Es begab sich aber zu einer Zeit, da Friedrich Merz Kanzler wurde –
Weihnachten im Container – Flüchtlingselend 2025/2026 in nur einer Stadt
von Eike Andreas Seidel
Patience aus Burundi (siehe „Junge Welt vom 17.10. „Arbeiten ja,Asyl nein“) hat Anfang September 2025 seinen negativen Bescheid vom BAMF erhalten. Sein Anwalt hat Klage eingereicht. Patience hat es mittlerweile geschafft, Kopien sowohl seines Haftbefehls als auch seiner Besitzurkunden für zwei Grundstücke nach Deutschland geschickt zu bekommen. Dass Grundstücke in vielen Staaten Grund für Mord und Totschlag sind, ist auch für Burundi belegt – hier vor allem für Rückkehrer aus einer ersten Flucht, so wie Patience, der 2015 nach Uganda geflohen war und Anfang 2022 versucht hatte, in Burundi wieder eine Existenz aufbauen. Er hätte die Grundstücke gern gegen ein sicheres Leben in Burundi eingetauscht, doch Pustekuchen: Eine Übergabe der Dokumente hätten seinen sicheren Tod bedeutet; sie waren seine einzige, allerdings unsichere Lebensversicherung.
Seine Frau Gareth und die Tochter Elga haben ein davon getrenntes Verfahren und warten nun gespannt, wie das BAMF in ihrem Fall entscheiden wird. Gareth war in Burundi zwei Mal von Polizisten vergewaltigt worden und hatte aus Angst vor weiteren Vergewaltigungen lange Zeit mit der Tochter im Freien übernachtet. Eine chronische Bronchitis der Tochter Elga ist seitdem die Folge. Als sie von der Polizei vorgeladen wurde, um nach ihrem Mann gefragt zu werden, hat auch sie die Flucht ergriffen.
Doch das Leben geht weiter: Die Tochter Elga hat überraschend in Buchholz einen Kindergartenplatz erhalten. Doch einen Tag später kam das Angebot des Landkreises, nach Winsen „umgesetzt“ zu werden in ein Zimmer eines ehemaligen Hotels. Für Patience eine Verbesserung wegen des Arbeitswegs, aber die Tochter? 15 Emails und 6 Telefongespräche später dann das Wunder: Ab dem 1.2. gibt es nun auch für Elga einen Kitaplatz in Winsen.
Eine Familie aus Syrien mit 6 Kindern hat nun nach zähem Kampf mit dem Jobcenter eine Wohnung bekommen und ist zum 15.12. eingezogen. Kaution wird vom Jobcenter gestundet, die „Erstausstatung“ durch da Jobcenter kann Monate dauern,. Der Vater ist noch fleißig am Renovieren. Kurz vor knapp konnten noch 7 Matratzen von „Hafen hilft“ in Hamburg besorgt werden und einiges an Haushaltsausstattung(„https://der-hafen-hilft.de/“ – unbedingt anschauen!) Zwei Doppelstockbetten (Aufbau wird noch ein Abenteuer) gab’s über Kleinanzeigen, ein Bett mit Matratze kann noch privat aus dem Besitz einer frustriert nach Spanien ausgereisten kolumbianischen Asylbewerberin abgeholt werden.
Für eine kurdische Familie aus der Türkei, seit mehr als zwei Jahren im Anerkennungsverfahren, ist das Jahresende zweischneidig: Der älteste Sohn (18 Jahre) hat einen negativen Bescheid vom BAMF bekommen. Für ihn und die Familie ein Schock. Doch seine Lehrstelle als Koch zum 1.2.2026 ist bei der Handwerkskammer eingetragen und wird ihm hoffentlich bei negativem Urteil des Verwaltungsgerichts eine Ausbildungsduldung ermöglichen.
