Gedenken an die Opfer von Abschiebungen und Abschiebehaft am 30.08.25 in Hannover-Langenhagen.
Der 30. August ist der bundesweite Gedenk- und Aktionstag gegen Abschiebungen und Abschiebehaft. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen und Pena.ger, die bundesweite Online-Beratungsstelle für Geflüchtete rufen daher zusammen mit dem Netzwerk gegen Abschiebungen, der Roten Hilfe Hannover, der Seebrücke Hannover und Solinet Hannover für diesen Tag zu einer Demonstration am und im Flughafen sowie vor dem Abschiebegefängnis Hannover-Langenhagen auf.
„Die Asyl- und Flüchtlingspolitik unter der neuen Bundesregierung wird immer rücksichtsloser. Grundlegende Menschen- und Grundrechte scheinen keine Rolle mehr zu spielen. Die Abschiebehaft als eines der brutalsten Mittel zur Durchsetzung von Abschiebung, bringt dies sehr deutlich zu Tage“, sagt Sigmar Walbrecht.
Das Aufenthaltsgesetz lässt Freiheitsentzug von bis zu 18 Monaten zu, ohne dass die Inhaftierten eine Straftat begangen hätten. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen weist darauf hin, dass die Voraussetzungen, unter denen Abschiebehaft oder -gewahrsam verhängt werden darf, immer weiter abgesenkt wurden:
„Unsere Erfahrungen aus der Beratung von Abschiebegefangenen zeigen, dass Abschiebehaftanträge der Ausländerbehörde oft nur unzureichend von den Haftrichter:innen geprüft werden und sich die Haft später nicht selten als rechtswidrig erweist. Und nun plant die Bundesregierung mit einem Gesetzentwurf die Abschaffung des erst im letzten Jahr eingeführten Pflichtanwalts, der Menschen, gegen die Haft beantragt wird, zu ihrem Recht verhelfen soll.“
Gleichzeitig scheinen menschenrechtliche Bedenken bei Abschiebungen eine immer geringere Rolle zu spielen, wenn beispielsweise Verhandlungen mit dem Taliban-Regime
aufgenommen werden, um regelmäßige Abschiebungen nach Afghanistan zu ermöglichen oder wenn Oppositionelle in die Fänge des türkischen Regimes ausgeliefert werden sollen.
„Der Flughafen und das Abschiebegefängnis in Hannover-Langenhagen scheinen uns geeignete Orte für Proteste gegen die skrupellose Asyl- und Abschiebepolitik und für das Gedenken an seine Opfer zu sein. Einerseits weil wir leider feststellen müssen, dass sich der Flughafen Hannover immer mehr zum Drehkreuz für Sammelabschiebungen aus ganz Deutschland entwickelt, andererseits nicht zuletzt auch deshalb, weil die gnadenlose Abschiebemaschinerie auch in Niedersachsens zentralem Abschiebungsgefängnis ein Opfer forderte, an das erinnert werden soll“.
Am 8. Dezember 2000 erhängte sich der damals 17-jährige Arumugasamy Subramaniam in seiner Gefängniszelle aus Angst vor der bevorstehenden Abschiebung in das damals im Bürgerkrieg befindliche Sri Lanka.
„Die Rechte schutzsuchender Menschen stehen unter enormen Beschuss. Menschenrechte und internationales Recht werden zunehmend in Frage gestellt. Wir sehen darin eine große Gefährdung des Rechtsstaats an sich. Wenn wir die Rechte Geflüchteter verteidigen, verteidigen wir unser aller Rechte!“, betont Pena.ger, die bundesweite Online-Beratungsstelle für Geflüchtete.
Die Demonstration beginnt am Sonnabend, 30.08.2024, um 16.30 Uhr
an der S-Bahnhaltestelle Hannover Flughafen.
Der Aufruf ist u.a. hier abzurufen: https://www.nds-fluerat.org/veranstaltungen/gedenktag-abschiebungen-abschiebehaft/
Hintergrund:
Der 30. August wurde 2002 als Gedenktag für die Opfer von Abschiebungshaft eingeführt. Er ist ein besonders tragisches Datum, an dem vier Menschen im Zusammenhang einer Abschiebung starben:
- 30. August 1983: Kemal Altun springt aus dem Fenster des Westberliner Verwaltungsgerichtes und erliegt seinen Verletzungen. Zu diesem Zeitpunkt ist er 23 Jahre alt und verbringt während eines Auslieferungsverfahrens in die Türkei 13 Monate in Auslieferungshaft.
- 30. August 1994: Kola Bankole erstickt in einer Lufthansamaschine auf dem Weg nach Nigeria. Er wurde während der Abschiebung geknebelt, gefesselt und mit Psychopharmaka ,ruhig gespritzt‘.
- 30. August 1999: Rachid Sbaai stirbt in einer Arrestzelle der JVA Büren, da die Matratze der Einzelhaftzelle in Brand geriet.
- 30. August 2000: Antankou Dagwasoundel stürzt bei dem Versuch, sich aus dem Fenster seines überwachten Krankenhauszimmers abzuseilen und sich so der bevorstehenden Abschiebungshaft in Berlin-Köpenick zu entziehen, in den Tod.
Kontakt:
Sigmar Walbrecht, Flüchtlingsrat Niedersachsen: sw@nds-fluerat.org, Tel 0511 / 84 87 99 73
Am 30.08.24 vor Ort: Simon Wittekindt: swi@nds-fluerat.org, Tel 0178 323 5232
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