von PRO ASYL
Seitdem Machthaber Putin in Russland die Teilmobilisierung für den Krieg gegen die Ukraine ausgerufen hat, melden sich minütlich Männer und Frauen bei PRO ASYL, die aus Angst vor dem Kriegsdienst und staatlicher Repressionen aus dem Land fliehen wollen. Dies sind die Informationen, die wir den Betroffenen aktuell geben können.
Einen Asylantrag kann man nicht aus dem Ausland stellen. Wer in Deutschland einen Asylantrag stellen will, kann dies nur in Deutschland selbst bzw. an einer Außengrenze tun. Dies gilt genauso auch in anderen EU-Staaten.
Zur Einreise nach Deutschland
Russische Staatsbürger:innen benötigen für die legale Einreise nach Deutschland ein Visum. Die Visavergabe wird sehr restriktiv gehandhabt. Es gibt Schengenvisa und Visa für langfristige Aufenthalte, etwa für Fachkräfte (Informationen dazu hier und hier). Die Nachbarstaaten zu Russland Estland und Lettland sowie Litauen und Polen lassen seit dem 19. September 2022 aber keine russischen Staatsangehörigen mit einfachen Schengen-Visa mehr einreisen, wodurch der Landweg stark eingeschränkt ist. Direkte Flugverbindungen nach Deutschland bestehen aktuell nicht.
Deutschland hat in einigen besonders herausgehobenen Fällen von Personen, die öffentlich aufgetreten sind, etwa kritische Journalist:innen, auch humanitäre Visa erteilt. Für die Mehrheit der Personen wird das aber aktuell keine schnelle Lösung sein. Die deutschen Auslandsvertretungen lehnen solche Anträge in aller Regel ab. Aussagen von Politikern, Deutschland sei bereit, Personen, die gegen den Krieg sind oder nicht kämpfen wollen, aufzunehmen und ihnen Asyl zu geben, scheitern derzeit vor allem an fehlenden praktischen Möglichkeiten der Einreise!
Zu den Chancen im Asylverfahren
Stellt eine Person in Deutschland einen Asylantrag, prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als erstes, ob Deutschland nach der europäischen Verordnung, die die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrags regelt, überhaupt zuständig ist. Diese sogenannte Dublin-III-Verordnung gilt in allen EU-Ländern und in Norwegen, Island, Liechtenstein und der Schweiz. In der Regel ist der Staat für das Asylverfahren zuständig, der das Visum für die Einreise erteilt hat. Bei illegaler Einreise ist der Staat zuständig, den die Person als erstes betreten hat. Schiebt Deutschland eine asylsuchende Person innerhalb einer bestimmten Frist nicht in den zuständigen EU-Staat ab, geht die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrages auf Deutschland über. Mehr Informationen zu Dublin-Verfahren finden Sie hier.
Ist Deutschland für das Asylverfahren zuständig (geworden), prüft das BAMF die individuellen Asylgründe:
Personen, die aus dem bereits angetretenen Militärdienst in Russland desertieren, können unserer Einschätzung nach eine Flüchtlingsanerkennung bekommen. Hiervon geht auch das Bundesinnenministerium bei Deserteuren aus. Wer aus dem aktiven Militärdienst flieht, sollte dies möglichst durch entsprechende Dokumente nachweisen und glaubhaft machen, warum er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, Menschen im Krieg zu töten. Noch offen ist, ob das BAMF verlangen wird, dass die Personen zunächst noch in Russland versuchen müssen, den Kriegsdienst zu verweigern. In Russland gibt es dazu aber nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten.
Die Rechtsprechung in Deutschland zur Militärdienstverweigerung ist grundsätzlich restriktiv: Es wird als legitimes staatliches Handeln gesehen, Bürger zum Militärdienst zu verpflichten und bei Verweigerung auch zu bestrafen. Nur wenn diese Bestrafung unverhältnismäßig hoch ist oder wenn durch die Verweigerung eine politische Verfolgung ausgelöst wird, wird ein Militärdienstverweigerer als Flüchtling anerkannt – hiervon ist bei russischen Deserteuren auszugehen. Auch wenn der Asylsuchende im Kriegsdienst etwa zur Teilnahme an Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit verpflichtet gewesen wäre, kann er unter Umständen als Flüchtling anerkannt werden.
Für Kriegsdienstverweigerer, die noch nicht eingezogen wurde, gibt es keine vergleichbaren Aussagen der Bundesregierung bezüglich des Schutzes in Deutschland. Auch wer bisher nur einen Einberufungsbefehl bekommen hat, sollte diesen im Asylverfahren vorlegen, um zu belegen, dass die Einberufung kurz bevorstand. Auch wer nachweisen kann, zur Gruppe derjenigen zu gehören, die von der Teilmobilmachung erfasst sind, sollte entsprechende Nachweise im Asylverfahren vorlegen. Ob auch diese Personen im Asylverfahren anerkannt werden, können wir noch nicht absehen. Die politischen Zeichen sprechen dafür. Die bisherige Praxis des BAMF sah aber anders aus. Das BAMF könnte aufgrund der oben genannten Punkte also in diesen Fällen auch ablehnen.
