Pflegehelferin aus dem Landkreis Osnabrück nach Ruanda abgeschoben
Am frühen Morgen des 15. Dezember wurde Mariam M. aus der Abschiebungshaft heraus nach Ruanda abgeschoben. Der Landkreis Osnabrück hat ihre Abschiebung mit Vehemenz betrieben, obwohl Frau M. vor Ort in jeglicher Hinsicht integriert und verwurzelt und als Pflegehelferin ein wichtiger Teil des Teams in einem Seniorenzentrum war. Nächstes Jahr hätte sie eine bereits zugesagte Ausbildung zur Pflegeassistenz begonnen. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert diese Migrationspolitik, die ihren Schwerpunkt mehr und mehr auf die Steigerung der Abschiebezahlen setzt, als politisch getrieben und irrational.
Die ruandische Staatsangehörige Mariam M. lebt seit 2022 im Landkreis Osnabrück. Dort hat sie erfolgreich Sprach- und Integrationskurse abgeschlossen und war seit zwei Jahren mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag im Seniorenzentrum Haus Elisabeth in Bohmte als Pflegehelferin beschäftigt. Ihr Asylantrag jedoch wurde abgelehnt. Sie und ihr Unterstützungsumfeld konzentrierten sich daraufhin stark auf das Ziel eines sogenannten „Spurwechsels“, also den Wechsel in einen Aufenthaltstitel für Arbeit und Ausbildung. Vor dem Hintergrund der Bemühungen auch des Landes Niedersachsen, Fachkräfte im Ausland anzuwerben, schien diese Hoffnung nicht unrealistisch.
Zu September 2026 wurde Mariam M. von ihrer Arbeitgeberin die Ausbildung Qualifizierung zur Pflegeassistentin zugesagt, perspektivisch wäre eine Ausbildung zur Pflegefachkraft möglich gewesen. Damit hätte bereits ab März ein Anspruch auf eine Ausbildungsduldung oder gar Ausbildungsaufenthaltserlaubnis in Aussicht gestanden. Dennoch kam es für die Betroffene völlig überraschend, dass die Ausländerbehörde des Landkreises Osnabrück vor Beginn der Ausbildung ihre Abschiebung einleitete.
Simon Wittekindt vom Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. hat die Betroffene und ihre Unterstützer*innen über Wochen begleitet:
„Mit Moral und Verstand ist nicht zu erklären, warum der Landkreis Osnabrück die Abschiebung von Mariam M. unbedingt durchsetzen wollte. In wenigen Monaten wären die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis gegeben gewesen. Diese Zeit hätte man durch die Erteilung einer Ermessensduldung überbrücken können. Diese Abschiebung legt eine ideologisch getriebene Asyl- und Migrationspolitik offen, die ihren Blick nur noch auf die Erhöhung der Abschiebezahlen verengt und alles anderen völlig vernachlässigt. So kann es nicht weitergehen!“
Im Fall von Mariam M. führte keines der zur Verfügung stehenden Mittel zu einer Aussetzung der Abschiebung. Mehrere Eilrechtsschutzverfahren verliefen erfolglos. Der Härtefallantrag bei der niedersächsische Härtefallkommission wurde nicht zur Beratung angenommen, weil bereits sogenannte Nichtannahmegründe bestanden. Auch die Diagnose einer in Verbindung mit der Fluchtgeschichte stehenden schweren Posttraumatischen Belastungsstörung aus der Abschiebungshaft heraus fand keine Berücksichtigung mehr. Ein Asylfolgeverfahren auf Grundlage neuer Beweismittel zur Verfolgung im Herkunftsland verlief ebenfalls erfolglos. Auch die Haftbeschwerde wurde vom Landgericht Hannover abgewiesen.
Dazu Simon Wittekindt:
„Rechtlich mag die Abschiebung von Frau M. zulässig gewesen sein. Allerdings dürfen die Gerichte nicht jenseits der Möglichkeit der Kritik stehen. Ich halte die vom Landgericht Hannover gestützte Anordnung der Sicherungshaft für unverhältnismäßig und unverantwortlich. Der erste Abschiebeversuch wurde abgebrochen, weil die Abschiebung bei Frau M. massive Ängste und Panik auslöste und sie deshalb zu Boden stürzte. Dieser psychische Zusammenbruch wurde ihr als Widerstandshandlung ausgelegt, aufgrund derer dann mehrere Wochen Abschiebehaft angeordnet wurden. Wir prüfen mit dem Anwalt von Frau M. die Möglichkeit einer Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof.“
Nach Ansicht des Flüchtlingsrats müssen außerdem die Möglichkeit eines Spurwechsels vom Asylverfahren in Aufenthaltstitel für Ausbildung und Arbeit, sowie die Wege der Aufenthaltsverfestigung für Menschen in Duldung ausgebaut und verbessert werden. Die Ausländerbehörden müssen dabei eine Beratungsfunktion einnehmen und alle rechtlich verfügbaren Spielräume nutzen, um Bleibeperspektiven zu eröffnen.
Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats:
„Uns ist bekannt, dass die kommunalen Ausländerbehörden politisch stark unter Druck stehen und – kontrolliert durch regelmäßige parlamentarische Anfragen – das sogenannte Vollzugsdefizit verringern müssen. Unter der Bedingung knapper Kapazitäten scheint dabei die Priorität im Zweifel eher auf der zeitaufwendigen Organisation von Abschiebungen und der ebenfalls aufwendigen Beantragung von Abschiebungshaft zu liegen. Wir fordern deshalb ein behördliches Umdenken. Der effektivste Weg, die Zahl der ausreisepflichtigen Personen zu senken, ist und bleibt die Schaffung von Bleibeperspektiven!“
Für Aline (Name geändert), eine enge Freundin von Mariam M., waren die letzten Wochen eine unglaublich schwere Zeit:
„Mariam ist meine Freundin und ist wie eine Schwester für mich. Sie hat mir geholfen mich in Deutschland zurecht zu finden. Durch sie wurde dieses Land zu einem Zuhause. Gestern wurde sie abgeschoben. Durch diese Erfahrung lebe ich in Angst. Die Abschiebung signalisiert, dass du als Ausländer jederzeit abgeschoben werden kannst, egal wie hart du arbeitest und egal wie sehr du dich integrierst. Ich kann nicht verstehen, wie dieses System so einfach über die Leben, die Beziehungen und das Lebenswerk von Menschen hinweg gehen kann. Dabei geht es nicht nur um Gesetze, es geht um Menschlichkeit. Diese Politik zerstört Familien, Freund*innenschaften und Vertrauen. Sie ist nicht gerecht und genau das darf nicht ignoriert werden.“
Kontakt für Rückfragen:
Simon Wittekindt
Tel.: 0178 323 5232; Mail: swi@nds-fluerat.org
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