Mit warmen Worten (siehe hier) haben gestern Bundesinnenminister Friedrich und der niedersächsische Innenminister Schünemann 105 Flüchtlinge (Christen aus dem Irak) auf dem Flughafen in Langenhagen willkommen geheißen, die im Rahmen des sog. Resettlementprogramms in Deutschland Aufnahme finden. Nachdem am 3. September zunächst 195 Flüchtlinge aus Choucha in Deutschland Aufnahme fanden (siehe hier), ist damit das für 2012 zugesagte Kontingent von 300 aufgenommenen Flüchtlingen erfüllt. Auch 2013 und 2014 sollen jeweils 300 Flüchtlinge im Rahmen des Resettlement-Programms in Deutschland aufgenommen werden.
Natürlich sind 900 zugesagte Aufnahmeplätze bis Ende 2014 nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, kaum geeignet, das Weltflüchtlingsproblem nennenswert zu entschärfen. UNHCR hat inzwischen über 300 000 syrische Flüchtlinge allein in den Nachbarstaaten Syriens registriert. Flüchtlingsverbände fordern seit langem eine Ausweitung des Programms und eine nennenswerte Beteiligung der Bundesrepublik am Resettlementprogramm des UNHCR. Eine Gelegenheit hierzu böte die Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern Anfang Dezember. Zahlreiche Kommunen haben sich, angeregt durch die Kampagne „save me„, inzwischen zur Aufnahme von mehr Flüchtlingen bereit erklärt.
Der Flüchtlingsrat begrüßt dennoch die aktuelle Aufnahmeaktion, nicht nur weil sie Flüchtlinge begünstigt, die ein schweres Schicksal hinter sich haben und eine Zuflucht brauchen, sondern auch, weil sie exemplarisch vorführt, wie eine Flüchtlingspolitik auch vorstellbar wäre: Die Betroffenen erhalten von Anfang an eine Aufenthaltserlaubnis, den Zugang zu Sprachkursen und Integrationshilfen sowie eine Arbeitserlaubnis. Politik und Behörden bemühen sich in bemerkenswerter Weise darum, dass – im Unterschied zu 2011 (siehe Beispiel Goslar) – diesmal nichts schief geht und die Flüchtlinge auch vor Ort in den Kommunen eine menschenwürdige Aufnahme finden.
Kein Wort verloren die Innenminister indes über das Schicksal der rund 7.200 irakischen Flüchtlinge, die seit Jahr und Tag mit einer „Duldung“ in Deutschland leben. Sie unterliegen einem einjährigen Arbeitsverbot sowie weiteren gravierenden Beschränkungen ihrer Freiheit (Residenzpflicht, Wohnsitzauflagen), haben keinen Zugang zu Sprachkursen und erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleitungsgesetz als „Sachleistung“. Man würde sich wünschen, dass ein bisschen von dem Mitgefühl, dass die Politik den 105 Christen aus dem Irak entgegenbringt, auch auf die Flüchtlinge abfärbt, die schon lange in Deutschland leben. Flüchtlinge aus dem Irak, aus Afghanistan oder Somalia werden aufgrund der bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse in ihrem Herkunftsland seit Jahren nicht abgeschoben. Wann endlich räumt man auch ihnen ein Aufenthaltsrecht und eine Integrationsperspektive in Deutschland ein?
siehe hierzu auch: FR vom 10. Oktober 2012: Debatte um Flüchtlinge
gez. Kai Weber
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