Seenotrettungsschiff Lifeline: Willkommen in Niedersachsen

Presseinformation, 27. Juni 2018

Der Flüchtlingsrat begrüßt, dass aus Seenot gerettete Geflüchtete auch in Niedersachsen aufgenommen werden.

„Wir begrüßen es, dass in Niedersachsen Humanität und Flüchtlingsschutz noch als Leitgedanken der Innenpolitik gelten – eine Devise, die längst nicht mehr in allen Bundesländern Gültigkeit zu haben scheint“, erklärt Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Niedersachsen.

„Dass sich die Aufnahme nun unter dem Vorbehalt einer europäischen Gesamtlösung weiter verzögern soll, führt allerdings zu einer unnötigen Verlängerung menschlichen Leids. Niedersachsen sollte sich entscheiden, die Menschen unbürokratisch nach Norddeutschland kommen zu lassen“, fordert Kai Weber. Zu beachten sei, dass es sich bei den Betroffenen um eine extrem verwundbare Gruppe handele, die vor weiterer Traumatisierung geschützt werden müsse.

Der Fall der Lifeline macht auch deutlich, dass das Schicksal von Geflüchteten in Europa mittlerweile von der Aufnahmebereitschaft einzelner Länder abhängt. Die Lifeline hatte – nach tagelanger Suche nach einem sicheren Hafen – in Malta anlegen können. Daraufhin haben sich die Landesregierungen in Berlin und Kiel bereit erklärt, in diesem speziellen Fall die humanitäre Notlage auf dem Schiff mit zu beenden. Auf Initiative des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius schloss sich Niedersachsen diesem Vorhaben an. Auch Bremen und Brandenburg haben mittlerweile ihre Aufnahmebereitschaft erklärt. Dies wird vom Flüchtlingsrat begrüßt. Allerdings sind solche akuten Maßnahmen keine nachhaltige Lösung für die mittlerweile alltäglichen Flüchtlingstragödien am Mittelmeer.

„Es ist schockierend, mit welchen Mitteln Europa gegenwärtig versucht, die Menschen von seinen Grenzen fernzuhalten. Die EU kollaboriert lieber mit der libyschen Küstenwache, die von Milizen durchsetzt ist, statt endlich eine zivile europäische Seenotrettung zu organisieren“, kritisiert Kai Weber die Hintergründe der Situation. „Dass der stellvertretende niedersächsische Ministerpräsident Althusmann heute genau auf diese libysche Küstenwache, der schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, verweist, kritisieren wir aufs Schärfste. Auch seine Forderung nach europäischen Ankerzentren in Nordafrika kann keine Antwort sein.“

Der Flüchtlingsrat schließt sich der heutigen „Berliner Erklärung zum Flüchtlingsschutz“ eines Bündnisses von Flüchtlingshilfe-, Menschenrechts- und Wohlfahrtsorganisationen im Vorfeld des EU-Gipfels zur gemeinsamen Asylpolitik an. Hierin heißt es:

Der Zugang zu einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren müsse gewährleistet sein. Vorschläge, Schutzsuchende in nordafrikanische Staaten und damit vor Europas Grenzen „aus- bzw. zwischenzulagern“ und nur gezielt einige Menschen im Rahmen besonderer Programme aufzunehmen, seien keine akzeptable Lösung. „Das individuelle Recht auf Asyl kann nicht durch die Aufnahme einiger weniger Ausgewählter ersetzt werden.“

Der Flüchtlingsrat teilt die Sorge des Bündnisses, „dass die aktuelle deutsche wie europäische Asylpolitik nicht mehr primär dem Schutz der Flüchtlinge als vielmehr dem Schutz der Grenzen dient.“ Trotz anhaltender Konflikte in Ländern wie Syrien, Afghanistan, dem Südsudan, Somalia oder Myanmar und weltweit steigender Flüchtlingszahlen, fänden schon jetzt immer weniger Flüchtlinge in Europa und Deutschland Schutz. Am Umgang mit Flüchtlingen zeige sich jedoch, wie verlässlich das Versprechen Europas sei, die Menschenrechte einzuhalten, heißt es in der Erklärung.

Die Bundesregierung müsse klar Verantwortung für den Flüchtlingsschutz in Deutschland und Europa übernehmen. Die „solidarische Aufnahme von Schutzsuchenden in der EU statt nationaler Abschottung“ seien das Gebot der Stunde.

Insbesondere angesichts der dramatisch zugespitzten Situation im Mittelmeer schließt sich der Flüchtlingsrat dem Bündnis an und fordert die Rettung von Menschen in Seenot im Mittelmeer und ihre Ausschiffung in den nächsten europäischen Hafen. Zivile Seenotrettungsorganisationen dürften nicht an ihrer Arbeit gehindert werden. Das Recht auf Leben gilt auch auf Hoher See.

Presseberichte

Seehofer sieht keine Notwendigkeit zu handeln. Niedersachsen bietet Aufnahme von Passagieren der „Lifeline“ an, in: kreiszeitung.de vom 27. Juni 2018

Debatte um Aufnahme in Niedersachsen. Althusmann bei „Lifeline“-Flüchtlingen „sehr skeptisch“, in: Neue Osnabrücker Zeitung online vom 27. Juni 2018

 

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1 Gedanke zu „Seenotrettungsschiff Lifeline: Willkommen in Niedersachsen“

  1. … dieses hat mich erinnert an die ersten 1.000 „boat-People“, auf dem Schiff „Hai Hong“ in Asien nirgends an Land durften und dann nach wochenlangen Medienberichten als erste vietnamesische Flüchtlinge in Niedersachsen aufgenommen wurden.
    Noch heute habe ich Kontakt zu mehreren der damals in Celle aufgenommenen Flüchtlingsfamilien, die allesamt berufstätig und gut integriert sind. Viele von ihnen haben die deutsche Staatsbürgerschaft und die Folge-Generation hat größtenteils studiert bzw. ist im Studium.
    So wünsche ich den jetzigen Neuankömmlingen kompetente Ersthelfer für eine hoffentlich positive Integration und verständnisvolle Mitmenschen.

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