Niedersächsisches Innenministerium wäscht Ausländerbehörde des LK Gifhorn weiß

Hat die Ausländerbehörde in Gifhorn den nepalesischen Flüchtling Shambu Lama in den Tod getrieben? Diese Anfrage der Linken beantwortet die Landesregierung mit einem eindeutigen Nein. Sie nimmt dabei das Verhalten der Ausländerbehörde des Landkreises in Bausch und Bogen öffentlich in Schutz  (siehe hier) und schreckt nicht davor zurück, den Sachverhalt zu verdrehen und einzelne Fakten falsch wiederzugeben. Auch wenn es gewiss zu weit ginge, dem Landkreis Gifhorn eine unmittelbare kausale Schuld für den Tod des Flüchtlings zuzuweisen, so sind doch die Umgangsformen der Ausländerbehörde Gifhorn mit Flüchtlingen mehr als skandalös. Man hätte sich gewünscht, dass das Land eine wirkliche Aufarbeitung des Falls vorgenommen und nicht nur sein Bedauern über den „tragischen Tod“ zum Ausdruck gebracht hätte, um dann im nächsten Schritt eine fragwürdige Rechtfertigung des Behördenhandelns in Gifhorn vorzunehmen. Hier eine notwendige Kritik der MI-Stellungnahme:

