OVG Niedersachsen sieht keine gravierenden Mängel für anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien.

Abgeschobene syrische Familie K. darf nicht zurück nach Deutschland

Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht entschied in einem Beschluss vom 10. März (siehe hier), dass die am 3. Februar aus Lehrte, Region Hannover, nach Bulgarien abgeschobene Frau K. und ihre drei Kinder keinen Anspruch haben, nach Deutschland zu ihrem Mann und ihrem 14-jährigen vierten Kind zurückzukehren. Damit bestätigte das OVG die harte Haltung der Landesregierung und der Region Hannover, die das Auseinanderreißen der Familie rechtfertigten und eine inzwischen schon sechswöchige Trennung der Familie in Kauf genommen hatten.

Zuvor hatten sich der Regionspräsident der Region Hannover sowie Innenminister Pistorius beim BAMF darüber beschwert, dass das Bundesamt der Familie nach einer ersten negativen Entscheidung später Schutz vor einer Abschiebung nach Bulgarien zugesprochen hatte. Diese Intervention hat letztlich das ganze Drama der Familie eingeleitet: Das BAMF änderte den Bescheid und kam zu der Überzeugung, dass Bulgarien für die Familie doch ein sicherer Drittstaat sei und sie somit in das Land zurück müsse, wo ihnen zuvor Flüchtlingsschutz gewährt worden war (siehe u.a. hier). Ein Rechtsschutzantrag war vom Verwaltungsgericht Hannover abgelehnt worden, wodurch trotz eingereichter Klage gegen den letzten BAMF-Bescheid formell kein Abschiebungsschutz bestand. Da jedoch der Vorsitzende der 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover schriftlich darauf hingewiesen hatte, dass eine Abschiebung wegen der fehlenden erneuten Abschiebungsandrohung nicht vollziehbar sei, rechneten weder der Anwalt noch die Familie am 3. Februar mit einem Vollzug der Abschiebung.

Dennoch wurden Frau K. und drei Kinder der Familie in der Nacht zum 3. Februar aus Lehrte abgeschoben. Obwohl das vierte Kind zu der Zeit nicht zu Hause war, brach die Region die Abschiebung nicht ab, sondern ließ nur den Vater zur Betreuung des Kindes in Lehrte zurück.

Das OVG kommt, anders als z.B. der Hessische Verwaltungsgerichtshof oder das VG Oldenburg, mit seinem Beschluss vom 10. März nun zu der Erkenntnis, dass in Bulgarien für international Schutzberechtigte keine gravierenden Mängel herrschen würden, die Abschiebung von Frau K. und den drei Kindern mithin rechtmäßig war. Zur Begründung macht sich das OVG die Argumentation des VG Hannover zu eigen, das ja zuvor den Rechtsschutzantrag abgelehnt hatte.

Dass die Situation sowohl für Flüchtlinge im Asylverfahren als auch für bereits anerkannte Flüchtlinge dramatisch ist, wird nicht zuletzt am Beispiel der Familie K. deutlich, die nach der Abschiebung ohne Unterstützung von Angehörigen auf der Straße leben müsste (siehe hier).

In kritischer Auseinandersetzung mit dem Beschluss des nds. Oberverwaltungsgerichts und dessen Einschätzung der Situation in Bulgarien kommentiert Mathias Fiedler von bordermonitoring Bulgaria: „Der Beschluss vom 10. März 2017 zeigt, mit welcher Gleichgültigkeit in Niedersachsen mittlerweile mit dem Schicksal von geflüchteten Menschen umgegangen wird. […] Das OVG billigt in seinem Urteil Armut und Ausgrenzung, indem es feststellt, dass nahezu ‚50% der bulgarischen Bevölkerung‘ diese erleben. Aus diesem Grund könnten anerkannte Flüchtlinge dort auch nichts besseres erwarten und müssten ‚Sich-Durchschlagen-Können‘. Dass jedoch viele der Menschen mit bulgarischem Pass ebenfalls versuchen in andere europäische Länder zu migrieren, um genau solch einem Schicksal zu entkommen, erwähnt das OVG an dieser Stelle nicht“. Mathias Fiedler führt exemplarisch drei „registrierte Fälle mutwilligen Versagens der bulgarischen Behörden und Politik“ auf, die belegen: „Die bulgarische Regierung und deren Behörden tun bis heute nicht genug dafür, um Schutz für die von Hassreden Betroffenen aufzubauen und Bedrohungen als auch körperliche Angriffe auf Flüchtlinge und deren Unterstützer*innen abzubauen“ (der vollständige Kommentar von Mathias Fiedler ist hier zu lesen).

Nun wird vom noch in Deutschland lebenden Familienvater sowie dem vierten Kind erwartet, dass sie nach Bulgarien ausreisen, andernfalls sollen sie dorthin abgeschoben werden. Die Region Hannover hatte bereits vorsorglich eine Abschiebungsandrohung an die beiden geschickt. Die Landesregierung bestätigte zudem gegenüber der taz, dass sie Frau K. und ihre drei Kinder keinesfalls nach Deutschland zurückholen will (siehe hier).

Die harte Haltung im Fall der Familie K. ist sicher auch als Signal an andere Flüchtlinge zu verstehen, die in EU-Ländern an den Außengrenzen angekommen sind und vor den oftmals elenden Bedingungen dort weiter fliehen Richtung Deutschland oder andere mittel- und nordeuropäische Staaten.

Weitere Informationen zur Situation von Flüchtlingen in Bulgarien auf

http://bulgaria.bordermonitoring.eu/

und

http://bordermonitoring.eu/bulgarien/2016/08/bericht-zu-bulgarien/

gez.
Sigmar Walbrecht

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