Nach wiederholten Ermordungen von Menschen religiöser Minderheiten in Syrien fordert der Flüchtlingsrat die Bundesregierung auf, den Entscheidungsstopp für syrische Geflüchtete zu beenden. Den Angehörigen hier lebender Geflüchteter aus Syrien muss zeitnah eine Aufnahme bei ihren in Deutschland lebenden Verwandten ermöglicht werden.
„Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die neuen Machthaber in Damaskus nicht in der Lage sind, Minderheiten in Syrien effektiven Schutz zu gewähren. Viele Menschen fliehen in Todesangst aus dem Land“, erklärt Karim Alwasiti, Referent beim Flüchtlingsrat Niedersachsen. „Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen sollten wieder inhaltlich geprüft und entschieden werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass weiterhin Syrien von einem stabilen Frieden noch weit entfernt ist. Jederzeit kann es v.a. durch die Islamisten zu neuen Gewaltausbrüchen und Angriffen kommen. Davon bedroht sind insbesondere Frauen, die für ihre Rechte kämpfen und Minderheiten“.
In den vergangenen Tagen kam es in den syrischen Städten Ashrafiyat Sahnaya und Dscharamana zu schweren und erschütternden Ereignissen, bei denen einheimische Drusen-Gemeinschaften brutal angegriffen wurden. Zunächst wurden Sicherheits-Checkpoints, eingerichtet von einheimischen Drusen und staatlichen Sicherheitskräften der neuen Regierung, von extremistischen islamistischen Gruppen angegriffen. Die Verteidiger versuchten, die Ordnung aufrechtzuerhalten und ihre Gemeinschaften zu schützen, doch die Angreifer agierten mit großer Brutalität und ohne Rücksicht auf ziviles Leben. Nach zwei Tagen intensiver Kämpfe wurde die Verteidigungslinie durchbrochen. Die Städte blieben ohne Hilfe zurück, was den Extremisten ermöglichte, die Kontrolle zu übernehmen. Anschließend begannen organisierte Massaker gegen die drusische Bevölkerung. Dabei wurden gezielt islamistische Aufrufe verbreitet, in denen die Drusen als „verfluchte Ungläubige“ bezeichnet und zur Auslöschung aufgerufen wurden. Mehrere Zivilisten wurden kaltblütig hingerichtet. Die Hälfte der einheimischen Bevölkerung musste unter Beschuss fliehen, um sich vor weiteren Gewalttaten zu retten. Diese Angriffe stellen eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung und ein alarmierendes Beispiel islamistisch motivierter Gewalt dar.
Vor diesem Hintergrund ist es unverantwortlich, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weiterhin nicht über Asylanträge syrischer Schutzsuchender entscheidet und auch den Familiennachzug zu syrischen Geflüchteten auf Eis legt. Das BAMF kann seine Entscheidungen zu Syrien nicht endlos aussetzen, sondern zunächst für maximal sechs Monate (§ 24 Abs. 5 AsylG).
„Wir fordern die Bundesregierung auf, den Entscheidungsstopp für Syrien aufzuheben und den Familiennachzug umgehend wieder zuzulassen. Die aktuellen Ereignisse machen deutlich, dass die neue Regierung in Damaskus keine Sicherheit gewährleisten kann.“, so Karim Alwasiti.
Bereits die Massaker, die Islamisten im März an der alewitischen Bevölkerung begangen haben, die hunderte ziviler Opfer zur Folge hatten, haben unmissverständlich deutlich gemacht, dass der Bürgerkrieg in Syrien nicht beendet ist. Auch viele Frauen, mit denen wir gesprochen haben, befürchten, dass ihnen durch den Einfluss der Islamisten die ihnen zustehenden Rechte vorenthalten werden. Die Übergangsregierung in Syrien ist entweder nicht in der Lage oder nicht Willens, den islamistischen Milizen Einhalt zu gebieten. In sämtlichen Regionen des Landes ist die Sicherheitslage brüchig.
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...