  1. Das Innenministerium verschweigt in seiner Antwort, dass die Ausländerbehörde in Gifhorn der Anwältin trotz Bitte um Akteneinsicht und telefonischer Rückfrage nicht darüber unterrichtet hat, dass eine Abschiebung bereits im Dezember 2010 mit den nepalesischen Behörden verabredet wurde. Eine Akteneinsicht wurde der Anwältin wochenlang mit fadenscheinigen Begründungen verweigert. Obwohl im Januar ein Passersatzpapier von der Botschaft ausgestellt wurde, erklärte die Ausländerbehörde noch am 27.01.2011 gegenüber der Anwältin, dass eine Abschiebung nicht anstünde.
  2. Das Innenministerium behauptet, der Landkreis hätte vor einer Abschiebung von Shambu Lama  die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abwarten wollen. In der Antwort des Landkreises vom 01.03.2011 auf die Bitte des Verwaltungsgerichts, die Abschiebung auszusetzen, findet sich nichts, was sich auch nur annähernd als eine Aussage dahingehend auslegen ließe, dass man die Abschiebung nicht durchführen werde. Der Landkreis erklärte vielmehr wörtlich: „Als Termin wird der 03. März 2011 festgesetzt.“ Insofern verdreht das Innenministerium die Fakten, wenn es behauptet: „Noch bevor die Ausländerbehörde die notwendigen Maßnahmen zur Stornierung der Abschiebung einleiten und das VG BS über den Antrag entscheiden konnte hat sich Herr Lama am 01.03.2011 selbst getötet.“
  3. Das Innenministerium behauptet in seiner Stellungnahme fälschlich, die Ausländerbehörde Gifhorn habe am 01.03.2011 gegenüber dem Verwaltungsgericht „sehr ausführlich Stellung genommen“ und „umfassend dargelegt“, dass Shambu Lama kein Aufenthaltsrecht wegen seines Kindes beanspruchen könne. Der Landkreis beschränkte sich in diesem Schreiben darauf zu behaupten, dass die Kindesmutter Nadine Tannenberg nicht überzeugend habe darlegen können, dass sie explizit Interesse am Umgang des Herrn Lama mit seinem Sohn habe. Das Schreiben der Kindsmutter vom 24. Februar 2011, das das Gegenteil belegt, erklärte sie ohne jeden Beleg und ohne Nachfrage bei der Kindsmutter für eine wahrscheinliche Fälschung. In dem Schreiben von Frau Tannenberg heißt es u.a.: „Herr Lama hat jeden Umgangstermin wahrgenommen, bemüht sich sehr um Joshua und gibt sich große Mühe. Ich und auch mein Ehemann, der ab und zu dabei ist, merken, dass sein Sohn ihm viel bedeutet. Für Joshua halte ich es für sehr wichtig, dass er die Möglichkeit hat, seinen leiblichen Vater zu sehen.“
  4. Das Innenministerium behauptet, eine Aufenthaltserlaubnis sei auch deshalb nicht in Betracht gekommen, weil Herr Lama im Jahr 2010 wegen Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden sei. Ein solcher Sachverhalt ist freilich der Anwältin unbekannt und von der Ausländerbehörde gegenüber dem Verwaltungsgericht Braunschweig niemals vorgetragen worden. Die Behauptung, Shambu Lama sei ein Straftäter gewesen, wird hier vom Innenministerium als treffliches Argument für eine Abschiebung benutzt, ohne dass von uns überprüfbar wäre, ob eine solche Verurteilung tatsächlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegengestanden hätte. So schwerwiegend kann die Verurteilung freilich nicht gewesen sein, sonst hätte das Verwaltungsgericht in seinem Kostenbeschluss vom 16.03.2011 nicht die Verfahrenskosten wegen des wahrscheinlich erfolgreichen Ausgangs des Klageverfahrens der Ausländerbehörde aufgebürdet.
  5. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme des Innenministeriums: „Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hat zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass Zweifel daran bestünden, dass der Verstorbene tatsächlich Vater eines deutschen Kindes sei.“ Offenbar haben wir dann wohl die folgende Passage aus der Stellungnahme des Innenministeriums falsch verstanden: „Herr L. soll angeblich Vater eines deutschen Kindes sein. Er hat der Ausländerbehörde weder ein Geburtsurkunde noch eine Vaterschaftsanerkennung, Sorgerechtserklärung oder ein sonstige Erklärung abgegeben auf Grund dessen die ABH ein mögliches Aufenthaltsrecht hätte prüfen können.“ (siehe hier)
  6. Das Innenministerium behauptet, es habe „nach der Antragstellung beim VG BS am 25.02.2011 bis zu dem tragischen Ereignis am Nachmittag des 01.03.2011 keinen persönlichen oder fernmündlichen Kontakt zwischen dem Ausländer und einem Mitarbeiter der Ausländerbehörde des Landkreises Gifhorn gegeben.“ Dem widersprechen die Aussagen von Frau Tannenberg: Ihren Angaben zufolge reiste Shambu Lama am 28.02.2011 nach Bad Harzburg, um seinen Sohn zu besuchen. Er berichtete ihr, dass es bei der Ausländerbehörde Gifhorn zunächst Schwierigkeiten gegeben hatte, eine Besuchserlaubnis für seinen Sohn zu bekommen. Er sei am Morgen des 28.02.2011 erneut bei der Ausländerbehörde gewesen, um eine Besuchserlaubnis für den Besuch bei seinem Sohn zu bekommen. Diese habe er dann bekommen. Frau Tannenberg berichtet, Herr Lama habe ihr und ihrem Mann diese Besuchserlaubnis an diesem Tage gezeigt und erzählt, dass er darum habe „betteln“ müssen, geweint habe und diese nicht sofort bekommen habe. Shambu Lama sei darüber sehr verzweifelt gewesen.

Fazit: Wieder einmal wird von Seiten des Innenministeriums eine Ausländerbehörde „weißgewaschen“, deren offensichtliche Verfehlungen im Umgang mit einem Flüchtling, welcher aufgrund seiner gelebten Vaterschaft zu einem deutschen Kind nicht abgeschoben werden durfte und sich, durch die Abschiebungsdrohung in die Enge getrieben, schließlich das Leben nahm, offensichtlich sind. Die Dienstaufsichtsbeschwerde der Anwältin Daniela Öndül spricht für sich. Unsere Hoffnung, das niedersächsische Innenministerium könnte zumindest in diesem Fall seine Rolle als Fachaufsicht ernst nehmen, hat sich auf’s Neue nicht erfüllt.

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