Neuer Erkenntnisse im Fall der "Serdana B"

Im Fall der am 28.09.2009 nach Pristina abgeschobenen 16jährigen Serdana B. hat der Niedersächsische Flüchtlingsrat weitere Recherchen zur Abschiebung und der jetzigen Situation von Serdana durchgeführt. Serdana hält sich nun in Bajmok, einem Dorf bei Subotica in Nord-Serbien nahe der ungarischen Grenze auf, wo sie von Jakub Hajrulahu, dem Bruder der Stiefschwester von Serdanas Mutter, und dessen Ehefrau aufgenommen wurde. Herr Hajrulahu war von den Pflegeeltern aus Deutschland verständigt worden und war die 500 Kilometer – Strecke  ins Kosovo gefahren, um Serdana, die im Kosovo auf sich allein gestellt gewesen wäre,  am Flughafen abzuholen.

Der Stellungnahme des niedersächsischen Innenministeriums vom 09. Oktober zufolge wurde Serdana am Flughafen in Pristina von einer Vertreterin des kosovarischen Sozialministerums, einer Mitarbeiterin des UNHCR monitoring teams sowie der Leiterin des „Department of Border, Asylum and Migration (DBAM)“ vom MolA (Abteilung des kosovarischen Innenministeriums) in Empfang genommen. Nach Aussagen von Serdana, mit der wir am 20.10. telefonieren konnten, wurde sie am Flughafen in Pristina jedoch nur von zwei Personen in ziviler Kleidung (einem Mann und einer Frau) erwartet, die sich weder vorgestellt noch zu erkennen gegeben haben, welcher Organisation oder Behörde sie angehören oder was ihre Aufgabe ist. Sie sprachen albanisch, was Serdana kaum versteht und gar nicht spricht. Herr Hajrulahu musste für sie übersetzen. Serdana wurde gesagt, dass sie in ein „Heim“ kommen solle, wobei sie nicht verstand, ob es sich um ein Kinderheim oder eine Unterkunft für Flüchtlinge oder Rückkehrer handeln sollte. Es wurden keine weiteren Angaben zu Hilfs- oder Unterstützungsangeboten gemacht. Sie entschied sich dann dafür, mit Herrn Hajrulahu zu fahren.

Serdana weiß nicht, wo sich ihre Eltern aufhalten. Die Pflegeeltern haben Gerüchte aufgeschnappt, wonach die Eltern in Belgien sein sollen. Kontakt zu ihren Eltern haben aber weder Serdana noch die Pflegeeltern.
Am Telefon hinterlässt Serdana einen schwer gestörten Eindruck. ßber ihre Fluchtgründe (geschlechtsspezifische Verfolgung) redet sie nur sehr zögerlich und stockend und ist dabei sehr aufgewühlt, fast panisch. In Deutschland hatte sie nur ihre Pflegemutter ins Vertrauen gezogen. Das Bundesamt hatte ihren Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, nachdem sie nicht zur Anhörung erschienen war. Gegen diese Entscheidung legte das Jugendamt (Vormund) keine Rechtsmittel ein. Offenbar hat das Jugendamt auch nie versucht, mit dem Mädchen über ihre Fluchtgründe zu sprechen. Ein Rechtsanwalt wurde erst bestellt, als das Asylverfahren bereits abgeschlossen war.

Das Ehepaar Hajrulahu hat selbst 6 Kinder, das ßlteste ist ca. 12 Jahre alt. Die Familie hat den Angaben des Familienvaters zufolge nicht genug zu essen, auch an Kleidung fehlt es. Serdana ist offenkundig suizidgefährdet. Herr Hajrulahu berichtet, dass Serdana sich häufig zurückzieht und weint. Vor einigen Tagen habe er sie in einem Schuppen gefunden, wo sie ein Seil an der Decke befestigt hatte. Er befürchtet, dass sie versuchen wollte, sich umzubringen.

Fragen an den Landkreis Emsland:

  1. Warum wurde das Sorgerecht nicht auf die Pflegefamilie übertragen, bei der Serdana in Deutschland lebte, obwohl diese dazu bereit war?
  2. Warum hat das Jugendamt, das das Sorgerecht übernahm, dann nicht dafür gesorgt, dass Serdana den Anhörungstermin beim Bundesamt wahr nahm?
  3. Warum hat das sorgeberechtigte Jugendamt niemals mit Serdana über ihre Fluchterfahrungen gesprochen, obwohl bekannt war, dass Serdana geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe für ihren Asylantrag geltend machte? Warum hat auch die Tatsache, dass das Mädchen sich in Deutschland auffällig benahm und sich u.a. weigerte, zur Schule zu gehen, das Jugendamt nicht veranlasst, einmal mit Serdana zu sprechen?
  4. Warum hat das Jugendamt nach der Ablehnung des Asylantrags ohne Anhörung der Betroffenen nicht wenigstens dafür gesorgt, dass Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Bundesamts eingelegt wurden?
  5. Warum hat der Landkreis Emsland den bereits im August 2008 gemachten Angaben von Serdana und ihrer Pflegefamilie keinen Glauben geschenkt, dass die Eltern aus dem Kosovo geflohen sind?
  6. Warum wurde als Ergänzungspfleger ausgerechnet ein Jurist vorgeschlagen, der selbst früher beim Landkreis Meppen als Vertreter des OKD und Kreisverwaltungsdirektor tätig war und insofern gerade nicht gewährleistete, dass er das Wohl des Kindes gegen den Landkreis Emsland unvoreingenommen wahrnehmen würde?
  7. Ist der Landkreis Emsland angesichts des Versagens der Jugendbehörde bei der Wahrnehmung des Kindeswohls und vor dem Hintergrund der aktuellen Lebenssituation des Kindes zur Vermeidung einer akuten Kindeswohlgefährdung bereit, Serdana B. wieder nach Deutschland einreisen zu lassen?
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