Pressemeldung „Monitor“ vom 14.04.2016
Vertrauliche EU-Dokumente belegen weitgehende Kooperationspläne mit ostafrikanischen Despoten in der Flüchtlingspolitik. Die Europäische Union will mit ostafrikanischen Machthabern über eine Rückführung und Rückübernahme von Migranten verhandeln. Das geht aus vertraulichen Unterlagen hervor, die dem ARD-Magazin MONITOR vorliegen. Die Pläne sollten „unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit gelangen“.
Die Europäische Kommission und der Auswärtige Dienst der EU schlagen darin konkrete Kooperationen mit den Machthabern in Eritrea, Sudan, Äthiopien und Somalia vor. Man könne im Gegenzug für die Zusammenarbeit in der Flüchtlingspolitik beispielsweise über Wirtschaftshilfen und Visaerleichterungen für Diplomaten nachdenken.
In einer Sitzung der Botschafter der EU-Staaten vom 23. März wurden die Vorschläge besprochen, die laut vertraulichem Protokoll „unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit gelangen dürften“. Für Deutschland besteht demnach offenbar dringender Handlungsbedarf gegenüber allen vier Ländern. Die „Lage im Rückführungsbereich“ sei „unbefriedigend“, heißt es in dem Protokoll.
Die vertraulichen Länderpapiere beinhalten eine Einschätzung der Menschenrechtssituation in den ostafrikanischen Ländern. Im Sitzungsprotokoll bezeichnet der Auswärtige Dienst der EU die humanitäre Situation in Äthiopien als „katastrophal“. Nichtsdestotrotz kann sich die EU hier eine stärkere Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden vorstellen, z.B. durch einen „verbesserten Informationsaustausch mit der Polizei“, wie es in dem Länderbericht heißt.
Eine Zusammenarbeit in den Bereichen Migration, Mobilität und Rückübernahme strebt die EU-Kommission diesem Bericht zufolge auch mit dem Sudan an. Man könne sich hier sogar eine „Streichung von der Liste terrorunterstützender Staaten“ vorstellen, sollte der Sudan kooperieren. Gleichzeitig warnt der Europäische Auswärtige Dienst laut Protokoll davor, „der Ruf der EU stehe auf dem Spiel“, wenn diese sich zu stark mit dem Sudan engagiere. Sudans Präsident Omar Al-Baschir wird vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit per internationalem Haftbefehl gesucht.
Die EU-Direktorin von Human Rights Watch, Lotte Leicht, kritisiert den Grundansatz dieser EU-Politik: „Es ist unglaublich zynisch, wenn die Europäische Union, die auf Werten basiert und die europäischen Regierungen, die sagen, dass ihnen die Menschenrechte etwas bedeuten, mit menschenverachtenden Regierungen zusammenarbeiten, nur mit dem Ziel, Menschen davon abzuhalten nach Europa zu kommen.“
Europäische Kommission und der Auswärtige Dienst antworteten auf MONITOR-Anfrage, man halte Zusammenarbeit und Dialog mit den Ursprungs- und Transitländern afrikanischer Flüchtlinge für äußerst wichtig. Im Zentrum der Beziehungen zu diesen Ländern stünden „der Schutz und die Förderung der Menschenrechte“.
Monitor-Bericht vom 14.04.2016
Georg Restle: „Der Flüchtlingsdeal mit der Türkei hat vor allem eine Frage aufgeworfen: Wie viel sind der EU und der Bundesregierung die Menschenrechte eigentlich noch wert? Offensichtlich wenig. Und offenbar gar nichts mehr, wenn man auf die nächsten Deals schaut, die jetzt verhandelt werden sollen. Ausgerechnet mit einem der schlimmsten Despoten Afrikas. Regime, vor denen Zehntausende fliehen, sollen jetzt zu Partnern Europas werden; international gesuchte Kriegsverbrecher eingeschlossen.“
Brüssel, 23. März 2016, die Botschafter der EU-Staaten diskutieren über Afrika-Politik, das Protokoll liegt MONITOR vor, die Themen – vertraulich.
Zitat: „Die Kommission betonte die Sensibilität der Inhalte, die unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit gelangen dürften.“
Kein Wunder: Man unterhielt sich vertraulich über die Flüchtlingspolitik im Sudan, Eritrea, Äthiopien und Somalia, äußerst zweifelhaften Regimen in Ostafrika. Deutschland bemängelt laut eigenem Protokoll, dass dorthin zu wenige Flüchtlinge zurückgeschickt würden.
Zitat: „Wir bezeichneten die Lage im Rückführungsbereich als unbefriedigend.“
Rückführung in Regime wie zum Beispiel Äthiopien: EU-Kommission und Auswärtiger Dienst wollen mit ihm hier zusammenarbeiten: Ministerpräsident Desalegn. Im Dezember 2015 ließ er den Aufstand der Oromo niederprügeln, es gab mindestens 140 Tote, sagen die UN. Die Täter: der brutale äthiopische Sicherheitsapparat. Doch genau mit diesem will die EU laut Geheimpapieren jetzt zusammenarbeiten. Man wolle in der Flüchtlingspolitik einen „besseren Informationsaustausch mit der äthiopischen Polizei“. Und: Es solle ein Paket mit „Belohnungen“ für Äthiopien geschnürt werden, das allerdings von dessen Zusammenarbeit bei der Rückführung von Flüchtlingen abhänge.
Beispiel Sudan: Die EU denkt über Einreiseerleichterungen für sudanesische Diplomaten nach: Dabei wird er hier, Präsident Omar Al Baschir – vom Internationalen Strafgerichtshof unter anderem wegen Völkermords gesucht. Die EU weiß sehr wohl, dass die Verhandlungen mit ihm ein hohes „Risiko“ bedeuten, öffentliches Ansehen zu verlieren. Trotzdem könne man darüber verhandeln, den Sudan „von der Liste der terrorunterstützenden Staaten“ zu streichen. Die EU-Kommission wies auf MONITOR-Anfrage darauf hin, das Wichtigste bei den Kooperationen mit diesen Ländern seien „der Schutz und die Förderung der Menschenrechte.“
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