Goslar. Weil sich keine ärztliche Begleitung gefunden hat, ist die Abschiebung einer 37-Jährigen nach Montenegro vorerst gestoppt worden. Die Frau sollte aus dem Landkreis Goslar zum Frankfurter Flughafen gebracht werden, um sie dort in ein Flugzeug in ihre Heimat zu setzen. Für ihre Abschiebung ist eine ärztliche Begleitung nötig. Zu der Krankheit der alleinstehenden Frau wollten sich die Behörden nicht äußern. Wohl aber zu der offenbar schwierigen Suche nach einem Arzt, der die Frau nach Frankfurt begleiten soll.
Weil die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen, die in solchen Fällen auf einen kleinen Pool niedergelassener Ärzte zurückgreifen kann, keinen Mediziner zu dem vorgesehenen Termin gefunden hat, bat das Amt den Landkreis Goslar um Hilfe. Es ging eine Mail an die niedergelassene Ärzteschaft der Stadt. „Es hat sich aber niemand gefunden“, sagte ein Sprecher.
Auch der Mediziner Till Liebau aus Goslar hat dies Anfrage bekommen. Er nennt das Anliegen eine „fragwürdige Sache“ und ärgert sich darüber, dass Ärzte gesucht werden, die politische Entscheidungen unterstützen sollen. Schließlich seien Ärzte da, um Menschen zu behandeln, um ihre Krankheiten zu heilen oder ihr Leiden zu mildern, so der Mediziner. Liebau verweist auf das Schicksal eines sechsjährigen Flüchtlingskindes, das im Frühjahr aus Clausthal-Zellerfeld nach Serbien abgeschoben werden sollte. Das Kind hat eine ungewöhnlich schwere angeborene Herzmissbildung, jeder kleinste Infekt kann lebensbedrohlich sein, deshalb sei eine ständige gesundheitliche Überwachung nötig, schildert Liebau den Fall. „Die alleinige Beurteilung der Reisefähigkeit – auch mit ärztlicher Begleitung – wird dem komplexen Krankheitszustand wie in diesem Fall überhaupt nicht gerecht“, sagt Liebau.
Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen kennt das Problem. Mittlerweile sei es weitgehend übliche Praxis, dass Ärzte bei Abschiebungen mit dabei seien. Zu viele Abschiebungen seien gescheitert, weil Flüchtlinge nicht reisefähig waren. Oft seien die Menschen durch ihr Erlebtes traumatisiert, litten unter Depressionen oder seien wegen der drohenden Abschiebung gar suizidgefährdet. „Die Frage ist dann doch, ob der Mensch in dem Land, in das er abgeschoben wird, überhaupt eine Behandlung bekommt“, sagt Weber. Genau das sei oft nicht der Fall.
Aus: 29.11.2012 / HAZ Seite 8 Ressort: NIEDERSACHSEN
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