Schünemann: Kein Bleiberecht für Roma aus dem Kosovo

Mit seiner Rede im Landtag hat der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann noch einmal verdeutlicht, dass die niedersächsische Landesregierung nicht bereit ist, vor dem Hintergrund der historischen Verantwortung Deutschlands aufgrund der gezielten Verfolgung und Ermordung von Roma und Sinti in der Zeit des deutschen Faschismus ein Aufenthaltsrecht für Angehörige dieser Personengruppe zu konstituieren, die oft schon mehr als zehn Jahre in Deutschland leben. Er stellt sich damit explizit gegen den von über 1600 Menschen unterschriebenen Appell für einen bedingungslosen Schutz von Sinti und Roma. Alle Warnungen von UNICEF, UNHCR, dem UN-Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg und vielen Menschenrechtsorganisationen vor einer weiteren Diskriminierung und Verfolgung von Roma im Kosovo (siehe hier) schlägt er in den Wind und bezieht sich zur Rechtfertigung ausgerechnet auf einen Bericht über eine zweitägige Reise von Mitarbeitern seines Hauses, die offensichtlich durchgeführt wurde, um eine Begründung für weitere Abschiebungen von Roma in das Kosovo zu liefern (siehe hierzu auch die Kritik der GfbV hier). Stefan Dünnwald, der im Auftrag von PRO ASYL die Situation von Roma-Flüchtlingen im Kosovo untersucht hat (hier), stellt dazu inhaltlich fest:

„… Im Grunde gibt es daran wenig zu kommentieren, was nicht in unserem Bericht schon dargelegt ist. Ähnlich wie im Lagebericht des AA sind in diesem Bericht zahlreiche richtige Aspekte dargestellt, die jedoch nicht verbunden werden und im Resümee nicht mehr auftauchen. Hierzu zählt die katastrophale Arbeitsmarktlage, die Beschränkung des Sozialhilfebezuges (dessen nicht hinreichende Höhe im Bericht allerdings nicht auftaucht) auf den Ort vorheriger Registrierung, hohe Mietkosten dort, wo es vielleicht Arbeit gäbe, etc. All dies verursacht eklatante Schwierigkeiten, das Überleben zu organisieren. Nicht zuletzt sind hierfür soziale Netzwerke notwendig, die vielen Rückkehrern und Abgeschobenen nicht offen stehen, sei es, dass im Kosovo erwartet wird, alle Rückkehrer müssten Geld haben, sei es, dass in einer Nachkriegs- und Vertreibungsgesellschaft größere Fluchtbewegungen vormalige soziale Netze zerstört sind. Auch aus diesem Grund erleben wir, dass zahlreiche Abgeschobene nicht im Kosovo bleiben (können), sondern in andere Staaten weiterwandern, oder den Rückweg nach Westeuropa suchen. Andere kommen bei Verwandten unter, was eine Konzentration der Minderheiten auf bestimmte Viertel und Enklaven begünstigt, mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Möglichkeit der Arbeitsbeschaffung und hohen, konfliktträchtigen Belastungen für ansässige Verwandte.

Die Gefährdungslage ist beschönigt, bzw. nicht begriffen. Sich diesbezüglich auf staatliche Angestellte zu verlassen, an deren Arbeitsplatz selbst meist eine ganze Großfamilie hängt, ist nicht seriös. Tatsächlich scheint mir die Gefährdungssituation sehr heterogen zu sein und örtlich unterschiedlich. Sie ist aber sehr schwer einzuschätzen, weil alle, nicht nur die politisch Verantwortlichen, sich bemühen, Gefährdungen herunter zu spielen, und von Übergriffen Betroffene aus Misstrauen oder Resignation keine Meldung machen.

Insgesamt würde ich die Sicherheitslage als höchst labil einschätzen, abhängig in hohem Maße auch von dem Unmut und der Perspektivlosigkeit albanischer Jugendlicher angesichts stagnierender Entwicklung, von den Auswirkungen einer zunehmenden ethnischen Segregation und Konzentration auf wenige Viertel und Orte, und natürlich auch Anlässen, die auch von Devianzverhalten der Minderheiten selbst gegeben werden können. Die überaus hohe Arbeitslosigkeit unter Minderheitenangehörigen hat verschiedene Ursachen: teilweise sehr niedriger Bildungsstand, die wohnräumliche Segregation, die wenig Rücksicht auf Arbeitsmärkte nimmt, und schließlich die ethnische Segregation des Arbeitsmarktes, die vorhandene Arbeitsplätze intern weiterreicht. Insofern ist es realitätsfern zu vermuten, ein Roma Jugendlicher, der z.B. beim German Training Centre in Mitrovica eine Ausbildung macht, würde anschließend eine Arbeit finden, wenn es nicht eine entsprechende, von Roma geführte Firma gäbe. Um die Arbeitsmarktsituation für Minderheitenangehörige tatsächlich zu verbessern, müssten energisch gezielte Maßnahmen zur Ausbildung und Existenzgründung ergriffen werden, die selbst dann aber erst mittelfristig Veränderungen herbeiführen können.

Interessant auch, dass UNHCR und lokale Behörden unisono feststellen, dass Rückkehrer aus Westeuropa nicht zur Zielgruppe von Unterstützung gehören, dies aber im Bericht unkommentiert bleibt. Insgesamt zeichnet sich der Bericht der Delegation durch eine gewisse Ignoranz gegenüber der ethnischen Segregation und damit einhergehender Diskriminierung aus. Dies betrifft auch die Bemerkungen zum URA 2 Projekt, das meines Wissens mit ausschließlich albanischer Belegschaft arbeitet (gleiches gilt für die AWO Nürnberg und das DW Trier), die, salopp formuliert, sich für Minderheitenangehörige kein Bein ausreißen. Zu URA 2 lässt sich feststellen, dass seine Existenzberechtigung daher rührt, Gerichte in Deutschland Auffangstrukturen vorzugaukeln. Dass zum Beispiel noch immer Räume vorgehalten werden zur Erstaufnahme, hat nichts mit der Realität der Rückkehrer, sondern mit den bürokratischen Erfordernissen gegenüber der Situation in Deutschland zu tun. (…)“

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