Es gibt Berichte, dass auch jenseits der offiziellen Kriterien der Teilmobilmachung Männer im wehrpflichtigen Alter zum Wehrdienst eingezogen werden. Ob auch diese einen Schutzstatus im Asylverfahren bekommen können ohne bereits einen Einberufungsbefehl zu haben, ist derzeit noch nicht abzusehen. Das wird davon abhängen, ob das BAMF die Gefahr zur Einberufung als ausreichend wahrscheinlich einschätzt.
Auch Oppositionelle oder verfolgte Journalist:innen können im Asylverfahren einen Schutzstatus in Deutschland bekommen. Die vorgebrachte Verfolgung und die Gründe hierfür müssen im Asylverfahren glaubhaft gemacht werden. Weitere Informationen zum Asylverfahren in Deutschland finden Sie hier.
Wenn sich die Lage ändert oder wir genauere Auskunft geben können, werden wir entsprechende Hinweise auf unserer Homepage veröffentlichen.
Da es zurzeit keine direkten Flugverbindungen nach Russland gibt, gehen wir davon aus, dass derzeit Abschiebungen nach Russland unmöglich sind.
– – – – – – – English version – – – – – –
You cannot apply for asylum from abroad. Only those who are already in Germany can apply for asylum.
Access to Germany
Russian citizens need a visa to enter Germany legally. The issuing of visas is handled very restrictively. There are Schengen visas and visas for long-term stays, such as for skilled workers (information here and here). However, since September 19 this year, Russia’s neighbours Estonia and Latvia as well as Lithuania and Poland no longer allow Russian citizens to enter the country on simple Schengen visas, which severely restricts land travel. There are currently no direct flight connections to Germany.
Germany has also granted humanitarian visas in some particularly high-profile cases of people who have made public appearances, such as critical journalists. For the majority of people, however, this will not be a fast solution at the moment. The German embassies and consulates generally reject such applications. Statements by politicians that Germany is willing to take in people who are against the war or do not want to fight and to give them asylum are currently failing mainly due to a lack of practical possibilities to enter the country!
Asylum in Germany
If a person applies for asylum in Germany, the Federal Office for Migration and Refugees (BAMF) first checks whether Germany is responsible for this according to the European Regulation, which regulates the responsibility for examining a request for asylum. This so-called Dublin III Regulation applies in all EU countries and in Norway, Iceland, Liechtenstein and Switzerland. As a rule, the state that issued the visa for entry is responsible for the asylum procedure. In the case of illegal entry, the state that the person entered first is responsible. If Germany does not deport an asylum seeking person within a certain period of time, the responsibility for examining the asylum application is transferred to Germany. You can find more information on Dublin procedures here.
If Germany has (become) responsible for the asylum procedure, the BAMF examines the grounds for asylum individually.
Persons who desert from active military service in Russia can, in our estimation, receive refugee recognition. This is also the assumption of the Federal Ministry of the Interior in the case of deserters. Those who flee from active military service should, if possible, prove this with appropriate documents and credibly explain why they cannot reconcile killing people in war with their conscience. It is still open whether the BAMF will demand that people first try to refuse military service. In Russia, however, there are only very limited possibilities to do so.
Jurisprudence in Germany on military conscientious objection is generally restrictive: it is seen as legitimate state action to oblige citizens to perform military service and also to punish them if they refuse. Only if this punishment is disproportionately high or if political persecution is triggered by the refusal (which can be assumed in Russia), is a conscientious objector recognised as a refugee. If the asylum seeker would have been obliged to participate in war crimes, crimes against peace or crimes against humanity during military service, he or she may be recognised as a refugee under certain circumstances.
For conscientious objectors who have not yet been conscripted, there are no comparable statements from the German government regarding protection in Germany. Even those who have only received a conscription order so far should present it in the asylum procedure to prove that conscription was imminent. Those who can prove that they belong to the group of those who are covered by the partial mobilisation should also submit corresponding evidence in the asylum procedure. We cannot yet foresee whether these persons will also be recognised in the asylum procedure. The political signs speak in favour of this. However, the practice of the BAMF so far has been different. The BAMF could therefore also refuse in these cases due to the points mentioned above.
There are reports that even beyond the official criteria of partial mobilisation, men of military age are being called up for military service. Whether they can also be granted protection status in the asylum procedure without a conscription order is not yet foreseeable. That will depend on whether the BAMF considers the danger to conscription likely enough.
Opposition members or persecuted journalists can also be granted protection status in Germany in the asylum procedure. The persecution claimed and the reasons for it must be made credible in the asylum procedure.
As soon as we can provide more detailed information on these questions, we will publish corresponding information on our homepage.
Since there are no direct flight connections to Russia, we assume that deportations to Russia are currently impossible.
Herzlichen Dank für ihre Arbeit.
Ich bin gerade auf der Flucht vom Militärdienst in der Ukraine.
Befinde mich in Kasachstan.
Man hat mir den Link auf ihre Seite geschickt.
Schade, dass ich nicht spenden kann.
Deutsch ist meine zweite Sprache.
Machen sie es gut.
Und bis dann.
Andrei Borisov