UNHCR-Bericht : Zahl der Geflüchteten hat sich seit 2015 fast verdoppelt

Mindestens 122,6 Millionen Menschen auf der ganzen Welt waren nach Angaben von UNHCR (Stand Juni 2024) gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen. Das sind rund zwei Millionen mehr als ein Jahr zuvor, wie aus dem jüngsten Weltflüchtlingsbericht hervorgeht, den die Organisation heute vorgestellt hat. Hinzu kommen Millionen staatenlose Menschen, denen eine Staatsangehörigkeit verweigert wurde und die keinen Zugang zu grundlegenden Rechten wie Bildung, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung und Bewegungsfreiheit haben.

Der Trend in Richtung auf eine Zunahme der weltweiten Vertreibung setzt sich fort. Insbesondere der Konflikt im Sudan, der im April 2023 begann, hat neue Fluchtbewegungen ausgelöst und die Gesamtzahl der Vertriebenen damit weiter ansteigen lassen. Insgesamt gelten dort 14,3 Millionen als vertrieben – noch mehr als in Syrien, wo 13,5 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen haben. Weitere Staaten mit besonders vielen Vertriebenen sind Afghanistan mit 10,3 Millionen und die Ukraine mit 8,8 Millionen.

Damit hat sich die Zahl der Vertriebenen in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Die dem UNHCR zur Verfügung stehenden Mittel wurden seit 2015 jedoch nicht aufgestockt, so Filippo Grandi, der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge.

„Wir erleben einen dramatischen Rückgang der Ressourcen“, sagt er. Das hänge zum einen damit zusammen, weil die US-Beiträge eingefroren wurden, zum anderen aber auch, weil andere Länder weniger geben würden. „Wir haben also weniger Geld und viel mehr Menschen, denen wir in sehr komplizierten Situationen helfen müssen“.

In einem Gespräch mit der tagesschau verdeutlicht Grandi die Konsequenzen am praktischen Beispiel: Äthiopien hat über eine Million Flüchtlinge aufgenommen – vor allem aus dem Nachbarland Sudan, wo der brutale Krieg fast 14 Millionen Menschen vertrieben hat. Aber für die nach Äthiopien geflohenen Sudanesinnen und Sudanesen hat das Flüchtlingshilfswerk jetzt nur noch halb so viel Geld wie 2024.

„Zum Beispiel mussten wir alle Hilfen für Frauen, die in diesen Kriegen vergewaltigt worden sind, stoppen – denn das Programm war größtenteils von den USA finanziert. Wir haben unterernährte Kinder, deren Behandlung in Krankenhäusern und Flüchtlingslagern auf ein Minimum reduziert werden muss, um schnell Platz zu haben für noch mehr unterernährte Kinder, die extreme Hilfe benötigen.“

Laut einer aktuellen Analyse der Organisation Oxfam werden die G7-Staaten ihre Ausgaben für Entwicklungshilfe bis 2026 um voraussichtlich 28 Prozent kürzen. UN-Flüchtlingshochkommissar Grandi kritisiert diese Politik der wichtigsten westlichen Industrieländer als „sehr kurzsichtig“: Die fehlende Hilfe werde die Menschen letztlich in die Flucht Richtung Europa treiben.

„Europa ist von einem Krisengürtel umgeben“, so Grandi. „Wenn wir nun, wie es der Fall ist, die humanitäre Hilfe halbieren müssen, dann wird das zu Migrationsbewegungen führen. 250.000 Sudanesen sind derzeit in Libyen – weil sie im Sudan oder in den Nachbarländern keine Hilfe mehr bekommen konnten. Und wir alle wissen: nach Libyen zu gehen, bedeutet weiterzuziehen – nach Europa.“

Die große Mehrheit der Geflüchteten lebt nach wie vor nicht in reichen Regionen wie Europa, sondern es sind arme Länder wie Äthiopien, die 73 Prozent der Flüchtlinge weltweit aufnehmen.

„Aber in den reichen Ländern“, so Filippo Grandi, „herrscht immer die Vorstellung, dass alle dort hinkommen wollen – dass es eine nicht zu bewältigende Invasion von Flüchtlingen gebe. Diese Wahrnehmung wurde sorgfältig gepflegt von gewissen Leuten des politischen Establishments, die damit Wahlen gewinnen.“

Nachtrag: Hier die Presseerklärung des UNHCR

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