Dobrindt verschafft Taliban Zugang zu sensiblen Daten in afghanischen Botschaften

Das Personal des afghanischen Generalkonsulats in Bonn hat geschlossen gekündigt. Mit dem Schritt protestiert die Belegschaft dagegen, dass die Bundesregierung dort Taliban-Vertreter tätig werden lässt. Das geht aus der nachfolgenden Pressemitteilung der Botschaftsmitarbeiter*innen hervor, die sich bis dato tapfer gegen eine Einflussnahme der Taliban auf die Aktivitäten der Botschaft gewehrt hatten. Darin heißt es, das Personal sehe sich „außerstande, unseren Dienst unter diesen neuen Umständen fortzusetzen.“

Hier Auszüge aus der Stellungnahme:
„…In den vergangenen nahezu vier Jahren haben wir die persönlichen Daten und Dokumente von Hunderttausenden afghanischer Staatsangehöriger, insbesondere jener, die im Rahmen internationaler Evakuierungs- und Umsiedlungsprogramme aus Afghanistan evakuiert wurden, geschützt. Diese Unterlagen sind unter strikter Wahrung von Vertraulichkeit und technischen Sicherheitsstandards sicher aufbewahrt worden. Trotz erheblichen Drucks haben wir diese Materialien nie an die Taliban übergeben.
Neben den Dokumenten der Bürgerinnen und Bürger wurden auch Archive mit wichtigen Unterlagen des afghanischen Außenministeriums sowie sämtlicher diplomatischer und konsularischer Vertretungen Afghanistans im Ausland seit vielen Jahren in diesem Generalkonsulat sicher verwahrt.
Im Zuge aktueller politischer Entwicklungen – insbesondere im Zusammenhang mit Bestrebungen zur zwangsweisen Abschiebung einiger afghanischer Staatsangehöriger – haben die deutschen Behörden nun zwei  Vertreter der Taliban als Diplomaten zugelassen. Einer von ihnen soll diesem Generalkonsulat in Bonn zugewiesen werden, wo er die Verantwortung für Dienstleistungen übernehmen würde, die sich auf Europa, Nordamerika und Australien erstrecken.
Dieser Schritt widerspricht den Werten, die wir hochhalten. Unser Team hat stets fest zu Demokratie, Menschenrechten und grundlegenden Freiheiten gestanden – insbesondere zum Recht auf Bildung für Frauen und zum Schutz von Kindern. Dies sind nicht nur Prinzipien; sie bilden das Fundament der Republik, der wir einst dienten. Gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen in anderen afghanischen Missionen weltweit,  die ebenfalls ernste Bedenken hinsichtlich der Sicherheit von Bürgerdokumenten und der Folgen einer Legitimierung eines Regimes geäußert haben, das diesen Werten entgegensteht, sehen wir uns außerstande, unseren Dienst unter diesen neuen Umständen fortzusetzen.
Daher erklären die Leitung sowie sämtliche diplomatischen und technischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Generalkonsulats der Islamischen Republik Afghanistan in Bonn hiermit geschlossen ihren Rücktritt aus Protest gegen diese Entscheidung. …“

Hintergrund ist folgender:

Einige afghanische Botschaften und Konsulate arbeiten seit der Machtübernahme der Taliban ohne Kontakt zu der Defacto-Regierung. Andere Botschaften sind inzwischen von den Taliban übernommen, wie etwa in Russland oder im Iran. Auch die Botschaft in München wird von den Taliban kontrolliert.
Das Konsulat in Bonn hat eine zentrale Position (technische und konsularische Unterstützung) für die afghanischen Botschaften in Europa, in Kanada, in Australien und in den USA. Die Aufkleber für die Verlängerung afghanischer Pässe z.B. kamen aus Bonn und wurden an die entsprechenden Botschaften verteilt, entgegen dem erklärten Willen der De-facto-Regierung. Es gab Widerstand aus den Botschaften, wenn die Taliban versuchten, ihre Leute als Diplomaten zu akkreditieren. Bundesinnenminister Dobrindt hat jetzt dafür gesorgt, dass zwei talibantreue Diplomaten akkreditiert wurden und einer davon die Leitung des Konsulats in Bonn übernimmt. Aus Protest gegen diesen Vorgang hat das bisherige Personal des Konsulats gekündigt.

Bewertung:

Dobrindt und Wadephul haben also dafür gesorgt, dass die Taliban nun an zentraler Stelle Zugriff auf die verbliebenen nicht kooperativen Botschaften bekommen. Um Abschiebungen nach Afghanistan mit der Unterstützung der Taliban umsetzen zu können, verbündet sich der deutsche Innenminister Dobrindt also mit den Taliban gegen die mit diesen bis dato nicht zusammenarbeitenden afghanischen Botschaften und verschafft den Taliban Zugang zu den dort gespeicherten Daten. Mit diesem Schritt gefährdet der deutsche Innenminister das Leben und die Freiheit etlicher Afghan*innen, die sich in der Hoffnung auf Unterstützung an die abtrünnigen afghanischen Botschaften gewandt hatten.  Geht es noch schäbiger?

siehe auch: taz vom 29.09.2029: Afghanisches Konsulats-Personal schmeißt hin

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