds. Anwendungshinweise §25a AufenthG

 

Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration (§ 25b Aufenthaltsgesetz)

  • 6 Jahre ununterbrochener Aufenthalt in Deutschland (mit Aufenthaltsgestattung, -erlaubnis oder Duldung). Bei Eltern minderjähriger Kinder verkürzt sich die Zeit auf 4 Jahre
  • Lebensunterhaltssicherung durch Erwerbstätigkeit ODER
  • zu erwartende Fähigkeit, den eigenen Lebensunterhalt zu sichern aufgrund der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens-, oder familiären Situation.
  • Deutschkenntnisse (A2)
  • Verfügt über einen Pass
  • hat keine Straftaten von mehr als 50 oder 90 Tagessätzen begangen.

Weitere Informationen bietet das entsprechende Kapitel unseres Leitfadens für Flüchtlinge.

2. Ausbildungsduldung (sog. „3+2 Regelung“ – § 60c AufenthaltsG)

Geduldete, die sich in der Ausbildung befinden oder die einen Ausbildungsvertrag vorlegen können, haben in der Regel Anspruch auf die sogenannte Ausbildungsduldung. Voraussetzung hierfür ist neben dem Ausbildungsvertrag, dass kein Beschäftigungsverbot (§60a Abs. 6 AufenthG) vorliegt und keine konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehen. Wann dies der Fall ist, wird in der Praxis und der Rechtsprechung jedoch sehr unterschiedlich bewertet (hierzu s.h. nds. Hinweise im folgenden Erlass, die den Ermessensspielraum der Ausländerbehörde z.T. reduzieren). Wird die Erteilung der Ausbildungsduldung abgelehnt, sollten daher juristische Schritte geprüft werden.

Vorrausetzungen und Rechte:

  • Ausbildungsvertrag für anerkannte Ausbildung muss vorliegen
  • Beschäftigungserlaubnis durch die Ausländerbehörde erforderlich
  • Bei Abbruch der Ausbildung wird die Duldung um 6 Monate verlängert
  • nach Abschluss der Ausbildung wird die Duldung um 6 Monate verlängert
  • bei einer der Ausbildung entsprechenden Beschäftigung wird eine Aufenthaltserlaubnis für weitere 2 Jahre ersteilt
  • keine Altersgrenze

Erlass des Bundesinnenministeriums zur Anwendung

Weitere Informationen: Ausbildungsduldung §60c AufenthG seit 1.1. 2020:Der Paritätische (Jan.2020): Zur Arbeitshilfe „Soziale Rechte für Flüchtlinge“.

Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldete (§ 19d AufenthG)

Nach Abschluss der Ausbildung kann eine Aufenthaltserlaubnis beantragt werden, sofern eine Beschäftigung im Ausbildungsberuf gefunden wurde, der Lebensunterhalt gesichert ist, Wohnraum gefunden wurde und keine Verurteilungen wegen Straftaten vorliegen, wobei Geldstrafen von kummuliert bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Asyl- und Aufenthaltsrecht nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben.

Weitere Informationen: https://www.nds-fluerat.org/leitfaden/8-aufenthaltserlaubnis-nach-18a-aufenthg/

 

3. Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG (i.V.m. Art. 8 EMRK)

Diese Aufenthaltserlaubnis kann erteilt werden, wenn die Ausreise (nicht Abschiebung) aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist.

Weitere Informationen sind hier zu entnehmen: https://www.nds-fluerat.org/themen/aufenthaltsverfestigung/bleiberechtsregelung-wenn-die-ausreise-unmoeglich-ist/

Aufenthaltserlaubnis §25 (5) AufenthG i.V. mit Art. 8 EMRK :

Hierzu gibt es einen Erlass der nds. Landesregierung zur Umsetzung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinsichtlich der Auslegung des Artikels 8 EMRK (Schutz der Familie und des Privatlebens) in Vbg. mit §25 Abs. 5 AufenthG.Der Erlass spiegelt die Rechtsprechung des EGMR wieder, die im Kern darauf hinausläuft, dass Menschen nicht (erneut) vertrieben werden dürfen und ein Aufenthaltsrecht genießen, wenn sie in ihrem Aufenthaltsstaat „verwurzelt“ sind. Der Schutz des Art. 8 EMRK geht erheblich weiter als Art. 6 GG. Durch Art. 8 EMRK wird nicht nur die Familie, sondern das Privatleben insgesamt geschützt.

 

4. Antrag bei der Härtefallkommission (§ 23a AufenthG; Art. 17 GG)

Die Kommission soll  eine letzte Chance auf einen legalen Aufenthalt in Deutschland ermöglichen. Daher sind vor der Eingabe bei der Härtefallkommission zunächst alle übrigen Möglichkeiten, eine Aufenthaltserlaubnis nach dem AufenthG zu erhalten, auszuschöpfen. Die Härtefallkommissionen der Bundesländer prüfen auf Antrag das Vorliegen dringender humanitärer oder persönlicher Gründe von „geduldeten“ Menschen. Solche Gründe können sich insbesondere aus Aspekten der sprachlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Integration in Deutschland ergeben. Integrationsleistungen wie gute Deutschkenntnisse, ein langjähriger Voraufenthalt, Schulbesuch, eine Ausbildung, ein Studium, die Sicherung des Lebensunterhalts durch Erwerbsarbeit, ehrenamtliches Engagement etc machen es zunehmend unzumutbar, in sein Heimatland zurück zu kehren.

 

Fachberatungsstelle Härtefallkommission: https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2016/09/Faltblatt-Fachberatungsstelle-HFK.pdf

Leitfaden für das Verfassen eines Härtefallantrags: https://www.nds-fluerat.org/12506/zeitschrift/leitfaden-fuer-einen-haertefallantrag-in-niedersachsen/

 

 

 

 

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