Der Vater hat erstmalig seit dem 1.12.2025 Arbeit und ist gesetzlich versichert. Für die Ehefrau ist dies derzeit nicht möglich, da die Heiratsurkunde seit zwei Jahren beim BAMF vor sich hin gammelt und ihr Familienstand nach wie vor als „unbekannt“ gilt. „Sachstandanfrage“ beim BAMF ist gestellt. Für die Kinder ist nun eine Lösung gelungen: Sie werden nach langen Verwirrungen gesetzlich krankenversichert, weil die AOK die Übersetzung des türkischen Familienbuchs anerkannt hat und auch die Familienkasse Kindergeld bezahlt. Kleine Hürde am Rande: Das türkische Wort „evli“, das im Familienbuch auch bei den Kindern (2 bis 18 Jahre alt) zu lesen war, wurde von der Übersetzungssoftware DEEPL als „verheiratet“ übersetzt. Tatsächlich bedeutet das türkische Wort „evli“ sowohl „verheiratet“ als auch „ehelich“. Endlich können die Zähne und andere Gebrechen der Kinder ärztlich nach den Standards der gesetzlichen Krankenkasse behandelt werden.
Die Mutter konnte in der Türkei nie eine Schule besuchen. Sie spricht nur Kurmandsch – das türkische Kurdisch. Sie lernt nun eifrig Schreiben, Lesen und Deutsch. Lehrer sind – wie in vielen Familien von Geflüchteten – die Kinder. Für ihre Aufnahme in die Familienversicherung warten wir zuversichtlich auf den Osterhasen. Vielleicht erkennt die AOK das „verheiratet“ im Familienbuch auch an und wäre damit menschlicher als das BAMF.
Ein Syrer im Anerkennungsverfahren hat Angst. Er hat viele Jahre in Idlib gelebt, wohin seine Familie geflohen war. Das BAMF hat nach seiner Religionszugehörigkeit gefragt. Es gibt Beispiels, dass sunnitische Moslems nach Syrien zurückgeschickt und bei Verweigerung einer freiwilligen Ausreise auch abgeschoben werden. Er hat seit August 2025 eine Lehrstelle als Konstruktionsmechaniker. Das sollte ihm helfen, bei negativem Bescheid doch eine Ausbildungsduldung bekommen. Doch die Angst bleibt, bis es geschafft ist.
Christian aus Burundi (siehe „Junge Welt“ vom 26.4.2025; „Warten am Abschiebegleis“), der nach einiger Zeit in Schweden nun schon vier Jahre im Anerkennungsverfahren in Deutschland ist, wartet täglich auf seinen Bescheid. Alle anderen Menschen aus Burundi, die am selben Tag wie er im September diesen Jahres in Hamburg ihre Anhörung hatten, haben schon lange ihren negativen Bescheid erhalten. Sein Fall scheint dem BAMF Kopfzerbrechen zu bereiten. Er konnte einige Dokumente vorlegen, die seine Verfolgung in Burundi belegen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Sanna, geboren in Kuweit, aufgewachsen in Syrien, Lehrerin, sechs Kinder, geflohen nach Katar und wegen des unsicheren Aufenthalts dort (wer keine Arbeit hat, muss unmittelbar gehen) zurück über Syrien und schließlich nach Deutschland geflohen, ist frustriert: Sie hat mit Bravour die eigentlich zweijährige Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistentin in nur einem Jahr absolviert und sogar eine Prämie für hervorragende Leistung durch die Spethmann-Stiftung erhalten. Der Ausbildungsgang zur Sozialpädagogische Assistentinnen war noch vor einem Jahr sehr beworben worden – Fachkräftemangel im Erziehungsbereich. Doch dann die bittere Enttäuschung: 16 Bewerbungen in allen möglichen Kindergärten und -krippen ergaben 16 Absagen. Sozialpädagogische Assistentinnen werden in ihrem erreichbaren Umfeld schlicht nicht mehr gesucht. Sie schreibt:
„Seit ich nach Deutschland gekommen bin, bemühe ich mich sehr, fleißig zu sein und mir etwas aufzubauen. Ich wollte mir selbst und anderen beweisen, dass man etwas erreichen kann, wenn man sich anstrengt – und dass man die Früchte erntet, die man gesät hat. Als ich jedoch die erste Phase meiner Ausbildung abgeschlossen habe, dachte ich, ich würde direkt Arbeit finden, aber die Realität war leider anders. In letzter Zeit war ich müde, manchmal sogar antriebslos. Trotzdem versuche ich weiterzumachen und zumindest meinen kleinen Traum zu verfolgen“.
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